Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.441,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Grundwehrdiener war der Kläger am 16. 1. 1996 im Soldatenheim einer Kaserne damit beschäftigt, auf einer Wurstschneidemaschine Wurst (von einer Stange) zu schneiden. Er verwendete dabei keinen Wurstrestehalter. Am Boden der Maschine befindet sich eine Feststellschraube für die verstellbare Seitenführung des Schiebewagens. Diese Schraube lockerte sich plötzlich, sodaß die Schnittbreite durch den Druck, den der Kläger beim Schneiden ausübte, plötzlich auf etwa 2,5 cm vergrößert wurde. Bei der Vorwärtsbewegung kam der Kläger mit der Hand in die Schneide und zog sich eine Schnittwunde zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zu, wobei zwei Sehnen durchtrennt wurden. Der Kläger wurde im Heeresspital ordnungsgemäß medizinisch versorgt. Er erlitt Schmerzen; unfallbedingte Folgeoperationen und Spätfolgen sind nicht mit Sicherheit auszuschließen.
In die Bedienung der Wurstschneidemaschine war der Kläger von Kameraden eingewiesen worden. Eine Bedienungsanleitung war weder dem Vorgesetzten des Klägers noch diesem selbst bekannt; allgemeine Sicherheitsanweisungen wurden dem Kläger nicht erteilt. Die Feststellschraube an der Unterseite des Geräts wurde nicht kontrolliert; von deren Vorhandensein erlangten der Kläger und sein Vorgesetzter erst nach dem Unfall Kenntnis. Die Bedienungsanleitung enthält keinen Hinweis auf die Feststellschraube und somit auch keinen Hinweis auf die Notwendigkeit von deren Kontrolle. In ihr sind aber Anweisungen über die Reinigung der Maschine und über deren Gefahren enthalten. Unter anderem findet sich in der Bedienungsanleitung die Belehrung, daß bei Beachtung der in ihr enthaltenen Hinweise und Ratschläge Verletzungen und Unfälle im Zuge der Benützung der Maschine praktisch ausgeschlossen seien.
Der Kläger begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung S 54.400 an Schmerzengeld und die Feststellung von deren Haftung für zukünftige Schäden aus dem Vorfall. Er sei befehlsgemäß mit der Zubereitung von Wurstsemmeln befaßt gewesen. Im Zuge dieser Tätigkeit habe sich die Feststellschraube gelöst; der Schiebewagen sei deshalb gänzlich nach links geschwenkt und er sei deshalb mit der rechten Hand in den Schneidebereich geraten. Sein Vorgesetzter habe es unterlassen, für eine ordnungsgemäße Wartung und Kontrolle der Maschine zu sorgen; über Schutzvorschriften und Schutzeinrichtungen für die Wurstschneidemaschine sei er nicht aufgeklärt worden, sonst wäre der Unfall unterblieben.
Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger habe die nötige Sorgfalt bei der Bedienung der Maschine außer acht gelassen, weil er während des Schneidevorgangs weder seine eigene Hand beobachtet noch den vorgesehenen Restehalter verwendet habe. Am Zustandekommen des Unfalls treffe ihn das alleinige Verschulden. Über die tägliche Reinigung der Maschine hinausgehende Wartungsarbeiten seien nach dem Inhalt der Bedienungsanleitung nicht erforderlich gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Bedienungsanleitung keinen Hinweis auf die Feststellschraube bzw deren Kontrolle enthalten habe, sei es für den Vorgesetzten des Klägers auch nicht erkennbar gewesen, daß deren Kontrolle für den gefahrlosen Betrieb der Maschine notwendig sei. Der beklagten Partei könne somit kein Verschulden zur Last gelegt werden, weshalb der Amtshaftungsanspruch des Klägers zu verneinen sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es dem Leistungs- und dem Feststellungsbegehren stattgab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Der Kläger sei als Grundwehrdiener in Vollziehung der Gesetze tätig gewesen. Gemäß § 4 Abs 1 des Bundesbediensteten-Schutzgesetzes (BSG) fänden die Bestimmungen des Abschnittes 2 und des § 19 des Arbeitnehmerschutzgesetzes nach Maßgabe des § 12 für die im § 1 genannten Dienststellen des Bundesheers sinngemäß Anwendung. Gemäß § 17 Abs 1 des Arbeitnehmerschutzgesetzes seien auch die mechanischen Einrichtungen und Betriebsmittel in sicherem Zustand zu erhalten. Sie seien unbeschadet besonderer Prüfungen in regelmäßigen Zeitabständen ihrer Eigenart entsprechend durch geeignete fachkundige Personen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen. Eine solche Prüfung sowie eine besondere Prüfung nach den angeführten Bestimmungen sei zusätzlich dann vorzunehmen, wenn begründete Zweifel darüber bestünden, ob sich die mechanischen Einrichtungen in ordnungsgemäßem Zustand befinden. Dies gelte sinngemäß für alle sonstigen Maßnahmen und Vorkehrungen, die einer dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer entsprechenden Gestaltung der Arbeitsvorgänge und Arbeitsbedingungen dienen. Durch die tägliche Kontrolle der Reinigung der Wurstschneidemaschine sei nicht die nach den eben genannten Grundsätzen erforderliche Kontrolle des Geräts auf seine Sicherheit vorgenommen worden. Die Unterlassung dieser Kontrolle stelle eine Verletzung jener Schutzpflicht dar, die Unfällen wie dem vorliegenden vorbeugen sollte. Demnach hafte die beklagte Partei für den dem Kläger entstandenen Schaden. Ein Mitverschulden sei zu verneinen, weil die Verwendung des Wurstrestehalters wegen der Größe des Schneideguts unmöglich gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.
Es trifft zwar zu, daß das Berufungsgericht die Vorschrift des § 473a ZPO nicht beachtet und es dadurch der beklagten Partei nicht ermöglicht hat, Mängel von Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch einen beim Berufungsgericht einzubringenden vorbereitenden Schriftsatz zu rügen. Dieser Mangel des Berufungsverfahrens ist jedoch - wie noch aufzuzeigen sein wird - aus rechtlichen Erwägungen unerheblich, weil die von der beklagten Partei begehrten ergänzenden Feststellungen (Länge der aufzuschneidenden Wurst, Art des Festhaltens, Breite der Auflagefläche für das Schneidegut, Verwendung eines Restehalters) danach entbehrlich sind. Schon aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen erweist sich nämlich das Begehren des Klägers als nicht berechtigt.
Die Verpflichtung, während des Dienstes von Grundwehrdienern für einen ordnungsgemäßen Zustand von militärischen Anlagen im weitesten Sinn (hier: Wurstschneidemaschine in einem Soldatenheim) zu sorgen, ist eine Nebenpflicht aus der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen dem Bund und den Grundwehrdienern, deren Verletzung Amtshaftungsansprüche zur Folge haben kann. Die Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen gesetzlichen Aufgaben geschieht grundsätzlich in Vollziehung der Gesetze. Wenn eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist (hier: Zubereitung der Versorgung), sind auch alle mit ihrer Durchführung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen. Die militärischen Vorgesetzten des Klägers waren diesem zur Fürsorge verpflichtet. Die österreichische Wehrverfassung behandelt den Soldaten ähnlich wie einen Beamten und steht zu ihm in einer ausschließlich öffentlich-rechtlichen Beziehung. Wenn sich der Unfall des Klägers während der Ableistung dessen Grundwehrdienstes im Zuge von Versorgungsmaßnahmen ereignete, er also in Erfüllung seiner Pflichten aus der öffentlich-rechtlichen Beziehung zur beklagten Partei tätig war, dann traf diese bzw die für sie zur Handlung Verpflichteten die Pflicht, für den ordnungsgemäßen Zustand der Wurstschneidemaschine zu sorgen. Die ihm zugefügten Schäden kann der Kläger daher grundsätzlich im Amtshaftungsweg geltend machen (1 Ob 16/98d; SZ 59/112; Schragel, AHG2 Rz 302, ErgHeft Rz 302; vgl SZ 69/148; SZ 65/16; SZ 59/68).
Es bedarf keiner näheren Erörterung der Frage, ob das Arbeitnehmerschutzgesetz auf Grundwehrdiener Anwendung findet, weil es sich schon auch im Rahmen der der beklagten Partei obliegenden Fürsorgepflicht als unumgänglich erweist, die mechanischen Einrichtungen und Betriebsmittel des Bundesheers in sicherem Zustand zu unterhalten und sie in regelmäßigen Zeitabständen ihrer Eigenart entsprechend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen. Eine über die routinemäßige Überprüfung hinausgehende "besondere" Prüfung deshalb, weil begründete Bedenken gegen den ordnungsgemäßen Zustand der Wurstschneidemaschine bestanden hätten, war schon deshalb nicht erforderlich, weil sich dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, daß solche Bedenken bei den Vorgesetzten des Klägers hätten aufkommen müssen. Die Organe der beklagten Partei, die die Fürsorgepflicht dem Kläger gegenüber wahrzunehmen hatten, sind dazu verpflichtet, die Wurstschneidemaschine so zu erhalten, daß Gefahren, die nicht schon ihrer Natur nach mit der Betätigung eines solchen Geräts verbunden sind, von den Benützern nach Möglichkeit abgewendet werden (vgl JBl 1980, 590).
Im vorliegenden Fall ist die beklagte Partei der ihr obliegenden Fürsorge gerecht geworden. Es ist keinesfalls unmaßgeblich, daß die Bedienungsanleitung - auch wenn sie dem Vorgesetzten des Klägers und auch diesem selbst gar nicht bekannt war - keinen Hinweis auf die an der Unterseite des Geräts angebrachte Feststellschraube und deren allenfalls nötige Kontrolle enthält. Dem für die Benützung der Wurstschneidemaschine verantwortlichen Vorgesetzten ist jene Sorgfalt aufgegeben, die nach dem Inhalt der Gebrauchsanleitung, die ihm bekannt sein muß, zu beachten ist, um dort näher beschriebene Gefahren für das Bedienungspersonal hintanzuhalten. Bei derartigen Maschinen, die auch in Haushalten Verwendung finden, hieße es die Sorgfaltspflicht überspannen, würde man vom Verantwortlichen verlangen, über die in Bedienungsanleitungen enthaltenen Maßnahmen hinausgehende Sicherheitsvorkehrung zu treffen, es sei denn, sie würden sich aufgrund besonderer Umstände geradezu aufdrängen. Im übrigen macht es der Hinweis in der Bedienungsanleitung, daß bei Beachtung der dort enthaltenen Hinweise und Ratschläge Verletzungen und Unfälle "praktisch ausgeschlossen" seien, nur zu deutlich, daß selbst der Hersteller des Geräts davon ausging, daß die Feststellschraube an der Unterseite des Geräts keiner wie immer gearteten Wartung bedürfe. Selbstverständlich hätte die Schraube nachgezogen werden müssen, wäre deren Lockerung vor dem Unfall in irgendeiner Weise aufgefallen. Dementgegen steht aber fest, daß sich die - in der Bedienungsanleitung nicht besonders erwähnte - Feststellschraube plötzlich lockerte (Ersturteil, S 4), daß also deren Lockerung vor dem Unfall nicht erkannt worden und selbst bei sorgfältiger Wartung des Geräts nicht wahrzunehmen war, sofern der Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt wird. Dann trifft aber den Vorgesetzten des Klägers kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls, weshalb das auf Amtshaftung gestützte Klagebegehren abzuweisen ist.
Der Revision der beklagten Partei ist demnach Folge zu geben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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