OGH 28Ds10/21s

OGH28Ds10/21s27.6.2022

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 27. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Strauss und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Ristic, BA, in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Diszplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 19. April 2021, GZ D 12/20‑18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Kammeranwalts Dr. Winiwarter und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0280DS00010.21S.0627.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 5. September 2019 vor dem Verhandlungssaal beim Landesgericht Krems an der Donau, während der Richtersenat im Verfahren zu AZ * beriet, gegenüber dem im Verfahren bestellten gerichtlich beeideten medizinischen Sachverständigen Dr. * B* die Äußerung „ein Gerichtsverfahren ist bei uns eine ernste Sache“, sohin eine zumindest unterschwellig rassistische Äußerung getätigt.

[3] Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer (verfehlt; vgl RIS‑Justiz RS0056724) für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldbuße in der Höhe von 2.000 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen [hier § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a] in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]). Ihr kommt aus nachfolgenden Erwägungen keine Berechtigung zu.

[5] Entgegen der Rüge der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat sich der Disziplinarrat erkennbar mit der Verantwortung des Angeklagten und den Aussagen der Zeugen Dr. * B* und Mag. * S* und dabei insbesondere mit dem – von der Beschwerde vermissten – Vorliegen von Abweichungen in den Aussagen der Zeugen und des Beschuldigten zum genauen Wortlaut der inkriminierten Äußerungen auseinandergesetzt und mängelfrei die „frischeste“ und zudem im Kern übereinstimmende Erinnerung der beiden Zeugen den Urteilsannahmen zugrunde gelegt (ES 6). Dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war er nicht verpflichtet, sämtliche Details der Aussagen der Zeugen im Einzelnen zu erörtern (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428; RIS‑Justiz RS0098778).

[6] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet, dass man die Äußerung „ein Gerichtsverfahren ist bei uns eine ernste Sache“ als rassistisch begreifen und beurteilen könne, orientiert sie sich nicht am festgestellten Sachverhalt, dem hinreichend deutlich der – auf der Tatsachenebene angesiedelte (vgl RIS‑Justiz RS0092437, RS0092588) – Bedeutungsinhalt der Äußerung, wonach damit eine „zumindest unterschwellig rassistische Aussage“ getätigt wurde (ES 1 iVm ES 6 f), zu entnehmen ist und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

[7] Dem Vorbringen der Schuldberufung zuwider hat der Disziplinarrat unter Würdigung aller wesentlichen Beweisergebnisse nachvollziehbar und lebensnah dargestellt, wie er zu seinen Feststellungen gelangt ist. Mit seiner eigenständigen Würdigung der relevanten – vom Disziplinarrat mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung erörterten – Aussagen der Zeugen Dr. * B* und Mag. * S* vermag die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld keine Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden – den Schuldspruch tragenden – Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats hervorzurufen.

[8] Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten * wegen Schuld war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur nicht Folge zu geben.

[9] Auch der implizit (§ 49 letzter Satz DSt) erhobenen Berufung wegen Strafe kommt keine Berechtigung zu. Der Disziplinarrat hat zwar weder Milderungs‑ noch Erschwerungsgründe angenommen, jedoch das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen und eine Vorstrafe außer Acht gelassen. Die ausgemessene, zudem zu Unrecht – jedoch vom Kammeranwalt ungerügt – bedingt nachgesehene Geldbuße entspricht daher jedenfalls dem Schuld‑ und Unrechtsgehalt der Tat.

[10] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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