OGH 1Ob67/19p

OGH1Ob67/19p30.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers J*, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die Antragsgegnerin M*, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch und andere Rechtsanwältinnen in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 23. Jänner 2019, GZ 23 R 11/19v‑33, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 30. November 2018, GZ 9 Fam 88/17h‑27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125092

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

1. Der lastenfreie Verkehrswert der Liegenschaft mit der Ehewohnung beträgt rund 480.000 EUR. Zur Rückzahlung des noch offenen Wohnbauförderungskredits (von ungefähr 12.500 EUR) verpflichteten die Vorinstanzen übereinstimmend den Mann und wiesen der Frau das (nicht mit der Wohnung fest verbundene) Inventar zu. Den Hälfteanteil des Mannes an der Liegenschaft hatte das Erstgericht der Frau gegen eine – nach Berücksichtigung der übrigen Vermögenswerte – aus „Billigkeitsüberlegungen“ um 10 % verminderte Ausgleichszahlung von 200.000 EUR (150.000 EUR binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses und weitere 50.000 EUR im Anschluss daran in 100 monatlichen Raten à 500 EUR) übertragen. Beide Parteien bekämpften diesen Beschluss. Das Rekursgericht wies nun in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Hälfteanteil der Frau dem Mann zu und erlegte ihm eine Ausgleichszahlung von 250.000 EUR (davon 50.000 EUR binnen vier Wochen ab Rechtskraft und weitere 200.000 EUR binnen sechs Monaten ab Rechtskraft Zug um Zug gegen Räumung der Ehewohnung durch die Frau) auf.

2. Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrem Revisionsrekurs (weiterhin) das Ziel, die Liegenschaft mit der Ehewohnung gegen eine Ausgleichszahlung von 150.000 EUR (100.000 EUR zahlbar binnen sechs Monaten ab Rechtskraft und daran anschließend 50.000 EUR in 125 monatlichen Raten à 400 EUR) zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

3. Schon der ihr vom Erstgericht auferlegte Ausgleichsbetrag war „aus Billigkeitsüberlegungen“ mit einem Abschlag von mehr als 20.000 EUR festgesetzt worden. Folgte man dem Vorschlag der Revisionsrekurswerberin, dann erhielte der Antragsteller – wegen seines Verschuldens an der Ehescheidung – nicht nur mehr als 70.000 EUR weniger als er der Antragsgegnerin an Vermögenswerten zu übertragen hätte, sondern die letzte Rate erst in fast elf Jahren. Für eine solche Benachteiligung besteht im Aufteilungsverfahren kein Raum, weil die Aufteilung des ehelichen (Gebrauchs‑)Vermögens kein Instrument der Bestrafung beziehungsweise Belohnung für ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten ist (vgl RIS‑Justiz RS0057387). Der erste Senat hat als Fachsenat in Aufteilungssachen das Ansinnen von Parteien, ihnen die Ehewohnung zuzuweisen, obwohl sie nicht in der Lage sind, eine angemessene Ausgleichszahlung aufzubringen, in jüngerer Zeit wiederholt abgelehnt und ausgesprochen, dass eine Übertragung von Liegenschaftseigentum eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraussetzt (1 Ob 143/17m, 1 Ob 219/17p; s auch RS0057610). Auch der Wohlbestehensgrundsatz, auf den sich die Frau beruft, bedeutet keineswegs, dass ein Ehegatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Ausgleichszahlung aufzugeben hätte (1 Ob 240/17a; s auch RS0057579 [T3]; dazu, dass dies auch nicht aufgrund des Aufteilungswunsches eines schuldlos geschiedenen Ehegatten erfolgen kann s schon RS0057387 [T15, T24]; 1 Ob 46/14t).

4. Die Antragsgegnerin selbst hat im Rekurs dargelegt, dass sie aufgrund ihres Alters, ihres geringen Einkommens und vor allem aufgrund ihres sehr geringen Pensionsanspruchs von Kreditinstituten als kreditunwürdig anzusehen sei und daher mangels Fremdfinanzierung nicht in der Lage sein werde, die Ausgleichszahlung in der vom Erstgericht festgesetzten Höhe aufzubringen, zumal sie selbst über keine ausreichenden eigenen Ersparnisse verfüge. Angesichts ihres Einkommens und der zu bewältigenden monatlichen Fixkosten seien ihr keine höhere erste Rate als 100.000 EUR und keine höheren monatlichen Folgeraten als 400 EUR zumutbar, weil ihr sonst nicht einmal das Existenzminimum im Sinne der Exekutionsordnung verbleiben würde. Sie sei nach „größtmöglicher Anspannung ihrer Leistungsfähigkeit“ nicht in der Lage die Ausgleichszahlung in Höhe von 200.000 EUR aufzubringen, weswegen sie auf 150.000 EUR zu reduzieren sei. Darin, dass das Rekursgericht die unbekämpft gebliebene und „auf einer von der Antragsgegnerin geäußerten 'Hoffnung'“ beruhende Feststellung, dass sie in der Lage sei, binnen vier Monaten ab rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens 100.000 EUR und in monatlichen Raten von 400 EUR weitere 50.000 EUR an Ausgleichszahlung an den Antragsteller zu leisten, als Aussage über die „Obergrenze“ ihrer Leistungsfähigkeit verstand, liegt keine „Verletzung des Grundsatzes der Wahrung des rechtlichen Gehörs“, zumal dies ohnehin ihrem eigenen Vorbringen im Rekurs entspricht. Sie legt auch weiterhin nicht dar, was sich bei einer eingehenden Erörterung konkret zu einer höheren finanziellen Leistungsfähigkeit und insbesondere zu den Quellen weiterer Geldmittel ergeben hätte.

5. Kann die Antragsgegnerin aber keine auch nur annähernd angemessene Entschädigung des Antragstellers für den Wert seines Liegenschaftsanteils leisten, gelingt es ihr auch mit der Berufung auf ein dringendes Wohnbedürfnis nicht, eine korrekturbedürftige Fehlentscheidung des Rekursgerichts aufzuzeigen. Sie erhält 50.000 EUR binnen vier Wochen und muss das Haus nur Zug um Zug gegen die weitere Zahlung von 200.000 EUR räumen, kann sich mit diesen Finanzmitteln also eine andere Wohnmöglichkeit verschaffen und ihren Wohnbedarf in angemessener Weise abdecken (vgl 1 Ob 143/17m). Dass sie ihr „dringendes Wohnbedürfnis“ nur in der bisherigen Ehewohnung befriedigen könnte, wird zwar wiederholt behauptet, aber nicht nachvollziehbar erklärt. Auch der Hinweis auf eine „unzumutbare wirtschaftliche Bedrängnis“ ist nicht verständlich.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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