European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0220OS00010.15H.0518.000
Spruch:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er (auch) nach dem 18. März 2014 ‑ insbesondere am 23. Mai 2014 durch Einbringung einer außerordentlichen Revision für Josef B***** an den Obersten Gerichtshof ‑ als Vertreter des Josef B***** gegen Peter S***** aufgetreten sei, obwohl er mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 18. März 2014, AZ D 12‑57, 1 DV 13‑07, rechtskräftig durch die Rechtsmittelentscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 11. November 2014, AZ 22 Os 8/14p, schuldig erkannt worden wäre, einerseits im Auftrag von Josef B***** und Peter S***** den Übergabsvertrag vom 25. Oktober 2010 verfasst und grundbücherlich durchgeführt zu haben und in weiterer Folge zu AZ 11 Cg 46/12f des Landesgerichts Innsbruck wegen Aufhebung dieses Vertrags als Vertreter des Josef B***** gegen Peter S***** aufgetreten wäre.
Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 7.000 Euro verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b und 11 StPO; RIS‑Justiz RS0128656 [T1]), Schuld und (implizit: § 49 letzter Satz DSt) Strafe.
Der Kammeranwalt erhob gegen das Erkenntnis Berufung wegen Strafe.
Keinem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu:
In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet der Disziplinarbeschuldigte res iudicata, weil er wegen des selben Sachverhalts bereits mit Erkenntnis der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 18. März 2014, AZ D 12‑27, 1 DV 13‑07, schuldig erkannt worden sei, zumal in dem zitierten Erkenntnis bei der Strafbemessung erschwerend berücksichtigt worden sei, dass er nach wie vor den Übergeber Josef B***** im Rechtsmittelverfahren vertrete. Dies sei auch dem Obersten Gerichtshof bei seiner Entscheidung vom 11. November 2014, AZ 22 Os 8/14p, bekannt gewesen. Dabei übersieht er jedoch, dass der Tatzeitraum des von ihm genannten Erkenntnisses der Tiroler Rechtsanwaltskammer mit deren Entscheidung, somit am 18. März 2014, endete. Der Oberste Gerichtshof gab in seinem Urteil vom 11. November 2014 der Berufung des Disziplinarbeschuldigten nicht Folge und hat demzufolge weder in der Sache selbst entschieden, noch die Strafe originär festgesetzt. Demzufolge beschränkte sich das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs auf den Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz, nämlich auf die Beurteilung behaupteter Fehler der angefochtenen Entscheidung und deren Inhalts ( Ratz , WK‑StPO Vor §§ 280 ‑ 296a Rz 12 f). Der Passus auf S 5 des genannten Urteils, demgemäß „der Disziplinarbeschuldigte den Übergeber Josef B***** nach wie vor im anhängigen (Rechtsmittel‑)Verfahren vertrete“, bezieht sich nur auf das Referat der wesentlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Erkenntnisses, aber selbstredend nicht auf eine Entscheidung über nach dem 18. März 2014 verwirklichte Disziplinarvergehen.
Das nunmehr bekämpfte Erkenntnis hinwieder betrifft ausschließlich nach dem 18. März 2014, insbesondere am 23. Mai 2014 begangene Disziplinarvergehen (Erkenntnisseite 3 ff, 6, in Verbindung mit dem zur Verdeutlichung [ Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 8; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 580] heranzuziehenden Referat der entscheidenden Tatsachen [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO]).
Damit erweist sich aber auch die auf § 281 Abs 1 Z 11 (erster Fall) StPO gestützte Sanktionsrüge, mit welcher eine Bedachtnahme nach § 31 StGB angestrebt wird, als unberechtigt, weil über den nun entschiedenen (nach dem Erkenntnis der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 18. März 2014, AZ D 12‑27, 1 DV 13‑07, liegenden) Sachverhalt nicht bereits im (erstinstanzlichen) Vorerkenntnis entschieden werden hätte können ( Ratz , in WK 2 StGB § 31 Rz 2 ff).
Infolge der vom Disziplinarbeschuldigten nicht bestrittenen Kenntnis von der Vorentscheidung und seiner jeweiligen Vertretungshandlungen bestehen auch unter dem Blickpunkt einer Schuldberufung keine Bedenken gegen die logisch und empirisch einwandfreie Beweiswürdigung des Disziplinarrats.
Entgegen der auf eine Erhöhung der Strafe antragenden Berufung des Kammeranwalts und der (impliziten) Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Strafe sah sich der Oberste Gerichtshof auch zu keiner Änderung der Sanktion bestimmt:
Als erschwerend fällt eine disziplinarrechtliche Vorverurteilung und der (äußerst) rasche spezifisch einschlägige Rückfall nach (noch nicht rechtskräftiger) weiterer Vorverurteilung vom 18. März 2014 ins Gewicht, während dem Disziplinarbeschuldigten sein Tatsachengeständnis als mildernd anzurechnen ist.
Das völlige Ignorieren einer sei es auch bekämpften Entscheidung eines Disziplinarsenats stellt ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar, das ‑ wie der Disziplinarrat zutreffend ausführt ‑ auch bei geringer Publizität Ehre oder Ansehen des Standes beträchtlich verletzt, ist doch auch schon jeder Anschein einer Doppelvertretung zu vermeiden.
Relativiert wird dieser Vorwurf allerdings dadurch, dass der Disziplinarbeschuldigte für einen betagten Klienten in erster Instanz mit einer üblicherweise nicht gerade besonders aussichtsreichen Klage auf Anfechtung eines Übergabsvertrags im Bezug auf beträchtliches Vermögen durchgedrungen war und ein Anwaltswechsel nach Abänderung der Entscheidung durch das Oberlandesgericht vor Einbringung einer außerordentlichen Revision für die vertretene Partei wohl einen beträchtlichen weiteren Aufwand mit sich gebracht hätte.
Unter Abwägung dieser Gründe und unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse eines Rechtsanwalts erweist sich die vom Disziplinarrat gefundene Sanktion als dem Unrecht der Tat und der Schuld des Täters angemessen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.
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