Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 3.877,39 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 308,89 Umsatzsteuer und S 480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 5. August 1967 die Ehe geschlossen, der die Kinder Gerald, geboren 6. Juni 1969, und Roland, geboren 16. August 1970, entstammen.
Der Kläger und Widerbeklagte (im folgenden: Kläger) begehrt die Scheidung der Ehe, und macht Scheidungsgründe gemäß den §§ 47, 49 EheG geltend.
Die Beklagte und Widerklägerin (im folgenden: Beklagte) beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die erhobene Widerklage stützte sie auf Scheidungsgründe gemäß den §§ 47 und 49 EheG. Das Erstgericht sprach mit Urteil vom 21. Dezember 1984 (ON 69) aus, daß die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden werde. Über Berufung der Beklagten hob das Berufungsgericht dieses Urteil, das im Ausspruch über die Scheidung der Ehe unangefochten geblieben war, im Verschuldensausspruch auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht mit Urteil vom 29. August 1986 (ON 85) aus, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe beide Teile im gleichen Ausmaß treffe.
Das Erstgericht stellte fest:
Ungefähr ab dem Jahre 1970 sei es zwischen den Streitteilen zu Auseinandersetzungen gekommen, die ihren Ausgangspunkt in Erziehungsfragen gehabt hätten. Die Beklagte sei mit den Erziehungsmethoden des Klägers nicht einverstanden gewesen. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen habe die Beklagte den Kläger mit Ausdrücken wie "Du faule Sau" beschimpft und ihn als "Teppen" bezeichnet. Die Beklagte habe in diesen Jahren auch einen engen Kontakt zu ihrem Bruder Roger H*** unterhalten, den sie "bevorzugt" behandelt habe. In der folgenden Zeit sei es wiederholt zu Beschimpfungen des Klägers durch die Beklagte gekommen. Im Jahre 1974 habe die Beklagte den Kläger aus der Ehewohnung ausgesperrt, als dieser von einem Besuch bei seinem Bruder zurückgekehrt war; der Kläger habe auswärts übernachten müssen. Schon durch diese Eheverfehlungen der Beklagten sei die Ehe zerrüttet worden, die Zerrüttung sei jedoch erst durch die seit dem Jahre 1979 von beiden Teilen gesetzten Eheverfehlungen tiefgreifend und endgültig geworden. Im Jahre 1978 seien die Streitteile in die Tschechoslowakei gefahren, wo sie das Ehepaar M*** kennengelernt hätten. Im März 1979 sei die Beklagte in Begleitung ihres Bruders Roger H*** in die Tschechoslowakei gefahren und dort mit dem Ehepaar M*** zusammengetroffen. Nach ihrer Rückkehr habe sie von Marian M*** geschwärmt und gesagt, er sei netter und lieber als ihr Mann. Für August 1979 sei wieder ein Treffen mit der Familie M*** in Mala Moravka vereinbart worden. Die Streitteile seien mit dem Sohn Gerald und Roger H*** in die Tschechoslowakei gefahren. Es sei ein Bungalow gemietet worden, in dem das Ehepaar M*** mit ihrem Sohn und Roger H*** im Erdgeschoß übernachtet hätten, wogegen die Streitteile mit dem Sohn Gerald den ersten Stock bewohnt hätten; am dritten Tag sei noch Ludmilla H*** zur Gesellschaft gestoßen. Am darauffolgenden Abend hätten sich Ludmilla H*** und der Kläger im ersten Stock in einem Zimmer eingesperrt, um dort die Nacht zusammen zu verbringen. Der Beklagten sei der Zutritt in das Zimmer verweigert worden, so daß sie bei der Familie M*** im Erdgeschoß habe übernachten müssen. Auch die folgenden Nächte habe der Kläger mit Ludmilla H*** verbracht und Geschlechtsverkehr gehabt. Die Beklagte sei weiterhin im Urlaubsort geblieben. Im November 1979 habe der Kläger, der selbst Kratz- und Bißwunden erlitten habe, die Beklagte bei dem Versuch, den Geschlechtsverkehr zu erzwingen, mißhandelt. Der Kläger sei deshalb mit Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von S 3.000,-- verurteilt worden. Im Februar 1980 seien die Streitteile wieder in die Tschechoslowakei gefahren und dort mit der Familie M*** und Ludmilla H*** zusammengetroffen. Der Kläger habe seine Gattin aus dem Zimmer entfernt, um die Nacht mit Ludmilla H*** verbringen zu können. Ende Juli 1980 seien die Streitteile nochmals gemeinsam in die Tschechoslowakei gefahren. Sie hätten dort mit dem Ehepaar M***, dem Ehepaar H*** und anderen Bekannten gefeiert. Dabei habe die Beklagte mit Marian M*** geschmust, ihre Brust entblößt, die Hose ausgezogen, sich am Ausziehen anderer Männer beteiligt und den Ehemann der Ludmilla H*** geküßt. Der Kläger habe mit Ludmilla H*** geschmust und Frau M*** umarmt. Seit dieser Zeit sei die Beklagte mit ihren Kindern allein in die Tschechoslowakei gefahren, sie habe dabei auch die Familie M*** getroffen. Die Beklagte habe den Kläger in der Folge wieder mit "faule Sau" beschimpft und mit Holzschlapfen auf ihn eingeschlagen. Im Spätherbst 1980 habe die Beklagte ihre todkranke Mutter in die eheliche Wohnung aufgenommen, was Anlaß zu weiteren Streitigkeiten gebildet habe. Am 28. November 1980 sei der Kläger aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, da ihn die Beklagte mit den Worten "hau dich über die Häuser" und "schleich dich" die Schuhe und Kleidungsstücke auf den Gang nachgeworfen habe. Sie habe ein neues Schloß an der Wohnungstür anbringen lassen, um dem Kläger den Zutritt in die Wohnung zu verwehren. Im Frühjahr 1981 habe der Kläger den Garten mit einer Kette versperrt, so daß die Beklagte und die Kinder nicht mehr hätten in den Garten kommen können. Im Jahre 1981 sei es auch bei einem Treffen der Ehegatten zu Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf der Kläger die Beklagte geohrfeigt habe, wogegen die Beklagte den Kläger angespuckt und mit den Worten "stinkender, verfaulter Hund" beschimpft habe. Auch im Jahre 1982 habe die Beklagte den Kläger beschimpft. Im April 1984 habe der Kläger seinen Wohnwagen samt Grundstück in Breitenbrunn an Rudolf E*** verkauft. Die Beklagte habe Rudolf E*** erklärt, die Hälfte des Wohnwagens gehöre ihr, und habe Rudolf E*** aufgefordert, eine Betrugsanzeige gegen den Kläger einzubringen. Die Beklagte sei von Rudolf E*** aus dem Wohnwagen hinausgeschoben worden, worauf sie Anzeige erstattet und behauptet habe, von Rudolf E*** verletzt worden zu sein. Im anschließenden Strafverfahren seien Rudolf und Anna E*** freigesprochen worden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger habe durch sein Verhalten Scheidungsgründe nach den §§ 47 und 49 EheG gesetzt. Der Beklagten fielen schwere Eheverfehlungen gemäß § 49 EheG zur Last. Die Gesamtbetrachtung der Eheverfehlungen beider Teile ergebe, daß der Unterschied der Verschuldensanteile nicht so erheblich sei, daß er augenscheinlich hervortrete. Demzufolge sei der Ausspruch gleichteiligen Verschuldens gerechtfertigt. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, selbst wenn unterstellt werde, daß die von der Beklagten mißbilligten Erziehungsmethoden des Klägers objektiv falsch gewesen seien, so rechtfertige dies nicht die festgestellten Beschimpfungen. Diese Handlungen, durch die die Zerrüttung der Ehe eingeleitet worden sei, stellten schwere Eheverfehlungen dar. Der Anregung der Betrugsanzeige gegen den Kläger liege primär eine feindselige Absicht der Beklagten zugrunde, weil es objektiv an jeder Rechtsgrundlage hiefür gefehlt habe. Aktenkundig sei, daß der Kläger seine Unterhaltspflicht verletzt habe, doch sei diese Verfehlung dem Scheidungsbegehren nicht zugrundegelegt worden. Durch das Parteienvorbringen gedeckt wäre der von der Berufungswerberin gerügte Feststellungsmangel, daß der Kläger von der Beklagten unter Hinweis auf seine Erfahrungen mit Ludmilla H*** unerwünschte Sexualpraktiken (Analverkehr) verlangt habe. Für die Verschuldensabwägung komme dem aber im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten bei den gemeinsamen Urlauben in der Tschechoslowakei keine entscheidende Bedeutung zu. Die Beklagte habe um die ehebrecherischen Beziehungen des Klägers zu Ludmilla H*** gewußt, sie habe nach deren Kenntnisnahme den Urlaub nicht abgebrochen, sondern im Gegenteil bei einem späteren gemeinsamen Urlaub in der Tschechoslowakei das Zusammentreffen des Klägers mit Ludmilla H*** zumindest in Kauf genommen und selbst erhebliche Treuewidrigkeiten begangen. Wenn auch dem Kläger intensivere Verfehlungen zur Last zu legen seien, so unterschieden sich die beiderseitigen Verfehlungen nicht derart, daß von einem völligen Zurücktreten der Verfehlungen der Beklagten gegenüber jenen des Klägers gesprochen werden könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.
Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, ist der Ausspruch überwiegenden Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe nur gerechtfertigt, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg. 48.832, 46.242 u.a.). Der Unterschied in den beiderseitigen Eheverfehlungen muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg. 48.834, 46.243 u.a.). Es kommt dabei nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der Eheverfehlungen, sondern auch darauf an, welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (EFSlg. 48.824, 46.235). Nach den getroffenen Feststellungen haben die Eheverfehlungen der Beklagten (grobe Beschimpfungen des Klägers, Aussperrung aus der Ehewohnung) die Zerrüttung der Ehe eingeleitet. Durch die von beiden Streitteilen ab dem Jahre 1979 bei den Urlaubsaufenthalten in der Tschechoslowakei gesetzten Verfehlungen wurde die Zerrüttung vertieft und endgültig. Es trifft zu, daß dem Kläger, der mit Ludmilla H*** Ehebruch begangen hat, gravierendere Verletzungen der ehelichen Treue zur Last zu legen sind als der Beklagten, doch hat auch sie sich grob ehewidrig verhalten. Es ist nicht hervorgekommen, daß sich die Beklagte nach den Vorfällen im August 1979 gegen weitere Urlaubsaufenthalte in der Tschechoslowakei und ein Zusammentreffen mit der Familie M*** und Ludmilla H*** ausgesprochen hätte. Im Hinblick auf die schweren Eheverfehlungen der Beklagten kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte noch weitere Eheverfehlungen des Klägers (Verletzung der Unterhaltspflicht, Verletzung der Beistandspflicht im Zusammenhang mit der Pflege der kranken Mutter der Beklagten und Verkauf des Mobilheims) geltend gemacht hat, weil selbst dann, wenn dem Kläger auch diese Eheverfehlungen anzulasten wären, nicht gesagt werden könnte, daß die Verfehlungen der Beklagten fast völlig in den Hintergrund treten.
Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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