Spruch:
Der Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Leopoldstadt wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt in seiner beim Bezirksgericht St. Johann im Pongau eingebrachten Klage Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich im Sprengel des angerufenen Gerichts ereignet hat.
Die beklagten Parteien beantragten die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Leopoldstadt, weil die Erstbeklagte dort ihre Schadenersatzansprüche aus demselben Verkehrsunfall gegen den in Wien ansässigen Haftpflichtversicherer des Klägers geltend gemacht habe. Aus Gründen der Verfahrensökonomie seien die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Der Kläger sprach sich gegen die Delegierung des Verfahrens aus. Sein im Parallelprozess beklagter Haftpflichtversicherer habe bereits die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht St. Johann im Pongau beantragt; eine Entscheidung über diesen Antrag stehe noch aus.
Das Bezirksgericht St. Johann im Pongau legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor, ohne sich selbst gemäß § 31 Abs 3 JN zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Delegierung zu äußern.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Nach ständiger Rechtsprechung soll eine Delegierung aber nur den Ausnahmefall darstellen. Lässt sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen und hat eine Partei der Delegierung widersprochen, so ist diese abzulehnen (2 Nc 42/05g mwN; RIS-Justiz RS0046324; Mayr in Rechberger, ZPO3 § 31 JN Rz 4). Im Allgemeinen sprechen Gründe der Zweckmäßigkeit dafür, Schadenersatzprozesse aus einem Verkehrsunfall bei dem Gericht durchzuführen, in dessen Sprengel sich der Unfall ereignete; diesem Umstand hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er für derartige Prozesse einen entsprechenden Gerichtsstand bei dem für den Unfallort zuständigen Gericht geschaffen hat (§ 20 EKHG). Im vorliegenden Fall ist ferner zu beachten, dass der Kläger als einer der am Unfall beteiligten Lenker in Salzburg wohnt und in seiner Äußerung zum Delegierungsantrag die Stellung eines Beweisantrags auf Durchführung eines Ortsaugenscheins bzw der Bestellung eines Kfz-Sachverständigen aus der räumlichen Umgebung der Unfallstelle angekündigt hat.
Die ebenfalls unfallbeteiligte Erstbeklagte wohnt dagegen in der Nähe von Wien und steht wie die zweitbeklagte Partei auf dem Standpunkt, dass die Durchführung eines Ortsaugenscheins nicht zweckmäßig wäre. Richtig ist auch, dass der Oberste Gerichtshof schon in zahlreichen Fällen die Zweckmäßigkeit einer Delegierung bejahte, wenn durch die Verbindung von Prozessen eine mehrfache Beweisaufnahme zu denselben Beweisthemen vermieden werden kann (2 Nc 16/06k mwN; RIS-Justiz RS0046528 [T12]). Im anhängigen Verfahren vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt wurde allerdings, wie der erkennende Senat erhoben hat, ebenfalls ein Delegierungsantrag gestellt, der dem Obersten Gerichtshof bisher noch nicht zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Unter den dargelegten Umständen lässt sich die Frage der Zweckmäßigkeit der Delegierung nicht eindeutig dahin lösen, dass die Rechtssache mit Sicherheit rascher und mit geringerem Aufwand vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt durchgeführt werden kann. Es hat daher bei der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu bleiben. Der Delegierungsantrag ist somit abzuweisen, ohne dass zuvor dem Vorlagegericht eine Erklärung nach § 31 Abs 3 JN abzufordern gewesen wäre; die Entscheidung über den Antrag erforderte keine weitere „Aufklärung" im Sinne dieser Bestimmung, weil sich das Vorlagegericht nur zu dem bereits bekannten Akteninhalt hätte äußern können (2 Nc 42/05g).
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