OGH 2Ob114/05m

OGH2Ob114/05m20.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Elisabeth L*****, geboren am 11. Jänner 1998, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Dipl. Ing. Monika L*****, diese vertreten durch Dr. Markus Schuster, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2005, GZ 45 R 87/05k-98, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. Dezember 2004, GZ 1 P 299/02g-90, teils als nichtig behoben, teils bestätigt und teils abgeändert, sowie teils aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater hatte aufgrund einer am 15. 6. 1998 vor dem Jugendwohlfahrtsträger abgeschlossenen Vereinbarung für seine außerehelich geborene Tochter Elisabeth einen monatlichen Unterhalt von EUR 799,40 (S 11.000) zu zahlen.

Auf Antrag des Vaters, die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe auf seine Unterhaltsverpflichtung rückwirkend anzurechnen, setzte das Erstgericht diesen Unterhaltsbeitrag auf monatlich EUR 665 ab 1. 10. 2002 herab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der durch ihre Mutter vertretenen Minderjährigen (teilweise) Folge. Es behob den angefochtenen Beschluss, soweit dieser den Zeitraum vom 1. 3. 2003 bis 30. 11. 2003 betraf, als nichtig und wies insoweit den Herabsetzungsantrag ab (richtig: zurück). Hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. 10. 2002 bis 31. 12. 2002 änderte es den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass die Unterhaltsverpflichtung des Vaters auf EUR 692 herabgesetzt und das Herabsetzungsmehrbegehren abgewiesen wurde. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Zeiträume vom 1. 1. 2003 bis 28. 2. 2003 und ab 1. 12. 2003 hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Begründung dieses Ausspruches führte es aus, dass „keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der materiellen Rechtskraft bzw Bindungswirkung im Zusammenhang mit einer später geltend gemachten rückwirkenden Anrechnung von Transferleistungen, sowie der Maßgeblichkeit von zur Prognose zukünftiger Unterhaltsbemessungsgrundlagen herangezogener Durchschnittseinkommen bzw -steuersätze bei selbständig Erwerbstätigen betreffend Anrechnung von Transferleistungen in der Vergangenheit sowie für den laufenden Unterhalt" bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der nur die Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters im Zeitraum vom 1. 10. 2002 bis 31. 12. 2002 bekämpfende Revisionsrekurs der Minderjährigen ist entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 16 Abs 3 AußStrG [aF]) - Ausspruch des Rekursgerichtes mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG (aF) nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der hier maßgeblichen Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen AußStrG, BGBl I 2003/111, gilt auch im Verfahren Außerstreitsachen der Grundsatz, dass eine vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit des Verfahrens bzw der Entscheidung erster Instanz nicht mehr Gegenstand der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof sein kann (SZ 65/84 uva; RIS-Justiz RS007232). Im außerstreitigen Verfahren ergangene Unterhaltsbeschlüsse unterliegen der materiellen Rechtskraft (8 Ob 82/04y mwN; RIS-Justiz RS007171), welche in jeder Lage des Verfahrens zu beachten ist. Ein Verstoß gegen das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache begründet die Nichtigkeit des Verfahrens bzw der ergangenen Sachentscheidung (6 Ob 1640/95 uva). Das Rekursgericht hat die von der Minderjährigen mit der materiellen Rechtskraft der abweisenden Entscheidung des Rekursgerichtes über einen früheren, den Zeitraum ab 1. 3. 2003 betreffenden Herabsetzungsantrag des Vaters begründete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses für den hier allein relevanten Zeitraum vom 1. 10. 2002 bis 31. 12. 2002 verneint. Dies führt dazu, dass die - im Revisionsrekurs ohnedies nicht mehr in Frage gestellt - Ansicht des Rekursgerichtes, die materielle Rechtskraft der Vorentscheidung stehe der inhaltlichen Erledigung des Herabsetzungsbegehrens für den genannten Zeitraum nicht entgegen, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr geprüft werden könnte. Die aufgeworfene Frage kann daher mangels Präjudizialität für die Entscheidung keine erhebliche Rechtsfrage nach § 14 Abs 1 AußStrG (aF) sein.

Die Rechtsmittelwerberin geht aber auch auf die zweite vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht ein. Sie legt ihrer im Revisionsrekurs vorgenommenen Berechnung vielmehr die Rechtsansicht des Rekursgerichtes zugrunde, wonach bei der Anrechnung von Transferleistungen für einen bereits vergangenen konkreten Zeitraum das in diesem Zeitraum tatsächlich erzielte Einkommen heranzuziehen sei. Damit wendet sie sich nicht gegen die den Zulassungsausspruch begründende Rechtsansicht des Rekursgerichtes, sondern tritt dieser bei. Auch insoweit zeigt sie daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Selbst wenn das Rekursgericht die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses zu Recht ausgesprochen hat, ist diese nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dennoch nicht gegeben, wenn im Rechtsmittel nur solche Rechtsfragen geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängig ist (RIS-Justiz RS00102059). Dieser Grundsatz gilt im außerstreitigen Verfahren jedenfalls dann, wenn im Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage nicht einmal angesprochen wird (6 Ob 2222/96z, 3 Ob 74/03h je mwN). Dies ist hier der Fall. Die Rechtsmittelwerberin geht von der unzutreffenden Prämisse aus, dass der Vater im Jahr 2002 durchschnittlich ein um 27,5 % höheres monatliches Einkommen als im Zeitpunkt des Abschlusses der Unterhaltsvereinbarung bezog. Sie übersieht hiebei, dass es sich nach den - durch den Akteninhalt gedeckten - Feststellungen der Vorinstanzen bei dem in der Niederschrift des Jugendwohlfahrtsträgers festgehaltenen Einkommen des Vaters von S 35.000 (EUR 2.543,55) um sein damaliges monatliches Nettoeinkommen handelte, während die diesem Einkommen im Rechtsmittel gegenübergestellten höheren Einkünfte aus dem Jahr 2002 „steuerpflichtiges Einkommen", also Bruttobeträge sind. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Vaters belief sich dagegen im Jahr 2002 auf EUR 2.212 (vgl Rekursentscheidung S 6, sowie Gutachten ON 24 S 9 ff, aus dem sich überdies die Höhe der Privatentnahmen mit monatlich EUR 2.535 ergibt). Da dieses Einkommen jenes aus dem Jahr 1998 nicht übersteigt, wird mit der im Revisionsrekurs inhaltlich relevierten Frage, ob sich die steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Vaters an dem von ihm nach der Unterhaltsvereinbarung geschuldeten Betrag oder an einem „um 27,5 % gesteigerten Unterhaltsbetrag" zu orientieren hat, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG (aF) dargetan.

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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