OGH 25Ds5/17b

OGH25Ds5/17b6.10.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, in Gegenwart der Richterin Mag. Vorderwinkler als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts wegen Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom (richtig:) 9. Februar 2017, AZ D 3/16, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0250DS00005.17B.1006.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis im Schuldspruch zu 3./ und im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

***** hat dadurch, dass er am 29. Jänner 2015 in ***** für die übernommenen Treuhandschaften TBM Nr RAK 6266, 5584, 5381 und 5054, die Kaufverträge zum Inhalt hatten, bei denen der Kaufpreis jeweils 15.000 Euro überstieg, keine Parteiidentitätsnachweise aufbewahrte, gegen § 8b Abs 5 RAO verstoßen.

Er hat hiedurch die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt begangen und wird hiefür sowie für die ihm zu 1./ und 2./ des Erkenntnisses des Disziplinarrats unverändert zur Last liegenden Disziplinarvergehen nach § 16 Abs 1 Z 3 DSt zur Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten verurteilt, wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Mit seiner Berufung wird der Kammeranwalt auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Danach hat er in *****

1./ von September bis Dezember 2014 gegen § 43 Abs 4 RL‑BA verstoßen, weil seine Fremdgeldkonten nicht immer ein Guthaben aufwiesen, welches mindestens der Summe der ihm anvertrauten Fremdgelder entsprach, wobei ein Fehlbetrag bis zu 25.000 Euro bestand,

2./ bis zum 31. Mai 2016 gegen § 3 RL‑BA verstoßen, weil er Kammerbeiträge nicht bei Fälligkeit entrichtete, sodass ein Gesamtrückstand von 861,57 Euro bestand,

3./ am 29. Jänner 2015 gegen § 8b Abs 5 RAO verstoßen, indem er für die übernommenen Treuhandschaften TBM Nr RAK 6266, 5584, 5381 und 5054 keine Parteiidentitätsnachweise aufbewahrte.

Über den Beschuldigten wurde eine Geldbuße von 1.800 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die – die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bis zur Dauer eines Jahres (anstelle der Geldbuße oder zusätzlich zu dieser) begehrende – Berufung des Kammeranwalts wegen Strafe.

Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 StPO), dass dem angefochtenen Erkenntnis zum Schuldspruch 3./ ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet.

In Umsetzung europarechtlicher Vorgaben zur Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verpflichten die Bestimmungen der §§ 8a und 8b RAO den Rechtsanwalt, bei bestimmten Geschäften die Identität der Partei bzw jene des wirtschaftlichen Eigentümers (§ 8d RAO) festzustellen und insofern herangezogene Unterlagen aufzubewahren.

Voraussetzung dafür ist aber, dass eines der in § 8a Abs 1 RAO angeführten „geldwäsche-geneigten“ Geschäfte vorliegt, bei welchen dem Rechtsanwalt diese verschärften Sorgfalts‑ und Identifizierungspflichten auferlegt sind (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek,RAO9 § 8b RAO Rz 1 f; W. Sieh, Neue Geldwäschebestimmungen für Rechtsanwälte, ecolex 2010, 806 ff). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn es sich um ein auf Dauer angelegtes oder ein die Auftragssumme von mindestens 15.000 Euro erreichendes Mandat handelt, welches den Kauf oder Verkauf von Immobilien oder Unternehmen, die Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten, die Eröffnung oder Verwaltung von Bank-, Spar- oder Wertpapierkonten oder die Gründung, den Betrieb oder die Verwaltung von Gesellschaften oder ähnlichen Strukturen, wie etwa Trusts oder Stiftungen, zum Inhalt hat (vgl § 8b Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 8a Abs 1 Z 1 bis 3 RAO).

Welche konkreten Geschäfte die hier in Rede stehenden, lediglich mit den Bezeichnungen „TBM Nr RAK 6266, TBM Nr RAK 5584, TBM Nr RAK 5381 und TBM Nr RAK 5054“ beschriebenen Treuhandschaften betrafen, lässt das Tatsachensubstrat des Erkenntnisses jedoch nicht erkennen, weshalb auf dieser Basis nicht beurteilt werden kann, ob den Beschuldigten eine Identifizierungspflicht nach § 8b RAO traf.

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, gemäß § 52 erster Satz DSt die notwendige Verfahrensergänzung durch Verlesung der Liste der gemeldeten Treuhandschaften (Beilage A./ des erstinstanzlichen Akts) selbst vorzunehmen und aufgrund dessen die ergänzende Feststellung zu treffen, dass alle im Spruch bezeichneten Treuhandschaften Kaufverträge zum Inhalt hatten, bei denen der Kaufpreis jeweils 15.000 Euro überstieg. Nach Kassation des Schuldspruchs 3./ und Sanierung des Rechtsfehlers konnte damit in der Sache selbst erneut im Sinn des erstinstanzlichen Erkenntnisses entschieden werden (vgl Ratz , WK‑StPO § 473 Rz 11 ff).

Bei der – infolge Aufhebung auch des Strafausspruchs – erforderlichen Strafneubemessung war das Zusammentreffen mehrerer Pflichtverletzungen und Disziplinarvergehen als erschwerend zu berücksichtigen, während die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit und das reumütige Geständnis mildernd wirkten.

Der korrekte Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern gehört zu den grundlegendsten und wichtigsten Pflichten der Anwaltschaft; genaue Kenntnis der Konten- und Geldverwaltung ist daher für jeden Anwalt ebenso unerlässlich wie sorgfältigster Umgang in diesem Bereich (vgl RIS‑Justiz RS0055151; RS0055847). Die Verpflichtung zur Verwahrung von Fremdgeldern auf Anderkonten erfüllt nicht nur den Zweck, sofort und umgehend über Mandantengelder Rechnung legen zu können, sondern dient auch der effizienten Abwehr jeder Missbrauchsmöglichkeit. § 43 Abs 4 RL-BA soll daher das Bewusstsein für die Unantastbarkeit von Fremdgeldern schärfen. Wird diesem Umstand nicht Rechnung getragen, so wird durch die Vermengung von Mandantengeldern einerseits und Kanzleigeldern andererseits aus psychologischer Sicht eine nicht zu überschreitende Grenze verwischt und das Bewusstsein für die Unantastbarkeit von Fremdgeldern deutlich getrübt (vgl Thiery , Die Konten- und Geldverwaltung des Rechtsanwaltes, AnwBl 2005, 448 ff). Ein Verstoß gegen das Gebot des korrekten Umgangs mit Fremdgeldern stellt nicht nur eine gravierende Berufspflichtenverletzung dar, sondern ist auch geeignet, das Vertrauen in den Rechtsanwaltsstand massiv zu erschüttern.

Unter diesem Aspekt ist der zu 1./ des Schuldspruchs angeführte Vorwurf als so schwerwiegend anzusehen, dass – auch unter Berücksichtigung der beiden weiteren Vorwürfe und trotz der aufgezeigten Milderungsgründe – die bloße Verhängung einer Geldbuße im vorliegenden Fall nicht mehr tatschuldangemessen ist, es vielmehr der strengeren Sanktion der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedarf. Diese war (bei einem Rahmen von bis zu einem Jahr) mit drei Monaten sachgerecht auszumessen. Im Hinblick auf die Unbescholtenheit und das reumütige Geständnis war davon auszugehen, dass die bloße Androhung der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren genügt, um den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten. Die zusätzliche Verhängung einer Geldbuße (§ 16 Abs 3 DSt) war nicht geboten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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