OGH 1Ob68/03m

OGH1Ob68/03m25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alexander P*****, vertreten durch Kadlec & Weinmann Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Martti H*****, vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2002, GZ 39 R 372/02y-21, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hob seine auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützte Aufkündigung des Mietvertrags der Streitteile über eine Wohnung auf und wies das Räumungsbegehren des Vermieters ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es schloss aus den Tatsachen, dass

- dem Beklagten schon seit 1986 ein Hauptmietzins, Betriebskosten und Umsatzsteuer, "in den Folgejahren" auch ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag vorgeschrieben worden war und er die vorgeschriebenen Beträge auch gezahlt hatte,

- der Beklagte seine beruflichen Pläne, 1992 ins Ausland zu gehen, mit den damaligen Vermietern, seinen Schwiegereltern, besprochen, letztere dagegen keine Einwände erhoben und den auf Wochenenden beschränkten Gebrauch der Wohnung gebilligt hatten, und

- der Beklagte nach einer Mitte der 90er-Jahre erfolgten Befragung durch die Vermieter, ob er "in der Wohnung bleiben oder ausziehen werde", bekräftigt hatte, die Wohnung weiterhin zu benötigen und zu benützen, und die Vermieter - trotz der nunmehr weiter eingeschränkten, nicht mehr jedes Wochenende stattfindenden Benützung - eine gerichtliche Aufkündigung nicht eingebracht hatten,

auf einen ausdrücklichen Verzicht auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG.

Die außerordentliche Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Ansicht des Klägers ist in der berufungsgerichtlichen Annahme eines ausdrücklichen Verzichts auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG eine grobe Verkennung der Rechtslage zu erblicken. Da "allgemeine Zeichen" für die Abgabe eines Kündigungsverzichts nicht existierten, komme "nur eine Erklärung durch Worte in Frage". Die seinerzeitigen Vermieter hätten jedoch eine ausdrückliche Erklärung, mit der auf den erörterten Kündigungsgrund verzichtet worden wäre, nach den getroffenen Feststellungen nicht abgegeben. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen trügen die maßgebenden Tatsachen aber auch nicht den Schluss auf einen konkludenten Verzicht.

2. Auch wenn das Verhalten der Schwiegereltern des Beklagten nicht als ausdrückliche Verzichtserklärung aufzufassen wäre, wäre die Meinung der Vorinstanzen über das Vorliegen eines konkludenten Verzichts zumindest vertretbar und daher nicht als gravierende Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls zu qualifizieren. Nach den im Grundsätzlichen zutreffenden und auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gestützten Ausführungen des Klägers darf ein Verzicht auf die Geltendmachung eines Kündigungsgrunds nur angenommen werden, wenn der Vermieter die Kündigung trotz Kenntnis des rechtsbegründenden Sachverhalts ohne die Säumnis erklärende Gründe während längerer Zeit unterließ. Dabei sind die Voraussetzungen für einen stillschweigenden Kündigungsverzicht im Fall eines Dauertatbestands - so auch durch den Nichtgebrauch des Bestandobjekts - unter Heranziehung eines besonders strengen Maßstabs zu prüfen (1 Ob 565/95 mzwN). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung lässt sich als Stütze für das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis ins Treffen führen, dass die Schwiegereltern des Beklagten als seinerzeitige Vermieter den maßgebenden Sachverhalt vollständig kannten und den wochenendweisen Wohnungsgebrauch billigten. Überdies wurde nach der Reaktion des Beklagten auf die Befragung Mitte der 90er-Jahre eine gerichtliche Aufkündigung jahrelang nicht eingebracht, obgleich den Vermietern bzw - nach dem Tod des Schwiegervaters des Beklagten - der Vermieterin auch der nicht mehr jedes Wochenende stattfindende Wohnungsgebrauch bekannt war.

3. Der Kläger wendet überdies ein, die Mieterstellung des Beklagten habe sich erst in einem Parallelverfahren herausgestellt. Letzterer habe daher nach dem Tod seiner Ehegattin im Jahr 1985 gar nicht das Bewusstsein gehabt, Mieter zu sein, sondern geglaubt, in den Fruchtgenussvertrag der Verstorbenen eingetreten zu sein. Somit habe er das Verhalten seiner Vertragspartner nicht als Verzicht auf einen mietrechtlichen Kündigungsgrund auffassen können. Diese Ausführungen unterstellen eine nicht feststehende präzise Kenntnis des Beklagten über die Rechtsnatur und die Rechtsfolgen unterschiedlicher Schuldrechtstypen. Für die vertretbare Annahme eines konkludenten Kündigungsverzichts genügte daher das Bewusstsein der Vertragspartner, eine Auflösung des bestehenden Rechtsverhältnisses werde jedenfalls nicht wegen des durch die berufliche Abwesenheit des Beklagten eingeschränkten Wohnungsgebrauchs erfolgen.

4. Die außerordentliche Revision ist somit nach allen bisherigen Erwägungen gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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