European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0200OS00022.15H.0223.000
Spruch:
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht, jener wegen Strafe aber durch Herabsetzung der Geldbuße auf 500 Euro Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Dr. ***** schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes begangen zu haben.
Danach hat er entgegen §§ 9, 19 RAO iVm § 17 RL‑BA 1997 und § 1 DSt als Rechtsvertreter des Kemal M*****, dessen Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 30. April 2010 gegen die G***** AG er durchzusetzen übernommen hatte, seinem Mandanten außergerichtliche Betreibungskosten in Höhe von 6.157,88 Euro verrechnet und diesen Betrag ab Juli 2011 (ES 7 f) vom bei ihm eingegangenen Vergleichskapital ohne Zustimmung seines Mandanten einbehalten, obwohl er bei Mandatsübernahme zugesichert hatte, dass die Vertretung kostenlos sei, und in der Folge den genannten Betrag trotz Bestreitung durch Kemal M***** weder an diesen ausbezahlt noch gerichtlich hinterlegt.
Er wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.
Hingegen wurde der Disziplinarbeschuldigte vom Vorwurf, er habe als Rechtsvertreter des Kemal M***** im Zuge der Durchsetzung von dessen Schadenersatzansprüchen aus dem Verkehrsunfall vom 30. April 2010 gegen die G***** AG einen außergerichtlichen Vergleich dieser Ansprüche ohne Zustimmung seines Mandanten abgeschlossen, unbekämpft freigesprochen.
Gegen das verurteilende Erkenntnis richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO) sowie gegen die Aussprüche wegen Schuld und Strafe. Der Kammeranwalt hat dazu eine ablehnende Gegenausführung erstattet, allerdings darauf hingewiesen, dass die Strafberufung insoferne berechtigt sein könnte, als zwischen der Fällung des erstinstanzlichen Erkenntnisses am 28. Jänner 2013 und der Zustellung desselben an den Disziplinarbeschuldigten am 23. September 2015 mehr als zweieinhalb Jahre verstrichen sind.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung wegen Nichtigkeit ist ‑ wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte ‑ entgegenzuhalten:
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der Antrag des Disziplinarbeschuldigten auf Vernehmung des Zeugen Samir [laut Antrag:] G***** zum (zufolge des Freispruchs als relevant verbleibenden) Beweis, „dass nicht vereinbart wurde, dass dem Zeugen M***** keine Kosten (gemeint: durch die rechtsanwaltliche Tätigkeit des Disziplinarbeschuldigten) entstehen würden“ (TZ 36 S 16), sanktionslos abgewiesen werden. Er legte nämlich nicht dar, weshalb die Vernehmung dieses Zeugen trotz des vom Disziplinarbeschuldigten am 18. Mai 2010 an seinen Mandanten M***** gerichteten (Kostenfreiheit zusagenden) Schreibens (Beilage ./1; vgl ES 5 f) das behauptete Ergebnis erwarten lasse.
Die Mängelrüge (Z 5) beschränkt sich auf eine eigenständige Würdigung der nach Ansicht des Berufungswerbers erzielten Beweisergebnisse und zeigt weder einen Widerspruch noch eine Aktenwidrigkeit auf (vgl Ratz,WK‑StPO § 281 Rz 439 und Rz 467), sondern übt lediglich Beweiskritik, womit sie am Bezugspunkt der geltend gemachten Nichtigkeit vorbei geht.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt aus zweierlei Gründen die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit: Die ersichtlich aufgestellte Behauptung, der Disziplinarbeschuldigte habe Anspruch auf Ersatz der von ihm verzeichneten Kosten gegenüber seinem Mandanten Kemal M*****, entbehrt der ‑ notwendigen ‑ Grundlage entsprechender Sachverhaltsannahmen im angefochtenen Erkenntnis (ES 5 ff; RIS‑Justiz RS0099810). Andererseits legt die Rechtsrüge nicht dar, weshalb trotz des klaren Wortlauts des § 17 RL‑BA 1977 keine Verpflichtung des Disziplinarbeschuldigten zur Hinterlegung oder Ausfolgung des strittigen Kostenbetrags bestanden habe (RIS‑Justiz RS0116569; Feil/Wennig,Anwaltsrecht8 § 19 RAO Rz 1 bis 3 sowie § 17 RL‑BA Rz 1).
Der Berufung wegen Schuld war nicht Folge zu geben, weil sie keine Umstände aufzuzeigen vermochte, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken. Dieser hat die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer widerspruchsfreien und lebensnahen Bewertung unterzogen und überzeugend und logisch nachvollziehbar dargetan, wie er zu den relevanten Feststellungen gelangte und weshalb er der Darstellung des Zeugen Kemal M***** folgte (ES 9). Es darf nicht übersehen werden, dass die Zusage der „Kostenlosigkeit“ durch den Disziplinarbeschuldigten gerade nicht an den Bestand einer Rechtsschutzversicherung geknüpft war (ES 5 f) ‑ dieses Versäumnis muss der Berufungswerber nunmehr gegen sich gelten lassen und kann sich bei niemand anderem als sich selbst beschweren.
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe beschränkt sich darauf, auf die „festgestellten Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse“ des Disziplinarbeschuldigten „zu verweisen“. Insofern kommt ihr aufgrund der erstinstanzlichen Anführungen (ES 14 f) keine Berechtigung zu. Angesichts des erheblichen Unrechts‑ und Schuldgehalts des dem Disziplinarbeschuldigten vorwerfbaren Verhaltens wäre die vom Disziplinarrat festgesetzte Geldbuße nicht überhöht.
Allerdings kommt zufolge der bereits vom Kammeranwalt eingewandten Länge des Disziplinarverfahrens der Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB massiv zum Tragen: als Ausgleich der Grundrechtsverletzung war die Sanktion spruchgemäß zu reduzieren (RIS‑Justiz RS0114926).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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