European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108153
Spruch:
Der Antrag des Antragstellers, für diese Sache das Bezirksgericht Leibnitz als sachlich und örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger mit Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Leibnitz beabsichtigt, gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die Rückzahlung des bereits geleisteten Preises für eine vom Kläger gekaufte Uhr samt Transportkosten klageweise geltend zu machen. Er habe die Uhr auf einer österreichischen Internetseite beworben gefunden. Nachdem er auf dieser Internetplattform sein Kaufinteresse für die Uhr bekundet habe, sei die Beklagte per E-Mail an ihn herangetreten und in der Folge sei der Kaufvertrag zustandegekommen und die Uhr gegen Bezahlung des Transportentgelts durch den Kläger geliefert worden. Die Uhr habe aber nicht einwandfrei funktioniert und sei auch nicht, wie bedungen, fabriksneu gewesen. Ein Ersuchen des Klägers, die Uhr gegen eine neuwertige, mangelfreie auszutauschen, habe die Beklagte abgelehnt, sodass der Kläger aus Gewährleistung und Schadenersatz zur Rückforderung des Kaufpreises berechtigt sei. Für ihn liege ein Verbrauchergeschäft vor, die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit gemäß Art 13 Z 3 iVm Art 14 LGVÜ 1988 lägen vor. Da diese Bestimmungen nur die internationale, nicht aber eine örtliche Zuständigkeit festlegten, beantrage er die Ordination des Bezirksgerichts Leibnitz, in dessen Sprengel er seinen Aufenthalt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind und wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (§ 28 Abs 1 Z 1 JN). Prämisse einer Ordination ist daher das Fehlen eines Gerichtsstands im Inland, was der ordinierende Oberste Gerichtshof ‑ in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 1 JN ‑ von Amts wegen zu prüfen hat, wobei diese Prüfung ‑ auch in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 2 JN ‑ von Amts wegen erfolgt (Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 13 mwN).
Im Hinblick auf den Sitz der beklagten Partei in der Schweiz richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem am 30. Oktober 2007 in Lugano abgeschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art 64 Abs 2 lit a LGVÜ 2007, auch LGVÜ II) und nicht nach dem LGVÜ 1988. Der zeitliche Anwendungsbereich des LGVÜ 2007 ist nach seinem Art 63 im Verhältnis zur Schweiz seit 1. Jänner 2011 eröffnet (ABl L 2011/138, 1).
Nach Art 15 Abs 1 lit c LGVÜ 2007 bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit ‑ unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Nr 5 ‑ nach dem Abschnitt 4 des LGVÜ („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“), wenn der andere Vertragspartner im Heimatstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Von der für die Erfüllung des Verbraucherbegriffs erforderlichen Privatbezogenheit ist nach den maßgeblichen Angaben des Antragstellers auszugehen, ebenso vom Ausrichten der Tätigkeit der beklagten Partei auf Österreich. Es liegt somit im vorliegenden Fall eine Verbrauchersache iSd Art 15 ff LGVÜ 2007 vor.
Nach der Präambel wollen die Hohen Vertragsparteien des Übereinkommens zwecks Verstärkung der rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit die Grundsätze der Brüssel I‑Verordnung (EuGVVO) auf das LGVÜ 2007 übertragen. In diesem Sinn entspricht auch der Art 16 LGVÜ 2007 in seinen maßgeblichen Passagen wortwörtlich dem Art 16 EuGVVO. Während Art 14 LGVÜ 1988 nur die internationale Zuständigkeit (und nicht auch die örtliche Zuständigkeit) regelt, bietet Art 16 LGVÜ 2007 dem Verbraucher einen Wahlgerichtsstand an seinem Wohnsitz und regelt insoweit auch die örtliche Zuständigkeit (3 Nc 22/11g mwN).
Wie der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen nach dem Inkrafttreten der Brüssel I‑Verordnung zum Ausdruck gebracht hat, ist angesichts der Neufassung des Art 16 Abs 1 eine Ordination nicht mehr erforderlich (9 Nd 502/02 = AnwBl 2002/7828 [zust Mayr] ua; RIS‑Justiz RS0106680 [T8, T9]; RS0108686 [T15]; 3 Nc 22/11g mwN). Liegt somit ‑ entgegen der Annahme des Antragstellers ‑ ein Gerichtsstand im Inland vor, ist der Ordinationsantrag als unbegründet abzuweisen (3 Nc 22/11g mwN).
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