Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Beklagte schuldig ist, der klagenden Partei zu den im Urteil des Erstgerichtes angeführten Zahlungsterminen ab 19.4.1989 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von insgesamt S 2.825 bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren bleibt abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Prozeßkosten und Kosten der Rechtsmittelverfahren den Betrag von S 11.767,86 (darin enthalten S 1.961,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 7.6.1985, 2 Cg 122/85-5, gemäß § 55 a EheG geschieden. Zum Zeitpunkt der Ehescheidung war von den Kindern nur mehr der am 10.1.1970 geborene Sohn Wilfried unterhaltsberechtigt. Der am 7.6.1985 zwischen den Streitteilen abgeschlossene gerichtliche Scheidungsvergleich lautet wie folgt:
"1. ....Karl Friedrich H*** verpflichtet sich zum Unterhalt des genannten Kindes monatlich einen Betrag von S 3.000, jeweils bis zum 10. eines jeden Monats, beginnend ab Juli 1985, monatlich im vorhinein zu Handen der Regina H*** zu bezahlen und überdies alle Erklärungen abzugeben, damit die Mutter Regina H*** die Familienbehilfe für das genannte Kind in Hinkunft beziehen kann. Diese Unterhaltsregelung geht davon aus, daß Karl Friedrich H*** ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 16.000 netto umgelegt auf 12mal erzielt....
2. Karl Friedrich H*** verpflichtet sich, bei sonstiger Exekution Frau Regina H*** ab 1.7.1985 jeweils bis zum 10. eines jeden Monates im vorhinein einen Unterhaltsbetrag von
S 2.0000....zu bezahlen. Dieser Unterhaltsbetrag ist auf Basis des Verbraucherpreisindex 1976 Grundzahl Juni 1985 wertgesichert, wobei Veränderungen des Index bis einschließlich 5 % außer Betracht bleiben. Dieser monatliche Unterhaltsbetrag von S 2.000 erfährt in den nachstehenden Fällen keine Veränderung: a) bei einem eigenen Einkommen von Regina H*** bis zu S 8.000, b) im Fall der Wiederverehelichung von Karl Friedrich H***, auch wenn er in einer späteren Ehe für Kinder sorgepflichtig wird, c) im Falle künftiger Sorgepflichtigen von Karl Friedrich H*** für uneheliche Kinder. Dieser Unterhaltsanspruch erlischt daher lediglich ab dem Zeitpunkt der Wiederverehelichung der Regina H*** und ruht im Falle einer Lebensgemeinschaft von Regina H*** oder wenn das eigene Arbeitseinkommen von Regina H***
S 8.000 übersteigt. Karl Friedrich H*** ist zur Stellung eines Herabsetzungsantrages nur dann befugt, wenn sich seine Einkommenssituation dergestalt ändert, daß die weitere Zahlung eines Unterhaltes als grob unbillig angesehen werden müßte, beispielsweise dann, wenn das Einkommen des Karl Friedrich H*** nach Abzug der Unterhaltsrate von S 2.000 unter den Betrag sinken würde, den das Arbeitseinkommen von Regina H*** incl Unterhaltsbetrag von
S 2.000 ausmachen würde....."
Der Verbraucherpreisindex erhöhte sich von Juni 1985 bis Mai 1989 um 6,7 %, bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz um weitere 2,6 %. Nach der Scheidung der Ehe war die Klägerin zeitweise berufstätig, ohne ein höheres Einkommen als netto monatlich S 7.000 zu erzielen. Der eheliche Sohn ist nunmehr bereits selbsterhaltungsfähig, er gewährte der Klägerin finanzielle Zuwendungen. Der Beklagte, der sich wiederverehelicht hat, verdient derzeit ca S 22.600 monatlich.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr ab 19.4.1989 einen monatlichen Unterhalt von insgesamt S 6.000 zu leisten. Seit Vergleichsabschluß hätten sich die Umstände weitgehend geändert, der Sohn sei selbsterhaltungsfähig geworden, sie selbst sei nicht mehr in der Lage, ein eigenes Einkommen zu erzielen, das Einkommen des Beklagten habe sich erhöht.
Der Beklagte wendete ein, daß die Klägerin in dem Vergleich vom 7.6.1985 auf eine Unterhaltserhöhung ausdrücklich verzichtet habe. Ein höheres Einkommen könne nicht zu einer Erhöhung des zu leistenden Unterhaltsbetrages führen, da eine Wertsicherung vereinbart worden sei.
Das Erstgericht erhöhte den vom Beklagten zu leistenden Unterhalt auf S 2.134 monatlich, das Mehrbegehren wies es ab. Bei dem eindeutigen Vergleichswortlaut führe ein höheres Einkommen des Beklagten nicht zu einer Erhöhung des von ihm zu leistenden Unterhaltes. Die Erhöhung auf S 2.134 monatlich entspreche der Erhöhung des Verbraucherpreisindex.
Das Berufungsgericht gab der aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Die Unterhaltsvergleichen innewohnende Umstandsklausel könne ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Der Wortlaut des Vergleiches sei so zu verstehen, daß die Höhe des vom Beklagten zu leistenden Unterhaltsbetrages mit S 2.000 begrenzt sein sollte, also die Klägerin auf einen Unterhalt von mehr als S 2.000, ausgenommen einer Erhöhung bedingt durch die vereinbarte Wertsicherungsklausel, verzichtet habe. Die ausdrücklich unter Punkt 2 lit a bis c des Vergleiches angeführten Fälle seien als Ausgleich für diesen Verzicht zu verstehen, da in diesen genannten Fällen in der Regel eine Minderung der den Beklagten treffenden Unterhaltsverpflichtung eintreten würde. Zum einen sollte die Klägerin selbst dann einen Anspruch auf eine monatliche Unterhaltsleistung des Beklagten von S 2.000 haben, wenn sie ein eigenes Einkommen bis zu S 8.000 erzielte, wenn der Beklagte wieder heiratete und sorgepflichtig für weitere eheliche oder uneheliche Kinder werde; zum anderen sollte ihre Berechtigung nur dann erlöschen oder ruhen, wenn sie heirate, eine Lebensgemeinschaft eingehe oder wenn ihr Arbeitseinkommen S 8.000 übersteige. Damit sei sie aber vor allem auch das Risiko eingegangen, im Falle ihrer Einkommenslosigkeit nur S 2.000 an Unterhalt zu bekommen. Auf der anderen Seite bleibe ihr Unterhaltsanspruch in dieser Höhe selbst bei einem eigenen Einkommen bis zu S 8.000 erhalten. Auf Grund des Vergleichswortlautes seien die von der Berufungswerberin ins Treffen geführten Argumente der höheren Einkommensverhältnisse des Beklagten, des Wegfallens seiner Sorgepflicht für den Sohn und die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht geeignet, einen Rechtsirrtum im angefochtenen Urteil aufzuzeigen. Gerade diese Umstände sollten für die zwischen den Streitteilen bestehende Unterhaltsfrage ohne Bedeutung sein. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben zur Auslegung des gerichtlichen Vergleiches vom 7.6.1985 keine über den Inhalt des Vergleiches hinausgehenden Beweise über die Absicht der Parteien herangezogen. In diesem Fall ist die Auslegung des Vergleiches rechtliche Beurteilung (vgl RZ 1990/30; JBl 1989, 61; SZ 60/37; SZ 58/199 uva; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1926).
Unterhaltsvergleichen wohnt als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit die Umstandsklausel inne (JBl 1989, 724 unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht Rummel, nunmehr Rummel in Rummel2 Rz 8 a zu § 901 ABGB; EFSlg 53.728 uva; Binder in Schwimann, Rz 38 zu § 936 ABGB). Die Geltung der Umstandsklausel kann aber allgemein oder für bestimmte Bereiche ausgeschlossen werden. Im letzteren Fall kann wegen aller anderen Umstände aber die Anpassung des Vergleiches an Änderungen begehrt werden (EFSlg 18.279; JBl 1968, 625; Binder aaO Rz 41). Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten schließt eine im Unterhaltsvergleich vereinbarte Wertsicherungsklausel zwar die Berücksichtigung von Veränderungen aus, soweit diese ausschließlich mit der Geldwertverdünnung im Zusammenhang stehen, von diesem Ausschluß ist aber die Berücksichtigung einer über die Geldwertverdünnung hinausgehenden Steigerung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht umfaßt (RZ 1962, 60; Rummel aaO; Binder aaO; Stanzl in Klang2 IV/1, 737).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, verstößt die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung des Unterhaltsvergleiches, ohne jeden Zweifel sei konkludent ein gänzlicher Ausschluß der Umstandsklausel vereinbart worden, gegen gesetzliche Auslegungsregeln. Nach dem allein maßgeblichen Wortlaut des Vergleiches sollte die Berufung auf die Umstandsklausel nur in drei ganz bestimmt angegebenen Fällen ausgeschlossen sein: Der zu leistende Unterhaltsbetrag von S 2.000 sollte keine Änderung erfahren, solange die Klägerin nicht mehr als S 8.000 verdient, was nur bedeuten kann, daß ein höherer Betrag auch dann nicht zu zahlen ist, wenn die Klägerin selbst keine Einkünfte haben sollte; die Wiederverehelichung des Beklagten und allfällige neue Sorgepflichten für Kinder sollten zu keiner Herabsetzung des Unterhaltsbetrages führen. Dagegen sollte der Beklagte zur Stellung eines Herabsetzungsantrages unter gewissen Voraussetzungen durchaus berechtigt sein. Eine über die Inflationsrate hinausgehende Einkommenssteigerung des Beklagten ist demnach als Ausschluß von der Umstandsklausel nicht angeführt. Wenn selbst eine Minderung der Leistungsfähigkeit des Beklagten ihn berechtigen konnte, den ohnedies geringen Unterhaltsbetrag weiter mindern zu können, muß auch gelten, daß eine Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit zu einer Erhöhung des von ihm zu leistenden Unterhaltsbetrages führen muß. Eine solche Erhöhung kann daher von der Klägerin als Änderung der Vergleichsgrundlage geltend gemacht werden. Soweit der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung behauptet, ab 1.6.1990, also nach Schluß der Verhandlung erster Instanz habe sich sein Einkommen erheblich verringert, weil er nunmehr nur eine Berufsunfähigkeitspension beziehe, kann dies in diesem Verfahren als unbeachtliche Neuerung jedenfalls nicht berücksichtigt werden (Fasching aaO Rz 794).
Bei der Anpassung des Vergleiches ist daher von dem von der Klägerin unbekämpft gebliebenen monatlichen Einkommen des Beklagten von S 22.600 auszugehen. Die geänderten Verhältnisse führen nicht zum Wegfall, sondern zur Anpassung des Unterhaltsvergleiches, die seinerzeit unabhängig von der Höhe eines der Klägerin allenfalls zustehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruches festgelegte Relation zwischen der Höhe des Einkommens des Beklagten zur Höhe der Unterhaltsleistung ist daher weiterhin beachtlich (EFSlg 48.150, 43.715, 37.611 uva, zuletzt 1 Ob 621/89; vgl Binder aaO Rz 40, Rummel aaO). Der Beklagte hatte einen Unterhalt in der Höhe von 12,5 % der Bemessungsgrundlage zu leisten. Diese Relation ergibt nunmehr bei einer Bemessungsgrundlage von S 22.600 losgelöst von der nicht ausdrücklich für den Fall einer Erhöhung des Unterhaltes wegen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beklagten neuerlich vorgesehenen Wertsicherungsklausel (in diesem Sinn bereits 1 Ob 116/68) einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.825. In diesem Umfang ist der Revision Folge zu geben und sind die Urteile der Vorinstanzen abzuändern.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO bzw § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin obsiegte im Verfahren erster Instanz mit rund 20 %, in den Rechtsmittelverfahren mit 18 %; sie hat daher dem Beklagten 60 % bzw 64 % der Kosten zu ersetzen.
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