Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Vater der am ***** geborenen Antragstellerin ist aufgrund einer Vereinbarung vom 10. 9. 1989 verpflichtet, sie mit 2.200 S monatlich zu alimentieren. Dieser Unterhaltsanspruch wurde und wird vom Bund gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG laufend bevorschusst. Am 21. 11. 2001 begehrte die Antragstellerin - vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land - im Verfahren außer Streitsachen, den vom Vater zu leistenden Geldunterhalt auf 3.800 S monatlich ab 1. 10. 2001 zu erhöhen. Der Vater sei als Elektriker beschäftigt. Nach seinem Einkommen sei ihm die Zahlung des begehrten Unterhalts zumutbar.
Der Vater verwies auf die Volljährigkeit seiner Tochter und wendete im Übrigen ein, nicht mehr als 2.700 S monatlich an Unterhalt zahlen zu können.
In ihrer Replik zur Stellungnahme des Vaters hielt die Antragstellerin den "Erhöhungsantrag vollinhaltlich aufrecht".
Das Erstgericht wies den Antrag zurück und führte aus, der Jugendwohlfahrtsträger habe die volljährige Antragstellerin in Unterhaltsvorschusssachen nach den Bestimmungen des KindRÄG 2001 weiterhin zu vertreten. Der Antrag sei jedoch zurückzuweisen, weil Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder im streitigen Rechtsweg geltend zu machen seien.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Antragstellerin habe bei Inkrafttreten des KindRÄG 2001 am 1. 7. 2001 das 14. Lebensjahr bereits vollendet gehabt. Deshalb seien ihr gemäß Art XVIII § 5 Abs 1 dieses Gesetzes Unterhaltsvorschüsse bis längstens zum Ende des Monats, in dem sie das 19. Lebensjahr vollenden wird, zu gewähren. Solange Unterhaltsvorschüsse gewährt würden, bleibe überdies deren gesetzliche Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger aufrecht und trete kein Übergang der Unterhaltsforderungen des Kindes auf den Bund ein. Die gesetzliche Vertretung folge aus § 9 Abs 2 UVG. Diese beziehe sich auch auf einen Unterhaltserhöhungsantrag. Nicht zweifelhaft sei daher, dass die Antragstellerin bis zur Vollendung ihres 19. Lebensjahrs in allen Unterhaltsangelegenheiten vom Jugendwohlfahrtsträger gesetzlich vertreten werde. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass sie "auch die Rechtswohltat des Unterhaltsverfahrens nach dem Außerstreitgesetz genieße". Art XVIII § 5 Abs 1 KindRÄG 2001 sei eng auszulegen. Dort sei nur "vom Aufrechtbleiben der gesetzlichen Vertretung bzw vom Vertreter kraft Gesetzes zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen" die Rede. Zweck der Regelung sei, "alle unterhaltsrechtlichen Belange" auch bei volljährigen Kindern bis zur Vollendung des 19. Lebensjahrs, denen Unterhaltsvorschüsse gewährt würden, in der Hand des Jugendwohlfahrtsträgers zu vereinen. Gesetzliche Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder seien nach herrschender Ansicht im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen. Volljährige Kinder hätten Unterhaltsansprüche dagegen im streitigen Rechtsweg durchzusetzen. Der Gesetzgeber habe diese verfahrensrechtliche Differenzierung mit Art XVIII § 5 Abs 1 KindRÄG 2001 nicht beseitigen wollen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage werde nur das Anliegen begründet, die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen und die gesetzliche Vertretung der Unterhaltsberechtigten durch den Jugenwohlfahrtsträger bis zur Vollendung deren 19. Lebensjahrs aufrechtzuerhalten. Dass durch die Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen während der Übergangsfrist auch "die Erledigung von Unterhaltserhöhungs- oder Unterhaltsfestsetzungsbegehren im außerstreitigen Verfahren" habe ermöglicht werden sollen, sei den Gesetzesmaterialien nicht entnehmbar. Daran könnten die Zweckmäßigkeitserwägungen der Antragstellerin nichts ändern. Die Antragstellerin müsse daher Unterhaltsansprüche im streitigen Rechtsweg verfolgen. Nach Wahl der unrichtigen Verfahrensart sei ein Unterhaltserhöhungsantrag an sich in eine Klage umzudeuten, wenn das angerufene Gericht sachlich und örtlich zur Verhandlung und Entscheidung über eine solche Klage zuständig sei. Eine derartige Umdeutung nach § 40a JN scheide jedoch dann aus, wenn der Antragsteller - wie hier - auf der von ihm gewählten unrichtigen Verfahrensart beharre. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des Art XVIII § 5 Abs 1 KindRÄG 2001 mangle.
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Rechtsquellen
Durch Art I Z 1 KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 wurde § 21 Abs 2 ABGB novelliert. Seither lautet diese Bestimmung, die gemäß Art XVIII § 1 Abs 1 der Novelle am 1. 7. 2001 in Kraft trat, wie folgt:
"Minderjährige sind Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig."
Nach Art III Z 1 iVm Art XVIII § 1 Abs 1 der Novelle hat § 9 Abs 2 UVG seit dem 1. 7. 2001 folgenden Wortlaut:
"Der Jugendwohlfahrtsträger wird mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche."
Gemäß Art XVIII § 5 Abs 1 und 2 iVm Art XVIII § 1 Abs 1 der Novelle gilt folgende Übergangsbestimmung:
"(1) Hat ein Kind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes das vierzehnte Lebensjahr bereits vollendet, so sind ihm Unterhaltsvorschüsse nach dem Unterhaltsvorschussgesetz 1985, BGBl. Nr. 451/1985, in der jeweils geltenden Fassung ungeachtet des Eintritts der Volljährigkeit längstens bis zum Ende des Monats, in dem das Kind das neunzehnte Lebensjahr vollendet, wie bisher weiter zu gewähren. Solange die Vorschüsse gewährt werden, bleibt die gesetzliche Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers unberührt und der Übergang der Unterhaltsforderungen des Kindes auf den Bund tritt nicht ein.
(2) Das anspruchsberechtigte Kind hat aber, abgesehen vom Verlangen auf Einstellung der Unterhaltsvorschüsse, das Recht, die Auszahlung an sich selbst zu verlangen. ..."
2. Gesetzesmaterialien
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (296 BlgNR 21. GP, 115) wird die voranstehende Übergangsbestimmung wie folgt begründet:
"Für die durch diese Bestimmung angeordnete fünfjährige Übergangsfrist war der Gedanke ausschlaggebend, dass die Entscheidung über den weiteren Berufs- und Ausbildungsweg vor Beendigung der Schulpflicht getroffen werden muss. Eine wesentliche Entscheidungsgrundlage ist dabei die voraussichtliche Dauer der Sicherung der Unterhaltsansprüche durch Vorschussleistungen. Die Prämissen für (die) im Vertrauen auf die geltende Rechtslage getroffenen Entscheidungen sollen durch die Herabsetzung der Volljährigkeit nicht nachträglich geändert werden.
Weiters hält diese Bestimmung die für die Vollziehung des Unterhaltsvorschussgesetzes notwendige Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers aufrecht, stellt aber gleichzeitig die volle Verfügungsbefugnis des volljährig Gewordenen über die ihm zustehenden Vorschussleistungen sicher."
An anderen Stellen dieser Erläuterungen (296 BlgNR 21. GP, 22, 25 ff) wird in progammatischen Erklärungen ferner verdeutlicht, welche Beweggründe für die Novellierung des Kindschaftsrechts - auch in Aufhellung der Absicht des Gesetzgebers für den hier zu lösende Frage - ausschlaggebend waren. Das gilt für folgende Hinweise:
"Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, wie ... das Streben nach mehr Selbstverantwortung und Eigenständigkeit junger Menschen ... haben zu verschiedenen Forderungen nach Änderung des Kindschaftsrechts geführt und damit Ende der Neunzigerjahre einen erneuten Reformbedarf deutlich werden lassen. ...
Die zahlreichen Vorschläge des Entwurfs sind Ausdruck folgender allgemeiner Zielsetzungen:
- Die Rechtsstellung heranwachsender Menschen soll gestärkt werden, insbesondere durch Herabsetzung des Volljährigkeitsalters, ...
Wirtschaftliche Veränderungen, neue Medien, Änderungen in der Arbeitswelt, im Bildungssystem und in den sozialen, insbesondere familiären Strukturen stellen nicht nur neue Herausforderungen für die heranwachsenden Menschen dar, sondern führen auch zu einem höheren Selbstbewusstsein der Jugend. Der Prozess des Suchens und Strebens nach der eigenen Identität und nach Identifikation im Umfeld, aber auch nach Eigenständigkeit und Selbstverantwortung setzt in jüngeren Jahren ein. Von entsprechenden gesamtgesellschaftlichen Tendenzen verstärkt ist die Bereitschaft, sich kalkulierbaren Gefahren und Herausforderungen zu stellen, eigenständig Entscheidungen zu treffen und dafür Verantwortung zu übernehmen, deutlich größer geworden. ...
Bei einer großen Mehrheit der Jugendlichen ist dieser Prozess auch davon begleitet, dass sie sich früher als bisher mit grundlegenden Fragen und Problemen unserer Gesellschaft selbständig und durchaus kritisch auseinandersetzen. Damit ist tendentiell auch eine frühere Reifung (Anm: Hervorhebung im Original) der Gesamtpersönlichkeit verbunden. ...
In der Gesellschaft hat sich die Überzeugung verfestigt, dass die Rechtsordnung dem Menschen die verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmung (Anm: Hervorhebung im Original) auch im täglichen Leben gewährleisten muss, ...
Angesichts der Tendenz der nationalen und internationalen Rechtsetzung, Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, die nötige Reife und das nötige Veranwortungsbewusstsein für selbständige Entscheidungen in ihren Angelegenheiten zuzubilligen, schlägt daher der Entwurf in Übereinstimmung mit von verschiedenen Seiten öffentlich erhobenen Forderungen die Herabsetzung der Volljährigkeit um ein Jahr vor."
3. Bewertung
Nach der Überzeugung der Antragstellerin wollte der Gesetzgeber der Personengruppe, die bei Inkrafttreten des KindRÄG 2001 das 14. Lebensjahr bereits vollendet hatte und daher Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen bis zur Vollendung des 19. Lebensjahrs hat, "den Rechtsschutz Minderjähriger" und "trotz Volljährigkeit auch die einfacheren Verfahrensabläufe und das geringere Kostenrisiko des Außerstreitverfahrens" erhalten.
Gerade diese Ansicht wird aber durch die referierten programmatischen Erklärungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage widerlegt. Soll sich ein Mensch, der das 18. Lebensjahr vollendete, "kalkulierbaren Gefahren und Herausforderungen" stellen, "eigenständig Entscheidungen" treffen und dafür "Verantwortung" - gerade auch in den Angelegenheiten des täglichen Lebens - übernehmen, so kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber Volljährigen zwischen dem vollendeten 18. und 19. Lebensjahr das außerstreitige Verfahren zur Festsetzung ihrer Unterhaltsansprüche als Verfahren staatlicher Rechtsfürsorge habe erhalten und solche Volljährige nicht der eigenverantwortlichen Beurteilung und Tragung des Kostenrisikos einer Unterhaltsklage habe aussetzen wollen. Personen, die nach Ansicht des Gesetzgebers reif zur Selbstbestimmung sind, können nicht mehr Subjekt staatlicher Rechtsfürsorge sein, sie müssen vielmehr die Konsequenzen ihres Handelns selbst beurteilen und tragen, sich also soweit "kalkulierbaren Gefahren und Herausforderungen" stellen, eigenständig Entscheidungen treffen und dafür Verantwortung übernehmen. Das betrifft eben auch die allfällige Kostenersatzpflicht nach einem zur Gänze oder teilweise verlorenen Unterhaltsprozess im Rahmen des eigenverantwortlich zu bewältigenden Lebensalltags. Würde man solchen Volljährigen weiterhin den Rechtsschutz Minderjähriger bei der Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche angedeihen lassen, so wären sie gegenüber anderen Volljährigen bevorzugt, ohne das eine solche Ungleichbehandlung durch Gründe für eine gebotene sachliche Differenzierung gerechtfertigt werden könnte. Eine solche Rechtfertigung liegt jedenfalls nicht in den von der Antragstellerin erörterten Gründen zur Förderung einer "einheitlichen und auch in der Verwaltung einfach zu handhabenden Form der Abwicklung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche". Gründe der Verwaltungsvereinfachung - somit auch die von der Antragstellerin unter Berufung auf § 214 Abs 2 ABGB ausgeführten Erwägungen - dürfen nicht zur Bevorzugung einer bestimmten Gruppe von Volljährigen bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen führen. Somit ist aber - entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin - aus den im Anlassfall maßgebenden Übergangsbestimmungen des KindRÄG 2001 zur gesetzlichen Vertretung bestimmter Volljähriger durch den Jugenwohlfahrtsträger nicht ableitbar, dass gesetzliche Unterhaltsansprüche dieser Personengruppe weiterhin im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen sind.
Die Rechtsmittelwerberin wendet sich im Übrigen nicht gegen die Ansicht des Rekursgerichts, dass sie durch ihre Verfahrenshandlungen zum Ausdruck brachte, eine Umdeutung des Unterhaltserhöhungsantrags in eine Unterhaltsklage nicht zu wollen. Es muss daher nicht erörtert werden, ob eine solche Umdeutung andernfalls in Betracht käme.
Dem Revisionsrekurs ist somit nicht Folge zu geben.
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