Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das gegenüber der zweitbeklagten Partei ergangene Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.698,72 EUR (darin 2.593 EUR Barauslagen und 684,29 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Zweitbeklagte (im Folgenden nur: Beklagte) war Eigentümerin einer Liegenschaft und schloss mit der Klägerin am 13. 12. 2002 einen Baurechtsvertrag, mit dem dieser entgeltlich ein Baurecht am Grundstück 44/2 bis zum 31. 12. 2023 eingeräumt wurde; in einem Nachtrag zum Baurechtsvertrag wurde vereinbart, dass das Baurecht unter anderem vorzeitig endet, wenn die Bauberechtigte mit der Bezahlung des Bauzinses für wenigstens zwei aufeinanderfolgende Jahre im Rückstand ist. Das Baurecht wurde zugunsten der Klägerin in einer dafür eröffneten Baurechtseinlage bücherlich einverleibt. Mit Schreiben vom 16. März 2007 teilte die Beklagte dem Liquidator der Klägerin schriftlich mit, dass die Klägerin als Bauberechtigte mit der Bezahlung des Bauzinses seit 31. 1. 2005 im Rückstand sei und damit das Baurecht aufgrund des Zahlungsrückstands für mehr als zwei aufeinanderfolgende Jahre beendet sei. Der Liquidator antwortete darauf im April und Mai 2007, die Klägerin habe den Bauzins beglichen, und zwar an eine Bank, an die die Beklagte ihre Bauzinsforderungen abgetreten habe; dort war eine Zahlung von 1.706,81 EUR am 8. 1. 2007 eingelangt. Dieser Bank wurde im Mai 2009 gegen die Zweitbeklagte die Zwangsversteigerung der Liegenschaft bewilligt. Den Zuschlag erhielt am 11. 8. 2010 der frühere Erstbeklagte als Ersteher, der dabei das eingetragene Baurecht bis 31. 12. 2023 ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hatte; die Erteilung des Zuschlags wurde zu TZ 1372/2010 des BG S***** im B‑Blatt der Grundbuchseinlage, die weiterhin die Beklagte als Eigentümerin ausweist, eingetragen. Das von der Klägerin aufgrund des Baurechtsvertrags errichtete Gebäude wird von der Beklagten seit jeher bis zuletzt bewohnt und benützt. Die Beklagte hat keinen Mietvertrag mit dem Ersteher und bezahlt diesem auch kein Entgelt für die Benützung. In einem Exekutionsverfahren wurde für das Objekt ein ortsüblicher Mietzins von 2.520 EUR netto monatlich zuzüglich Betriebskosten ermittelt.
Die Klägerin begehrte nun von der Beklagten unter Berufung auf ihr Baurecht die Räumung der von dieser titellos benützten Liegenschaft sowie die Zahlung von 27.000 EUR (1.500 EUR monatlich) als Benützungsentgelt für den Zeitraum September 2010 bis Februar 2012. Der Baurechtsvertrag sei weiterhin aufrecht, weil niemals ein Zahlungsrückstand für einen Zeitraum von zwei Jahren bestanden habe. Der ab 31. 1. 2005 aufgelaufene Rückstand sei am 5. 1. 2007 an die Bank als Zessionarin bezahlt worden.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, sie benütze die Baurechtsliegenschaft nicht titellos, weil sie mit dem Ersteher einen mündlichen Mietvertrag geschlossen habe. Zudem sei der Baurechtsvertrag wegen eines zwei Jahre übersteigenden Rückstands in der Zahlung des Bauzinses aufgekündigt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Baurecht nicht durch qualifizierten Zinsrückstand erloschen. Die Klägerin habe bis 31. 1. 2005 den Bauzins direkt an die Beklagte bezahlt. Nachdem die Bauzinsforderungen an die Bank abgetreten worden seien, habe der Liquidator der Klägerin in Absprache mit dieser den ausständigen Bauzins am 5. 1. 2007 direkt an die Bank bezahlt, bei der die Zahlung am 8. 1. 2007 eingelangt sei. Weitere Zahlungen seien am 30. 12. 2008 und am 31. 12. 2010 erfolgt. Die Bank habe sowohl die pauschale Bezahlung des Bauzinses als auch die verspäteten Zahlungen akzeptiert, sodass davon auszugehen sei, dass die Bauberechtigte mit der Bezahlung des Bauzinses nicht im Rückstand sei und daher auch das Baurecht vor Ablauf der bedungenen Zeit nicht geendet habe. Die Beklagte benutze das Gebäude seit September 2010 titellos und habe insbesondere keinen Mietvertrag mit dem Ersteher abgeschlossen. Sie habe daher die Liegenschaft zu räumen und für den Zeitraum von September 2010 bis Februar 2012 Benützungsentgelt zu zahlen, das in Höhe von 1.500 EUR monatlich angemessen erscheine.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts im klageabweisenden Sinn ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und dass die Revision nicht zulässig sei. Die Beklagte wehre sich mit Recht gegen die Annahme eines aufrecht bestehenden Baurechtsverhältnisses als Grundlage des Anspruchs der Klägerin auf Räumung und Benützungsentgelt. Nach § 1 Abs 1 BauRG sei das Baurecht das dingliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben, also ein beschränkt dingliches Recht an fremder Sache, das durch die bücherliche Eintragung als Last des Grundstücks entstehe. Dem Bauberechtigten stünden nach § 6 Abs 2 BauRG am Bauwerk die Rechte des Eigentümers und an dem Grundstück mangels anderer Vereinbarung die Rechte des Nutznießers zu. Vom dinglichen Baurecht sei das schuldrechtliche Baurechtsverhältnis zwischen dem Grundeigentümer und dem Bauberechtigten zu unterscheiden, das in der Regel aufgrund des Abschlusses eines Baurechtsvertrags bestehe. Nach § 4 Abs 2 BauRG könne das Erlöschen des Baurechts wirksam nur für den Fall vereinbart werden, dass der Bauzins für wenigstens zwei aufeinanderfolgende Jahre rückständig bleibt. Eine solche Vereinbarung sei hier getroffen worden. Nach herrschender Auffassung falle das Baurecht bei Eintritt des vereinbarten Erlöschensgrundes aber nicht ipso iure weg; die Verwirkung begründe vielmehr einen Löschungstitel. Der Baurechtsbesteller habe demnach die Wahl, von seinem Recht auf Löschung des Baurechts Gebrauch zu machen oder aber die Zahlung des rückständigen Bauzinses im Klageweg durchzusetzen. Hier liege ein zumindest zweijähriger Rückstand der Klägerin mit dem Bauzins vor, sei doch die Klägerin ‑ unter Vereinbarung des vereinbarten fünftägigen Respiros ‑ für den Zeitraum Februar 2005 bis einschließlich Jänner 2007, also mit zwei aufeinanderfolgenden Jahren, im Rückstand gewesen. Damit sei der Verwirkungsfall am 6. 1. 2007 eingetreten. Die nachträgliche Zahlung könne die Verwirkung nicht mehr rückgängig machen. Zudem habe die Klägerin den rückständigen Bauzins nicht an die Beklagte, sondern an die Darlehensgeberin bezahlt. Die Bauzinsforderungen seien an diese allerdings nur zur Sicherstellung abgetreten worden, weshalb diese nur bei Zahlungsverzug der Zweitbeklagten zur Einziehung berechtigt gewesen wäre. Ein solcher Zahlungsverzug habe Anfang 2007 jedoch nicht bestanden, weshalb die Bauzinszahlung an die Beklagte zu erfolgen gehabt hätte. Dass die Beklagte keine Schritte zur Löschung des Baurechts unternommen habe, schade ihr nicht, da sich die Klägerin nicht etwa auf einen stillschweigenden Verzicht auf die Geltendmachung der Verwirkung berufe. Sei das Baurecht aber verwirkt, könne es auch nicht die Grundlage der eingeklagten Ansprüche sein.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die zulässig und berechtigt ist.
Zum Wesen und Inhalt des Baurechts sowie dessen dinglichen Charakter kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Die entscheidende Frage, ob die dingliche Rechtsposition der Klägerin im Falle eines Zahlungsrückstands von zumindest zwei Jahresbeträgen weggefallen ist und ihr damit die aktive Klagelegitimation fehlt, wurde vom Berufungsgericht allerdings unrichtig gelöst, obwohl es eingangs zutreffend darauf hinwies, dass das Baurecht im Falle eines Verwirkungstatbestands nach herrschender Auffassung nicht von selbst wegfällt, sondern die Verwirkung (nur) einen Löschungstitel begründet; letzteres gesteht im Übrigen auch die Revisionsgegnerin zu, ohne daraus aber die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
So wurde etwa schon von F. Bydlinski (Das Recht der Superädifikate 8) darauf hingewiesen, dass das BauRG verschiedene Bestimmungen enthält, die dem Zweck der Sicherung der Kreditgrundlage des Bauberechtigten dienen, weshalb das Baurecht etwa grundsätzlich nicht durch eine auflösende Bedingung beschränkt werden kann (§ 4 Abs 1 BauRG); Pfandrechte am Baurecht gingen gemäß § 10 BauRG nach dessen Erlöschen auf die Entschädigungsforderung des Bauberechtigten gegen den Grundeigentümer über; die selbständige Verkehrsfähigkeit des Baurechts und praktisch vor allem des Baurechtsgebäudes werde durch die Regelungen in § 6 BauRG begründet, nach denen für das als unbewegliche Sache geltende eingetragene Baurecht eine eigene Grundbuchseinlage zu eröffnen ist (aaO 10).
Im Zusammenhang mit dem Erlöschen des Baurechts gemäß einer nach § 4 Abs 2 BauRG zulässigen Vereinbarung ist schon die ältere Lehre davon ausgegangen, dass auch eine solche „Verwirkung“ lediglich einen Löschungstitel konstituiere (Klang in Klang 2 V § 151; ebenso Spruzina in Schwimann 3, § 4 Rz 9 BauRG Rz 9,§ 8 BauRG Rz 3). Ausführlicher äußerte sich in jüngerer Zeit etwa Oberhammer (in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund Rz 56 1.3) zu diesem Problem: Dass auch die „Verwirkung“ lediglich einen Löschungstitel konstituiere sei schon im Hinblick auf § 8 BauRG naheliegend: Im Falle der Verwirkung sei nicht einzusehen, dass die Pfandgläubiger und andere am Baurecht dinglich Berechtigten ihre Rechtsposition so wie im Fall des Zeitablaufs verlieren sollen, da sie andernfalls in ihrem berechtigten Sicherungsinteresse enttäuscht würden; das Mittel zur Erhaltung ihrer Rechte biete die „relative Löschung“ des § 8 BauRG. Würde nun die Verwirkung gleich zu einem ipso‑iure‑Rechtsverlust führen, so wäre diese Vorschrift, die ja gerade auf den vorzeitigen Untergang des Baurechts abstellt, im gesetzlichen Hauptfall des vorzeitigen Untergangs des Baurechts gar nicht anwendbar. Vor allem sei aber die Konstruktion der Verwirkung als Löschungstitel aus Gründen der Rechtssicherheit geboten. Bei Annahme eines ipso‑iure‑Erlöschens im Falle eines zweijährigen Bauzinsrückstands fiele das Baurecht allenfalls unbemerkt von allen Beteiligten weg, was womöglich erst viele Jahre später releviert würde. Zudem biete die Lösung über den Löschungstitel dem Baurechtsbesteller einen rechtspolitisch als wünschenswert anzusehenden Gestaltungsspielraum: Er könne entweder von seinem Recht zur Löschung des Baurechts Gebrauch machen oder aber die Zahlung des Bauzinses im Klageweg durchsetzen. Dem deutschen Gesetzgeber sei eine dogmatisch wesentlich ausgereiftere Lösung gelungen: Auflösende Bedingungen seien generell ausgeschlossen; für den Fall etwa des Bauzinsrückstands sei ein dinglicher Anspruch des Baurechtsbestellers auf Rückübertragung des Baurechts vorgesehen.
Dieser Auffassung haben sich Urbanek/Rudolph (Praxiskommentar zum Baurechtsgesetz, § 4 Rz 8) ausdrücklich angeschlossen (s auch aaO § 9 Rz 4): Die Verwirkung erfolge mit Eintritt des als maßgeblich vereinbarten Zahlungsrückstands, könne also auch dann geltend gemacht werden, wenn der Bauberechtigte nach Eintritt des Verwirkungsfalls, aber noch vor Geltendmachung der Verwirkung den rückständigen Bauzins leiste. Die Einverleibung der Löschung könne jedoch nur aufgrund einer den Ansprüchen des formellen Grundbuchsrechts genügenden Urkunde erfolgen. Gegebenenfalls müsse der Liegenschaftseigentümer auf Einwilligung in die Löschung klagen, wobei dann als Vorfrage zu klären sei, ob der Bauberechtigte im qualifizierten Verzug (gewesen) sei. (Eine solche Löschungsklage war etwa Gegenstand der Entscheidung zu 6 Ob 121/06x.)
Der erkennende Senat schließt sich den dargestellten ‑ und dem Eintragungsgrundsatz der §§ 444 f ABGB Rechnung tragenden ‑ Argumenten aus der Literatur an, die dahin zusammenzufassen sind, dass das in § 4 Abs 2 BauRG erwähnte Erlöschen des Baurechts lediglich im Sinne eines Löschungstitels für den Grundeigentümer zu verstehen ist, wogegen erst die tatsächliche Löschung im Grundbuch die dingliche Rechtsposition des Bauberechtigten beendet. Dass eine solche Löschung im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist, ist unstrittig, weshalb auch nicht abschließend beurteilt werden muss, ob überhaupt der als Beendigungsgrund festgelegte Zahlungsrückstand von zumindest zwei Jahresbeträgen bestanden hat. Liegt aber ein bloßer Löschungstitel vor, bleibt es ‑ ebenso wie bei Vorliegen eines Erwerbstitels (vgl dazu nur RIS‑Justiz RS0011767) ‑ bei der dinglichen Berechtigung des im Grundbuch Eingetragenen, der die aus seiner Rechtsstellung erfließenden Befugnisse weiterhin gegen jeden Dritten durchsetzen kann (ähnlich auch RIS‑Justiz RS0012242 zum Räumungsanspruch eines Eigentümers, der die Liegenschaft bereits verkauft und übergeben hat). Die Klägerin als weiterhin (dinglich) Bauberechtigte kann daher nicht nur unberechtigte Dritte von der Benutzung ihrer Sache ausschließen, sondern für die Benutzung der ihr rechtlich zugeordneten Sache auch ein angemessenes Benutzungsentgelt fordern (§ 1041 ABGB). Angesichts der Feststellungen der Vorinstanzen, dass für das Objekt ein Mietzins von 2.520 EUR netto monatlich ortsüblich wäre, kann im Zuspruch eines Monatsbetrags von 1.500 EUR eine Unangemessenheit nicht erkannt werden.
Gegen dieses Ergebnis kann die Beklagte auch nicht einwenden, sie sei keine außenstehende Dritte, sondern könne sich als Partei des Baurechtsvertrags zumindest auf dessen Erlöschen inter partes berufen. Inwieweit ein solcher Einwand möglich wäre, wenn die Beklagte Liegenschaftseigentümerin geblieben wäre, kann dahingestellt bleiben, hat sie doch im vorliegenden Fall ihre Eigentümerstellung bereits verloren, sodass sich die Klägerin auch ihr gegenüber auf das „verdinglichte“ Baurecht berufen kann. Auch wenn die Beklagte formell nach wie vor als Eigentümerin im Grundbuch aufscheint, ist das Liegenschaftseigentum in der Zwischenzeit ‑ in ausnahmsweiser Durchbrechung des Intabulationsprinzips ‑ auf den Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren übergegangen (vgl dazu nur § 237 Abs 1 EO; RIS‑Justiz RS0003375), was im Übrigen auch aus der entsprechenden Grundbuchseintragung (§ 183 Abs 3 EO) ersichtlich ist. Mit dem Verlust des Liegenschaftseigentums hat die Beklagte eine allenfalls vorher bestehende obligatorische Sonderstellung gegenüber der Klägerin jedenfalls verloren und ist wie jeder andere Dritte verpflichtet, die dingliche Berechtigung der Klägerin aufgrund ihres Baurechts zu respektieren und insbesondere die Benutzung der fremden Sache zu unterlassen und den aus der Benutzung gewonnenen Vorteil zu vergüten.
Im Ergebnis ist damit das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
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