OGH 1Ob96/72

OGH1Ob96/725.5.1972

SZ 45/57

Normen

KO §27
KO §30
KO §31
KO §27
KO §30
KO §31

 

Spruch:

Befriedigungstauglich ist eine Anfechtung auch dann, wenn die an die Konkursmasse zurückzuzahlenden Beträge nur zur Befriedigung der Massegläubiger, nicht aber zur Befriedigung der Konkursgläubiger beitragen

OGH 5. 5. 1972, 1 Ob 96/72 (OLG Wien 4 R 193/71; LGZ Wien 29 Cg 86/70)

Text

Über das Vermögen der Firma H & S, Alleininhaber Ing Roland H, wurde mit Beschluß des LG Feldkirch vom 22. 10. 1968 das Ausgleichsverfahren und mit Beschluß vom 22. 4. 1969 der Anschlußkonkurs eröffnet; der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Gemeinsam mit zwei anderen Firmen erwirkte die beklagte Partei am 8. 2. 1968 gegen die Firma H & S beim LG Feldkirch ein Versäumungsurteil über einen Betrag von S 55.683.- sA, von dem der beklagten Partei die Hälfte zustand. Die vom BG Bregenz am 22. 4. 1968 zur Hereinbringung der Forderung bewilligte Fahrnisexekution wurde am 5. 6. 1968 durch Pfändung vollzogen. Bei dem am 29. 9. 1969 durchgeführten Freihandverkauf wurde ein Erlös von S 97.200.- erzielt, von dem mit Beschluß des BG Bregenz vom 2. 2. 1970 der beklagten Partei ein Betrag von S 29.332.32 zugewiesen wurde. Nach Inhalt des Pfändungsprotokolls wurden gegen die Firma H & S in der Zeit vom 12. 5. 1967 bis 14. 5. 1968 zur Hereinbringung von Forderungen zwischen S 1001.10 und S 500.000.- sA 55 Fahrnisexekutionen über eine Gesamtsumme von S 4.073.913.01 anhängig. Für 33 bis 26. 2. 1968 durchgeführte Pfändungen und Anschlußpfändungen für Forderungen von zusammen S 2.305.179.72 war noch Deckung vorhanden, für die weiteren nicht mehr. Nach der am 5. 6. 1968 vollzogenen Pfändung ua zugunsten der Forderungen der beklagten Parteien wurden bis zur Ausgleichseröffnung noch weitere 16 Exekutionen für Forderungen in der Gesamthöhe von S 379.970.88, worunter sich eine Forderung über S 101.- und sechs weitere unter S 5000.- befanden, vollzogen. Weitere acht Exekutionen folgten dann noch der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens nach.

In der am 16. 4. 1970 erhobenen Klage, mit der der Kläger inhaltlich die Anfechtungstatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 und des § 31 Abs 1 Z 2 KO geltend machte, behauptete der Kläger, der beklagten Partei sei seit der Begründung des Pfandrechts die Zahlungsunfähigkeit der Firma H & S bekannt gewesen; durch die Exekutionsführung hätte sie eine Befriedigung erlangt, die ihr in dieser Art nicht zugestanden sei, und sei dadurch vor anderen Gläubigern begünstigt worden. Das Konkursvermögen reiche nicht einmal zur Deckung der Masseforderungen aus.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Bezahlung von S

19.554.88 sA an die Konkursmasse. Am Tage der Pfändung sei die Firma H & S bereits zahlungsunfähig gewesen, wovon sich auch der Vertreter der beklagten Partei durch Einsichtnahme in das Pfändungsprotokoll und auf Grund von Informationen des Vollstreckers überzeugen hätte können. Die beklagte Partei hätte daher am 5. 6. 1968 keinen Anspruch auf Sicherstellung ihrer Forderungen durch ein Pfand gehabt; bei der von ihr dennoch erwirkten Sicherstellung habe es sich um eine "abweichende Deckung" gehandelt; sie sei hiedurch den übrigen Gläubigern gegenüber begünstigt worden. Die Voraussetzungen der §§ 30, 31 KO seien daher gegeben, so daß die beklagte Partei den von ihr erhaltenen Erlös an die Masse zurückzahlen müsse.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO ist ua eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, aber früher als ein Jahr vor der Konkurseröffnung (§ 30 Abs 2 KO) vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers anfechtbar, wenn dieser eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte, es sei denn, daß er durch diese Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden ist. Voraussetzung für eine Anfechtung nach dieser Gesetzesstelle ist es also, daß der Gläubiger früher als ein Jahr vor der Konkurseröffnung, aber zu einem Zeitpunkt, als der spätere Gemeinschuldner bereits zahlungsunfähig war, eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangte, die nur als sogenannte inkongruente Deckung angesehen werden kann. Außerdem muß die Anfechtung befriedigungstauglich sein, dh sie muß zu einer Leistung an die Konkursmasse und zu einer wahrscheinlichen Verbesserung der Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger des Gemeinschuldners führen (EvBl 1969/225; RZ 1962, 205 ua). Ob der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dem Begünstigten hingegen bekannt war, ist unerheblich, da die Kenntnis des Begünstigten von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners für Anfechtungen nach § 30 KO nicht erforderlich ist (EvBl 1969/329).

Zahlungsunfähigkeit iS des § 68 KO liegt schon dann vor, wenn ein Schuldner mangels parater Zahlungsmittel seine fälligen Verbindlichkeiten nicht zu berichtigen vermag (EvBl 1969/329), wogegen sich von einer bloßen Zahlungsstockung nur sprechen läßt, wenn die benötigten Mittel alsbald beschafft werden können (JBl 1970, 382; SZ 38/61 ua). Zahlungsunfähigkeit ist also anzunehmen, wenn ein nicht bloß vorübergehender, sondern ein dauernder Mangel an Zahlungsmitteln besteht, der den Schuldner hindert, fällige Schulden zu bezahlen (EvBl 1970/269; EvBl 1969/225; EvBl 1959/101 ua). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß die Firma H & S am 5. 6. 1968, als die Exekution zugunsten der beklagten Partei durch Fahrnispfändung vollzogen wurde, bereits zahlungsunfähig war, war sie doch nach Inhalt des Pfändungsprotokolls, der auch durch andere Beweisergebnisse nicht widerlegt wurde, weder damals noch in den Monaten vorher oder nachher bis zur Eröffnung des Ausgleichsverfahrens in der Lage, ihre laufenden Verbindlichkeiten zu erfüllen, selbst wenn es sich nur um kleinere Forderungen handelte, deren Befriedigung ein nicht zahlungsunfähiger Schuldner in aller Regel schon deswegen rasch vornimmt, um das Anerlaufen unverhältnismäßig hoher Exekutionskosten zu vermeiden. Entgegen der Auffassung der Revision ist es dabei gleichgültig, daß die beklagte Partei nach der Pfändung eine Zahlung von S 15.000 erhielt und daher die Exekution nach § 200 Z 3 EO eingestellt hatte, da der - wie sich zeigte, vergebliche - Versuch der Schuldner, eine Konkurseröffnung durch Teilzahlungen an andrängende Gläubiger zu vermeiden bzw hinauszuschieben, keine Anhaltspunkte für mangelnde Zahlungsunfähigkeit liefert, wenn gleichzeitig andere Gläubiger wegen weit höherer offener Forderungen weitere Exekutionen einleiteten. Ebensowenig kann es aber von Bedeutung sein, wenn das BG Bregenz mit seinem Verteilungsbeschluß, wie es die Revision behauptet, über S 38.000 der Konkursmasse zugewiesen hat, da diese Summe weit unter der Überschuldungssumme von über 4 Millionen Schilling liegt.

Mit der Frage, wann sogenannte "inkongruente Deckung" iS des § 30 Abs 1 Z 1 KO gegeben ist, hat sich gerade erst kürzlich ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofes befaßt (6 Ob 131/71 = EvBl 1972/115). In dieser Entscheidung wurde auch die die Entscheidung SZ 40/50 kritisierende Meinung Pfersmanns (ÖJZ 1971, 144 f) behandelt, der es als unerträglich bezeichnet hatte, daß ein Gläubiger mit Hilfe der Gerichte exekutive Befriedigung erlange und dann dennoch das Geld, nachdem er darüber gutgläubig verfügt habe, samt Zinsen und Kosten wieder herausgeben müsse. Der Oberste Gerichtshof ist nach eingehender Erörterung der Rechtslage und Ablehnung der Ausführungen Pfersmanns jedoch zum Ergebnis Petschek - Reimer - Schiemers, Das österreichische Insolvenzrecht 332, gelangt, daß nur die zwangsweise Geldabnahme oder die aus Anlaß einer Pfändung geleistete Zahlung durch den Verpflichteten eine Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO ausschließt, weil der Gläubiger damit nur das erlangt, was er materiellrechtlich zu beanspruchen hat, wogegen die bloße Erwerbung eines exekutiven Pfand- oder Befriedigungsrechtes zur Hereinbringung einer Geldforderung eine inkongruente Deckung iS der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist. Einen materiellrechtlichen Anspruch auf Sicherstellung besaßen die beklagten Parteien ja tatsächlich nicht (vgl Petschek - Reimer - Schiemer aaO 330). Eine Anfechtung ist daher iS der zitierten Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes nur dann ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger auf Grund der eingeleiteten Exekution der ihm zustehende Geldbetrag auch tatsächlich bereits vor Eintritt der Rechtswirkungen der Konkurseröffnung zugekommen oder wenigstens ein in der Folge rechtskräftig gewordener Verteilungsbeschluß über die dem Gläubiger zustehende Geldsumme gefaßt worden ist. Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur wiederum abzugehen. Daß sich hieraus für den Gläubiger unbefriedigende Folgen ergeben, soll nicht bezweifelt werden, jedoch sind solche und ähnliche Folgen die unausbleibliche Konsequenz jedes Insolvenzverfahrens. Das Gesetz nimmt diese Folgen aber im Interesse der Gleichbehandlung der Gläubiger in Kauf.

Im vorliegenden Fall erwarb die beklagte Partei am 5. 6. 1968 mangels vorhandener Barmittel der Firma H & S nur ein exekutives Pfandrecht und damit inkongruente Deckung. Das Ausgleichsverfahren wurde am 22. 10. 1968 eröffnet; auf dieses Datum kommt es bei der Berechnung der Einjahresfrist des § 30 Abs 2 KO an, da bei späterer Eröffnung eines Anschlußkonkurses vom Tage der Konkurseröffnung zu berechnende Fristen vom Tage der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu berechnen sind (§ 2 Abs 2 KO); das gilt insbesondere für die Frist des § 30 Abs 2 KO (Petschek - Reimer - Schiemer aaO 70; Bartsch - Pollak[3] I 45; Anm 16); im übrigen wurde ohnehin auch der Anschlußkonkurs noch innerhalb der Jahresfrist eröffnet. Der Verteilungsbeschluß wurde aber erst am 2. 2. 1970, also längst nach Eröffnung des Ausgleichs- und Anschlußkonkursverfahrens, gefaßt. Die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO sind damit voll erfüllt. Es ist aber auch die Befriedigungstauglichkeit gegeben, weil es nicht darauf ankommt, ob die Konkursgläubiger im engeren Sinne in besserer Weise befriedigt werden können, sondern allein darauf, ob der Konkursmasse etwas zufließt, auch wenn nur Massegläubiger befriedigt werden können. Eine Klageführung wäre nur unzulässig, wenn etwa nur ein Feststellungsbegehren gestellt worden wäre, weil tatsächlich an die Masse nichts zu leisten wäre; nur ein solches bloß akademisches Erkenntnis auf Rechtsunwirksamkeit wäre nicht statthaft (GlU 13.974; Bartsch - Pollak aaO 166 Anm 44; Steinbach - Ehrenzweig, Kommentar zur Anfechtungsordnung 72). Es genügt also, daß eine Vergrößerung der Konkursmasse, soweit ihre Aktiven in Betracht kommen, eintritt (Petschek - Reimer - Schiemer aaO 303); daß dies bei Erfolg der vorliegenden Klage der Fall ist, steht außer Zweifel.

Der Oberste Gerichtshof hat allerdings, wie nicht übersehen sei, gelegentlich auch die Auffassung vertreten, daß Befriedigungstauglichkeit nicht gegeben sei, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung feststehe, daß die an die allgemeine Konkursmasse zurückzuzahlenden Beträge nur zur Befriedigung der Massegläubiger ausreichen würde, so daß die Anfechtung die Befriedigungsaussicht der Konkursgläubiger nicht erhöhen könnte (RZ 1962, 205; ähnlich auch noch 7 Ob 234, 235/63). Diese Auffassung findet jedoch, soweit dies überblickt werden kann, weder in der Literatur (vgl Bartsch - Pollak aaO 166 Anm 44 und 168 Anm 48; Steinbach - Ehrenzweig aaO 71, 72) noch in der übrigen Judikatur (vgl etwa RZ 1969, 34; EvBl 1969/225; SZ 35/20; SZ 12/95), auch wenn immer allgemein von den Konkursgläubigern gesprochen wird, ausdrückliche Deckung; die aufgezählten Beispiele in der Literatur weisen in eine andere Richtung. Petschek - Reimer - Schiemer aaO 304 lehren aber sogar im Gegenteil, daß die Anfechtbarkeit dadurch nicht gehindert werde, daß zweifellos ungeachtet des Anfechtungserfolges alle Konkursgläubiger leer ausgehen, wenn der Erfolg wenigstens eine bessere Beteiligung der Massegläubiger zur Folge hat. Nur dieser Rechtsansicht kann sich der erkennende Senat anschließen, muß man bei Beurteilung dieser Frage doch davon ausgehen, daß der Gesetzgeber die Anfechtungsmöglichkeit nach § 30 Abs 1 Z 1 KO wohl gerade deswegen eröffnete, weil der Gläubiger bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gar nicht Exekution führen, sondern einen Konkurseröffnungsantrag stellen soll; er soll daher grundsätzlich nicht bessergestellt werden, als wenn er so gehandelt hätte und ein Konkursgläubiger geworden wäre. Masseforderungen hingegen, die erst während des Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens entstehen, sind vor allen anderen Forderungen aus der Konkursmasse zu befriedigen (§ 47 Abs 1 KO) und daher gegenüber den Forderungen der Konkursgläubiger bevorzugt. Wenn also, wie es der Kläger in der Klage behauptet, sogar die Masseforderungen, bei denen sich die Gläubiger mehr oder weniger darauf verlassen konnten, daß sie befriedigt werden, trotz Erfolges der Anfechtungsklage nicht voll abgedeckt werden können, muß die Anfechtung sogar um so eher als gerechtfertigt anerkannt werden. Jede andere Auffassung würde die Bestimmung des § 46 Abs 2, die gewisse Konkursforderungen bevorzugt als Masseforderungen behandeln läßt (vgl SZ 34/109), nicht nur unverständlich machen, sondern ihren Sinn sogar ins Gegenteil verkehren. Es wäre im übrigen nicht gerechtfertigt, einerseits die beklagte Partei nicht das ihr zukommende Schicksal der übrigen Konkursgläubiger dritter Klasse teilen, sondern sie den ihr durch die Exekutionsführung zugekommenen Vorteil behalten zu lassen, und andererseits nicht einmal die Massegläubiger, die mit einer Befriedigung ihrer Anspruche rechnen konnten, voll oder in besserer Weise zu befriedigen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte