Normen
Wasserrechtsgesetz §62
Wasserrechtsgesetz §72
Wasserrechtsgesetz §62
Wasserrechtsgesetz §72
Spruch:
Das Betreten und die Benutzung fremder Grundstücke unter Berufung auf § 72 WRG ist auch statthaft, wenn der Eintritt jener Lage, die die Inanspruchnahme fremden Gründes erforderte, schuldhaft herbeigeführt wurde
Der Wasserbauunternehmer ist nur dann gehalten, sich im Sinne des § 62 WRG an die Wasserrechtsbehörde zu wenden, wenn ihm nicht die unmittelbar durch das Gesetz eingeräumte Benutzungsbefugnis des § 72 WRG zustatten kommt
Der die Befugnis des § 72 WRG in Anspruch nehmende Berechtigte hat unbeschadet der Ersatzpflicht die vermögensrechtlichen Nachteile des Dritten möglichst gering zu halten
OGH 9. Mai 1973, 1 Ob 65/73 (OLG Innsbruck 2 R 287/72; LG Innsbruck 8 Cg 84/71)
Text
Der Kläger, ein Bauunternehmer, machte im vorliegenden Prozeß geltend, er habe die Baugrube zur Errichtung einer Zentralkläranlage für die Gemeinde T gegen den T-Bach hin vor Überflutungen und vor dem Nachrutschen von Material durch Larsenwände abgesichert, die durch Stahlseile, die mit Zustimmung des Beklagten auf seinem Grund verankert worden seien, gehalten worden seien. Auch ohne Zustimmung des Beklagten sei der Kläger auf Grund des sogenannten Schaufelschlagrechtes berechtigt gewesen, den Grund des Beklagten zu dieser Maßnahme zu benützen. Nach einigen Tagen habe der Beklagte die Seile gelöst, so daß Wasser und Material in die Baugrube eingeschwemmt worden seien. Der Kläger habe dadurch einen Schaden von 508.774.04 S erlitten.
Der Beklagte bestritt, der Anbringung der Seile zugestimmt zu haben; die Seilüberspannung eines Grundstückes falle nicht unter § 72 WRG, dessen Voraussetzungen auch sonst nicht gegeben gewesen seien, die Kläranlage sei zudem falsch geplant und die Larsenwand unsachgemäß geschlagen worden; bei der Lösung der Drahtseile, die er zur Vermeidung von Viehschäden vorgenommen habe, sei er weder rechtswidrig noch schuldhaft vorgegangen, im übrigen sei das Lösen der Drahtseile in Anbetracht der Unzulänglichkeit der Larsenwand für den vom Kläger behaupteten Schaden gar nicht kausal.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil den Anspruch dem Gründe nach als zu Recht bestehend. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Mit Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 11. Dezember 1968 wurde der Tauernkraftwerke-AG die wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung von Wasser aus dem T-Bach erteilt. Um die durch die Ableitung des Baches gefährdete Reinhaltung des Vorfluters in T zu gewährleisten, wurde zwischen der Tauernkraftwerke-AG und der Gemeinde T der Bau einer Kläranlage vereinbart.
Im April 1970 beauftragte die Gemeinde T auf Grund öffentlicher Ausschreibung den Kläger mit der Erstellung einer Kläranlage.
Im Zuge des Baues der Anlage mußte am linken Ufer des T-Baches eine Baugrube ausgehoben werden, die bis unmittelbar an den Bach heranreichte. Zur Sicherung der Baugrube, insbesondere um ein Eindringen der Bachwässer in die Baugrube zu verhindern, wurden Larsen (stark profilierte Eisenplatten) in das Erdreich geschlagen, die aneinandergefügt eine Wand bildeten. Die Larsen hatten eine Länge von zirka 7 m und eine Breite von je zirka 50 cm. Der Grund an dem der Baustelle gegenüberliegenden rechten Ufer des T-Baches gehört zu der im Eigentum des Beklagten stehenden Alpe, auf der damals 24 meist trächtige Kühe weideten, die auch nachts im Freien blieben. Auch eine fünf Jahre alte Haflingerstute wurde auf der Alm gehalten, die die Eigenart hatte, den Kühen nachzulaufen, wodurch diese mitunter in Unruhe gerieten.
Der Kläger beabsichtigte nun zur Sicherung der Larsenwand, diese durch Drahtseile zu verspannen, die auf dem Grund des Beklagten verankert werden sollten. Am 9. Juli 1970 fragte der von ihm beauftragte Bauleiter den Beklagten, ob er zwecks Verankerung der zur Sicherung der Larsenwände vorgesehenen Seilverspannungen den Grund des Beklagten benützen könne. Der Beklagte stellte die Gegenfrage, ob denn er die Steine zusammenklauben solle, die von den Sprengungen herumliegen, worauf der Bauleiter erwiderte, daß dies natürlich die Baufirma machen werde. Der Bauleiter nahm auf Grund dieser Äußerung das Einverständnis des Beklagten an, ohne daß eine ausdrückliche Zustimmung erteilt worden wäre. In der Folge wurden zwei Seile verlegt. Ein kürzeres, 25 m, wurde am 13. Juli 1970 nur über das Bachbett und ein Stück über den Hang hinaufgezogen und an einem Stein verankert. Das längere Seil wurde am 14. Juli 1970 gelegt und an einem großen Stein befestigt. Jedes der beiden Seile war mit einem Riegel verbunden, durch den je ein Teil der Larsenwand unter Zug gehalten werden sollte. Vom 14. bis 16. Juli 1970 wurde am Aushub der Kläranlage gearbeitet. Als sich im Zuge der Entfernung des Erdreichs der Druck gegen die Larsen vom Bach her verstärkte, konnte ohne Gegenzug auf die Larsen durch die Seilverspannung nicht mehr gearbeitet werden. Am 16. Juli 1970 um 13 Uhr 45 wurden die Arbeiten an der Seilverspannung zunächst eingestellt, weil der Beklagte erklärt hatte, er dulde die Arbeiten auf seinem Grund nicht und die Entfernung der Seile verlangt hatte. Obwohl der Beklagte von diesem Standpunkt nicht abwich, wurde dann auch das längere Seil von den Arbeitern des Klägers im Laufe des 16. Juli 1970 gespannt. Dabei wurde auch ein häufig begangener Güterweg überspannt, allerdings in einer Höhe, daß ein erwachsener Mensch darunter durchgehen konnte. Abseits des Weges betrug der Abstand des Seiles vom Almboden zwischen 50 und 150 cm. Dadurch war eine Gefährdung des Weideviehs gegeben, zumal eine Absperrung oder Markierung nicht vorgenommen wurde und das Vieh sich auf diesem Teil der Alm aufzuhalten pflegte.
Der Beklagte wandte sich darauf an die Gendarmerie und an die Bezirkshauptmannschaft um Abhilfe, die jedoch nicht einschritten.
Am 17. Juli 1970 suchte er seinen Anwalt auf, der ihm die Auskunft gab, daß er berechtigt sei, die Seile selbst zu entfernen. Der Anwalt wandte sich aber vorerst am 18. Juli 1970 telefonisch an den Kläger mit der Forderung, die Seile sofort zu entfernen. Der Kläger schickte darauf einen Angestellten zum Beklagten zu einer Aussprache. Jener erschien aber nicht beim Beklagten. Der Beklagte löste darauf am Sonntag, dem 19. Juli 1970, vormittags mit seinem Sohn die Seile. Das kürzere Seil war bereits gelockert und wurde aus seiner Verankerung unterhalb des Weges so weit entfernt, daß das Weidevieh dadurch nicht mehr behindert war. Beim längeren Seil löste der Beklagte die Klemmen, worauf das Seil zu Boden ging und mit einem Stein beschwert wurde. Die Klammern wurden wieder angeschraubt, damit sie nicht verlorengehen könnten.
Durch das Lösen der Seilverspannung neigte sich ein Teil der Larsenwand gegen die Baugrube hin, so daß Wasser vom Bach dorthin eindringen konnte. Es war auch schon vorher Hangwasser und Wasser aus dem Bach durch vorhandene Löcher zwischen den Larsen in die Baugrube eingeflossen, doch konnte dieses Wasser unter Einsatz einer Pumpe bis dahin unter Kontrolle gehalten werden. Am Samstag, dem 18. Juli 1970 stand die Baugrube noch nicht unter Wasser, wohl aber war sie am Sonntag, dem 19. Juli 1970 vormittags mit Wasser vollgelaufen; durch das Lösen der Seile trat eine Verschlechterung der Wasserhaltung gegenüber der Baugrube ein.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Kläger sei als Beauftragter der bauführenden Gemeinde gemäß § 72 WRG, ohne einer wasserbehördlichen Genehmigung zu bedürfen, berechtigt gewesen, das Ufergrundstück des Beklagten zum Zwecke der Ausführung der Wasserbauten zur Verankerung der Seile zu benutzen. Es könne dahingestellt bleiben, ob sich die Notwendigkeit der Verspannung der Larsenwand durch einen weiteren Aushub der Baugrube ergeben habe oder deshalb erforderlich geworden sei, weil Pölzungen nicht fachgerecht angebracht bzw. weil die Larsen als solche nicht richtig geschlagen worden seien. Welche Maßnahmen zu ergreifen seien, müsse dem Bautenunternehmer und dessen verantwortlichem Bauleiter überlassen bleiben. Da der Bauleiter die Fixierung der Larsenwand für zweckmäßig und notwendig erachtet habe, sei die Benützung des Grundstückes des Beklagten unbedingt notwendig gewesen, zumal für die Verankerung der Seile nur das gegenüberliegende Grundstück des Beklagten in Betracht gekommen sei. Das Spannen und Verankern der Seile sei somit nicht rechtswidrig gewesen, so daß der Beklagte nicht zur Selbsthilfe berechtigt gewesen sei. Er hafte daher dem Gründe nach für den entstandenen Schaden.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte, ausgehend von den insoweit übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, aus, zutreffend habe dieses die Frage der Berechtigung des Klägers zum Betreten fremden Gründes nicht unter dem Gesichtspunkt des § 62 WRG, sondern unter dem des § 72 WRG, der zum Unterschied von der erstbezeichneten Gesetzesstelle nicht die Erlassung eines Bescheides der Wasserrechtsbehörde voraussetze, geprüft. Dem Beklagten sei daher dagegen nicht das Recht der eigenmächtigen Selbsthilfe zugestanden, zumal er auch die Möglichkeit gehabt hätte, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er hafte daher grundsätzlich für den durch seine Handlungsweise entstandenen Schaden. Ein Zwischenurteil könne aber erst erlassen werden, wenn hinsichtlich jedes einzelnen der geltend gemachten Teilansprüche der Eintritt eines Schadens feststehe und insbesondere auch die unter Beweis gestellte Behauptung des Beklagten geprüft sei, die vom Kläger aufgestellte Wand sei von vornherein nach ihrer Anlage und Ausführung nicht geeignet gewesen, das Wasser des Baches von der Baugrube abzuhalten, diese hätte auf jeden Fall wieder zugeschüttet, die Larsen hätten neuerlich und besser geschlagen werden müssen, was den gleichen Mehraufwand an Material und Arbeit erfordert hätte, wie er in der Klage ersetzt begehrt werde. Es handle sich hier um ein Problem der "überholenden Kausalität" (konkurrierende, unnötige Verursachung). Es sei daher das erstgerichtliche Urteil aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Berufungsausführungen eingegangen werden müsse.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Kläger stützt sich zur Dartuung seiner Befugnis zur Inanspruchnahme des Gründes des Beklagten - abgesehen von der hier nicht mehr zur Erörterung stehenden Frage einer Zustimmung des letzteren zu der getroffenen Maßnahme - auf die Bestimmungen des § 72 WRG, deren Anwendbarkeit im vorliegenden Fall von Beklagten zwar bestritten, von den Unterinstanzen aber bejaht wurde. Das Berufungsgericht hat hiezu die Rechtsansicht vertreten, die Bestimmungen des § 62 WRG, die nach Auffassung des Beklagten zum Tragen kommen müßten, schieden schon deshalb für die Beurteilung des vorliegenden Falles aus, weil sie sich nur auf Vor- bzw. Aufschließungsarbeiten bezögen, die zeitlich vor der wasserrechtsbehördlichen Genehmigung des Baues der Anlage liegen; da der Kläger das Grundstück anläßlich der Ausführung eines behördlichen bereits genehmigten Wasserbaues in Anspruch genommen habe, handle es sich nur um die Frage der Anwendbarkeit des § 72 WRG. Dem vermag der Oberste Gerichtshof nur mit Einschränkungen anzuschließen. Gewiß sind die Hauptanwendungsfälle des § 62 WRG Arbeiten, die in die Zeit vor Erteilung der wasserrechtsbehördlichen Bewilligungfallen, wie aus den sowohl bei Hartig - Grabmayr Das österreichische Wasserrecht 217 als auch bei Krzizek Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 264, abgedruckten Erläuternden Bemerkungen zur WR-Novelle 1959 hervorgeht. Der Wortlaut des § 62 "Erfordert die Projektierung oder Ausführung von Wasseranlagen Vorarbeiten oder Bauhilfseinrichtungen auf fremden Grund ...", deckt aber auch den Fall, daß nicht schon die Projektierung, sondern erst die Ausführung der Anlage eine Baueinrichtung auf fremdem Grund erfordert, ein Fall, der sich auch - allenfalls unvorhergesehenermaßen - erst nach Erteilung der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung herausstellen kann und an den hier zu denken ist, weil sich die vom Kläger über den Grund des Beklagten gespannte Drahtseilsicherung der Larsenwand wohl auch dem Begriff der "Bauhilfseinrichtung" unterstellen läßt. Dem Beklagten ist zuzugeben, daß unter Umständen ein Nachtragsbescheid der Wasserrechtsbehörde erwirkt werden kann und erwirkt werden muß, wenn der Eigentümer des fremden Gründes die in Betracht kommenden Arbeiten und Maßnahmen nicht gestatten will. "Unter Umständen" bedeutet aber, daß der Wasserbauunternehmer nur dann gehalten ist, sich im Sinn des § 62 WRG an die Wasserrechtsbehörde zu wenden, wenn ihm nicht die unmittelbar durch das Gesetz eingeräumte Benutzungsbefugnis des § 72 WRG zustatten kommt.
Der Oberste Gerichtshof pflichtet nun den Unterinstanzen darin bei, daß die vom Kläger auf dem Grund des Beklagten bewerkstelligte Drahtseilverspannung zur Sicherung der Larsenwand dem § 72 WRG unterstellt werden kann. Mögen sich diese Bestimmungen auch aus dem alten "Schaufelschlagrecht" entwickelt haben, zeigt doch die nur beispielsweise Nennung verschiedener Benützungsarten, daß in diesem Belang eine engherzige Auslegung nicht am Platz ist, sondern den Bedürfnissen der Wasserbeupraxis Rechnung getragen werden muß, sofern es sich nur um vorübergehende und die Substanz des in Anspruch genommenen Gründes nicht beeinträchtigende Benützungsarten handelt (vgl. Hartig - Grabmayr 232 bei Anm. 3). Diese Voraussetzungen lagen hier unzweifelhaft vor. Berechtigter im Sinn des § 72 WRG ist nicht nur der Eigentümer des Wasserbauwerkes oder der sonstigen Wasseranlage, sondern auch der vom Eigentümer mit der Durchführung der Arbeiten Beauftragte. Auch in dieser Richtung bestehen also keine Bedenken (vgl. Krzizek 295).
Zur Frage, ob der Kläger die Befugnisse des § 72 WRG auch dann in Anspruch nehmen konnte, wenn er selbst - allenfalls sogar schuldhaft, z. B. durch Fehler bei der Planung oder Ausführung der Bauarbeiten, insbesondere durch eine unzulängliche Erstellung der Larsenwand - jene Situation herbeigeführt haben sollte, in der er sich dann zur Sicherung der Larsenwand mit Hilfe der Drahtseilverspannung über den Grund des Beklagten entschloß, hat das Erstgericht ausgeführt, bei einem derartigen Bau könnten Überraschungen auftreten, die nicht im vorhinein abgeschätzt und einkalkuliert werden könnten (z. B. Hochwasser, Schwierigkeiten im Gelände);, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, müsse dem Bauunternehmer und seinem verantwortlichen Bauleiter überlassen bleiben; da letzterer unter den gegebenen Verhältnissen die Fixierung der Larsenwand für zweckmäßig und notwendig erachtet habe, sei die Benützung des Grundstückes des Beklagten unbedingt notwendig gewesen, weil eben nur dieses Grundstück für eine Verankerung der Seile in Betracht gekommen sei. Das Berufungsgericht ist dem beigetreten; die Auswahl der Sicherungsmaßnahme müsse der ausführenden Baufirma überlassen bleiben; danach sei aber im vorliegenden Fall die Benützung des Grundstückes des Beklagten unvermeidbar gewesen. Damit ist freilich zur Frage der Bedeutung eines allfälligen Verschuldens des Bauunternehmers am Eintritt jener Situation, in der das fremde Grundstück in Anspruch genommen werden soll, nicht Stellung genommen, sondern nur des Falles gedacht, daß eine solche Situation unversehens eingetreten ist. Der Oberste Gerichtshof kommt jedoch zum Ergebnis, daß dem Eigentümer der Anlage bzw. dem von diesem beauftragten Bauunternehmer die Befugnisse des § 72 WRG auch dann zustehen, wenn er den Eintritt jener Situation, in der nun das benachbarte Grundstück in Anspruch genommen werden soll, vermeiden hätte können, und daß auch in eine Prüfung, ob die ergriffene Maßnahme etwa nur zweckmäßig, aber auch durch eine andere ersetzbar gewesen wäre, nicht einzugehen ist, solange unter Bedachtnahme auf die beiderseitige Interessenlage nicht geradezu von Rechtsmißbrauch gesprochen werden müßte, wovon diesmal gewiß keine Rede sein kann. Das Gesetz normiert die in Rede stehende Duldungspflicht nicht, "wenn und insoweit" sich die entsprechende Maßnahme als unbedingt notwendig erweist, sondern nur "insoweit" dies der Fall ist. Letzteres läßt sich verhältnismäßig leicht nachprüfen; ob die Inanspruchnahme des fremden Gründes vermeidbar war, ob der Eintritt der hiefür in Betracht kommenden Situation voraussehbar war, und dafür in anderer Richtung Vorsorge hätte getroffen oder Abhilfe geschaffen werden können und sollen, sind Fragen, die sich oft nur durch ein umständliches Beweisverfahren unter Zuziehung von Sachverstandigen klären lassen. Zweck des Gesetzes ist es aber, eine möglichst rasche und reibungslose Durchführung der im § 72 Abs. 1 WRG bezeichneten Arbeiten zu sichern, die wegen vorübergehender und verhältnismäßig geringfügiger Eingriffe in das Eigentumsrecht Dritter nicht aufgehalten werden sollen. Ihre Interessen werden durch den Anspruch auf Ersatz der ihnen hiedurch verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gewahrt, abgesehen von der Sorgfaltspflicht, die den nach § 72 WRG Berechtigten trifft - ein Fragenkomplex, auf den noch zurückzukommen sein wird.
Daß die dem Beklagten gehörige Alm, mag sie auch jenseits des T-Baches gelegen sein, zumindest in dem vom Kläger zur Drahtseilverspannung in Anspruch genommenen Teil als "benachbartes Grundstück" zu qualifizieren ist, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Außer auf die von ihm herangezogene Literatur (Hartig - Grabmayr 232; Krzizek 294) kann zusätzlich noch auf Haager - Vanderhaag Komm. z. Wasserrechtsgesetz 325 verwiesen werden.
Wie immer es zum Entschluß des Klägers, die Larsenwand mittels Drahtseilverspannung zu sichern, kam, ist demnach seine Berechtigung zur Benützung des Grundstückes des Beklagten zu bejahen, wobei allerdings noch zu bedenken ist, daß dies nur gilt, "insoweit es unbedingt notwendig" war. Dem ist mit dem Argument der Unterinstanzen, die Inanspruchnahme des Grundstückes des Beklagten sei unvermeidbar gewesen, weil nach der orographischen Situation eben nur dieses Grundstück dafür in Betracht kam, nicht ausreichend Rechnung getragen. Es kommt hier zweifellos auch auf das Ausmaß der Inanspruchnahme an. Daß ein einziger Seilzug zur Sicherung der Larsenwand genügt hätte, daß die Seile schonender hätten verankert werden können o. dgl. hat der Beklagte aber nicht geltend gemacht. Daher ist davon auszugehen, daß der Kläger das Ausmaß des unbedingt Notwendigen zur Sicherung der Larsenwand mittels Drahtseilverspannung nicht überschritten hat. Damit erweist sich aber die Lösung der Drahtseile durch den Beklagten tatsächlich als rechtswidrig. Daß sie ihm als Verschulden anzurechnen ist, haben die Unterinstanzen zutreffend erkannt und wird auch im Rekurs des Beklagten, der auf die Behauptung der erlaubten Selbsthilfe aufgebaut ist, für den Fall der Verneinung des Rechtes zur Selbsthilfe nicht bezweifelt. Über die Folgen einer Lösung der Seile, deren Zweck offenkundig war, konnte er nicht im Unklaren sein.
Es mag sein, daß beim Entschluß des Beklagten, die Drahtseilverspannung zu lösen, auch persönliche Mißhelligkeiten mit dem Kläger und dessen Leuten mitgespielt haben; maßgebend war nach den Verfahrensergebnissen aber die erwiesene Gefährdung des Weideviehs. Auch die Berücksichtigung des Wertes des Weideviehs vermag das Vorgehen des Beklagten aber nicht zu rechtfertigen, weil auf der anderen Seite, für ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit erkannbar, gleichfalls bedeutende Interessen auf dem Spiel standen. Gerade die erwiesene Gefährdung des Weideviehs zeigt aber einen Gesichtspunkt auf, der im bisherigen Verfahren nicht genügend beachtet wurde. Bei Ausübung der sich aus § 72 WRG ergebenden Befugnisse kommt es keineswegs nur auf die räumlich-technischen Belange an, sondern auf die gesamte Interessenlage des Eigentümers des fremden Grundstücks. Den zur Benützung fremden Eigentums Berechtigten trifft - wie schon erwähnt - eine Sorgfaltspflicht. Sie wurzelt - wie der Satz "servitus civiliter exercenda" vgl. dazu Klang in Klang[2] II, 565; Gschnitzer, im Lehrbuch Sachenrecht 140) - im allgemeinen Verbot des Rechtsmißbrauches und bedeutet, daß der die Benützungsbefugnisse des § 72 WRG ausnützende Berechtigte die vermögensrechtlichen Nachteile des Dritten - unbeschadet der Ersatzpflicht - möglichst gering zu halten, sie nach Möglichkeit gar nicht erst entstehen zu lassen hat. Hätte der Kläger - um auf den vorliegenden Fall zurückzukommen - Maßnahmen zur Sicherung des Weideviehs gegen die Gefährdung durch die Drahtseilverspannung ergriffen, hätte der Beklagte eben diese Gefahrdung nicht zum Anlaß nehmen können, die Verspannung zu lösen. Wer eine Gefahrenquelle schafft, muß auch die notwendigen Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung nach Tunlichkeit zu vermeiden. Kommt dieser Rechtssatz (SZ 37/97, JBl. 1967 34, EvBl. 1970/326 und 344 u. a.) auch vornehmlich bei der Gefährdung von Menschen zum Tragen, läßt sich die Sorgfalts- und Sicherungspflicht nicht darauf schlechthin beschränken. War die Gefährdung des Weideviehs bei gehöriger Aufmerksamkeit für den Kläger erkennbar, gab es geeignete Sicherungsmaßnahmen - hiefür könnte allenfalls die Markierung der gespannten Seile durch Zweige u. dgl., die Aufstellung eines Behelfszaunes u. a. in Betracht kommen - und war ihre Ergreifung zumutbar, könnte in der Verletzung der Sorgfaltspflicht seitens des Klägers bei Ausübung der Befugnisse nach § 72 WRG ein Mitverschulden liegen, daß jenem des Beklagten in Ansehung des prozeßgegenständlichen Schadenersatzanspruches gegenüber von Bedeutung werden könnte. Das Vorbringen des Beklagten, wegen der Gefährdung seines Weideviehs zur (vermeintlich erlaubten) Selbsthilfe gegriffen zu haben, könnte inhaltlich auch einen Mitverschuldenseinwand umfassen, was noch zu klären ist (§ 182 ZPO).
Im Beschluß des Berufungsgerichtes heißt es, der Feststellung des Erstgerichtes, daß durch das Lösen der Seile sich ein Teil der Larsenwand gegen die Baugrube hin neigte, wodurch Wasser vom T-Bach in diese eindringen konnte und daß dadurch "eine Verschlechterung der Wasserhaltung gegenüber der Baugrube" - gemeint sei wohl eine Verschlechterung der Wasserabhaltung von der Baugrube - eingetreten ist, könne trotz gewisser Widersprüche in den Feststellungen (z. B.:
die bachaufwärts stehenden Larsen standen trotzdem senkrecht; die bachabwärts befindlichen waren bereits vorher schräg eingeschlagen; wieso kommt es dann erst durch die Seillösung zu einer Schrägstellung der Larsen und somit zu einer Verschlechterung der Wasserhaltung, zumal das kürzere Seil schon vor der Tat des Beklagten nicht mehr gespannt war?) noch beigepflichtet werden.
Damit steht für den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist und in die Sachverhaltsermittlung nicht eingreifen kann, soweit nicht rechtliche Gesichtspunkte eine Ergänzung des Sachverhaltsbildes erfordern, fest, daß das Lösen der Seile durch den Beklagten jedenfalls zu einer Verschlechterung der Wasserabhaltung von der Baugrube geführt hat, in die zwar auch schon vorher Wasser eingedrungen war, in der aber noch am Vortag gearbeitet werden konnte, weil bis dahin das Eindringen des Wassers durch Einsatz einer Pumpe unter Kontrolle gehalten werden konnte. Damit ist der Kausalzusammenhang zwischen dem Vorgehen des Beklagten und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden - dieser besteht nicht in der Überflutung der Baugrube schlechthin, sondern in den Kosten, die durch die angeblich notwendig gewordene Zuschüttung der Baugrube und die neuerliche Larsenschlagung entstanden sind - wo wahrscheinlich gemacht, daß von ihm auszugehen ist, weil der Beklagte einen anderen Tatsachenzusammenhang zwischen diesen Kosten, der eingetretenen Überflutung und sonstigen Umständen, bei dem sein Verhalten keine Rolle spielte, nicht noch wahrscheinlicher machen konnte (vgl. dazu JBl. 1972, 569 und die dort angeführte Judikatur).
Dessenungeachtet ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Rechtssache über den Grund des Anspruches nicht spruchreif ist. Der Beklagte hat behauptet und unter Beweis gestellt, daß die vom Kläger geschlagene Larsenwand nach Anlage und Ausführung ungeeignet gewesen sei, die Wasser des T-Baches wirksam von der Baugrube abzuhalten, daß die Wasser des T-Baches, auch wenn er die Seile nicht gelöst hätte, schließlich in einem Ausmaß in die Baugrube eingedrungen wären, das ihre Verwendung verhindert hätte, so daß die Baugrube auf jeden Fall wieder zugeschüttet und die Larsen nochmals und besser geschlagen hätten werden müssen, was den gleichen Mehraufwand an Material und Arbeit erfordert hätte, wie er jetzt vom Kläger ersetzt begehrt werde. Wäre dies richtig, läge ein sogenannter "Anlagefall" vor, von dem dann gesprochen wird, wenn bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bereits eine der geschädigten Person oder Sache innewohnende Schadensanlage bestand, die zu dem gleichen Schaden geführt hätte (vgl. dazu Bydlinski Probleme der Schadensverursachung 99 sowie in JBl. 1967, 130f., Koziol - Welser[2] 1, 189, Pallandt[32] Vorbemerkungen zu § 249 BGB unter 5, f, aa, Soergel - Siebert[19] Anm. 66 zu §§ 248-253 BGB, insbesondere Anm. 71, JBl. 1972, 368 und die dort zitierte Judikatur und Literatur). In solchen Fällen beschränkt sich die Ersatzpflicht des Täters auf jene Nachteile, die durch die Vorverlegung des Schadenseintrittes entstanden sind. Wird eine Sache beschädigt, die erweislichermaßen ohnehin schon vor der Vernichtung stand, kann dies darum nicht nur zur Minderung, sondern sogar zum Entfallen der Ersatzpflicht führen (vgl. auch dazu Koziol - Welser 1, 189; Bydlinski, Schadensverursachung sowie Pallandt und Soergel - Siebert, Anm. 66 wie die dort angeführte Judikatur). Das Berufungsgericht ist daher bei seinen Ergänzungsaufträgen von einer zutreffenden Rechtsansicht ausgegangen.
Im übrigen ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß die Fällung eines Zwischenurteils in einem Schadenersatzprozeß die Klarstellung voraussetzt, daß jeder der einzelnen Teilansprüche wenigstens mit einem kleinen Teil zu Recht besteht, wie aber auch die Berechtigung eines Mitverschuldenseinwandes durch eine entsprechende Quotenfestsetzung bereits im Zwischenurteil zum Ausdruck gebracht werden müßte (vgl. Fasching III, 590).
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