OGH 22Ds1/21y

OGH22Ds1/21y17.6.2021

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als weiteren Richter sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Waizer als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Pentz in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 8. September 2020, GZ D 19‑53, 3 DV 20‑04‑26, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0220DS00001.21Y.0617.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Berufung wird die Dauer der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unter Beibehaltung der bedingten Nachsicht für zwei Jahre auf zwei Monate erhöht.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** jeweils mehrerer Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

(1) den aus einem Verkehrsunfall vom 5. Juni 2011 von der Haftpflichtversicherung der Gegenseite am 20. November 2017 angewiesenen Betrag von 4.000 Euro unter Verletzung des § 14 RL‑BA 2015 nicht unverzüglich, sondern erst nach entsprechender Klagsführung im Oktober 2019 an seine Mandantin Mag. Bianca S***** ausgefolgt und

(2) seit seiner Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer im Mai 2016 unter Verletzung des § 4 RL-BA 2015 berufliche und außerberufliche Verbindlichkeiten nicht erfüllt, sodass zwölf Gläubiger ihre Forderungen im Klags‑ und Exekutionsweg geltend machen mussten, ehe er sie beglich.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Disziplinarrat sprach dafür gemäß § 16 Abs 1 Z 3 DSt die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer eines Monats aus und sah diese Sanktion unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nach.

[4] Die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung des Kammeranwalts ist im Recht.

[5] Der Disziplinarrat wertete bei der Strafbemessung die große Zahl der vom Schuldspruch 2 umfassten Exekutionen sowie den Umstand, dass „sich ein Anwalt bei Fremdgeldern größtmöglicher Sorge zu befleißigen hat“, als erschwerend, dass „Tatsachengeständnis“ als mildernd.

[6] Zur Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839).

[7] Hievon ausgehend zeigt die Berufung zutreffend auf, dass das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen und der lange Deliktszeitraum erschwerend hinzutreten (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).

[8] Andererseits sind auch die vom Disziplinarrat angenommenen Milderungsgründe dahin zu korrigieren, dass der Beschuldigte nicht bloß ein sogenanntes Tatsachengeständnis, sondern ein – im Übrigen vor dem Obersten Gerichtshof eingehend wiederholtes – reumütiges Geständnis abgelegt (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und er bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) hat.

[9] Das vom Disziplinarrat hervorgehobene Gewicht des Sorgfaltsverstoßes stellt zwar keinen besonderen Erschwerungsgrund dar, ist aber im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung aggravierend zu werten (§ 32 Abs 3 StGB).

[10] Unter Berücksichtigung der solcherart korrigierten Strafbemessungsgründe war die ausgesprochene Sanktion auf der Grundlage der Schuld des Beschuldigten (§ 32 Abs 1 StGB) in Stattgebung der Berufung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erhöhen.

[11] Da § 16 Abs 1 DSt die Disziplinarstrafen nach ihrer Strenge reiht, ist die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 16 Abs 1 Z 3 DSt) gegenüber der Geldbuße (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) die strengere Strafe (RIS‑Justiz RS0075487 [T2]). Ausgehend davon bedarf es mit Rücksicht auf die bisherige Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis und den persönlichen Eindruck, den der Beschuldigte in der Berufungsverhandlung hinterließ, nicht des zusätzlichen Ausspruchs einer Geldbuße im Sinn des § 16 Abs 3 DSt.

[12] Der unbedingte Ausspruch der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft kam schon mit Blick auf das insoweit eingeschränkte Berufungsbegehren nicht in Betracht.

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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