Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die derzeit kleingärtnerisch genutzte Teilfläche des Grundstückes 698/53 öffentliches Gut der EZ 2462 KG C, wie sie im Bescheid des Magistrats der Stadt WIEN D 17.Dezember 1982, MA 28-800/81, betreffend 18.Bezirk, Felix-Dahn-Straße, Grundstück 697/12 EZ 2462 Grundbuch C, im Zusammenhang mit dem Lageplan der MA 28 vom 17.Dezember 1982, ZNr.3/82, näher bezeichnet ist, zu räumen und im vollständig geräumten Zustand der klagenden Partei zu übergeben, abgewiesen wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.075,44 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (hievon S 963,04 USt. und S 482,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 2462 des Grundbuchs der Katastralgemeinde C. Auf Grund des Abteilungsbescheides des Magistrats der Stadt WIEN vom 26. Februar 1914, Zl.MA XIV-5773/13, wurde eine Teilfläche des Grundstückes 698/53 in die EZ 2654 KG C 'öffentliches Gut' übertragen, doch blieben die Rechtsvorgänger des Klägers im physischen Besitz dieses Grundstücks. Mit Vertrag vom 15.Jänner 1942 wurde die Teilfläche des vorgenannten Grundstückes 698/53 der beklagten Partei verpachtet. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Magistrats der Stadt WIEN, MA 28, vom 17.Dezember 1982, MA 28-800/81, wurde dem Kläger gemäß § 17 Abs.1 und 6 der Bauordnung für WIEN entsprechend der im rechtskräftigen Abteilungsbescheid vom 26.Februar 1914, Zl.MA XIV-5773/13, enthaltenen Verpflichtung der Auftrag erteilt, den vor dem Grundstück 697/12 KG C im Zuge der Felix-Dahn-Straße gelegenen, anläßlich der mit obzitierten rechtskräftigen Bescheid genehmigten Grundabteilung in das öffentliche Gut übertragenen Straßengrundteil des Grundstückes 698/53 öffentliches Gut in dem Ausmaß und in der Höhenlage, wie sie im beiliegenden Lageplan der MA 28 vom 17.Dezember 1982, E 3/82, festgesetzt sind, binnen einer Frist von fünf Monaten nach Rechtskraft des Bescheides in den physischen Besitz der Gemeinde WIEN vollkommen lastenfrei und geräumt zu übergeben.
Der Kläger stellte das aus dem Spruch ersichtliche Begehren und führte aus, durch den ihm bescheidmäßig erteilten Auftrag des Magistrats der Stadt WIEN vom 17.Dezember 1982 sei die Bestandsache, soweit sie vom Inhalt des Bescheides betroffen werde, dem bisherigen Zweck, der Verwendung im Sinne des abgeschlossenen Generalpachtvertrages, dauernd entzogen worden. Damit sei der Generalpachtvertrag gemäß § 1112 ABGB in Ansehung der Teilfläche des Grundstücks 698/53, die er der Gemeinde WIEN geräumt zu übergeben habe, erloschen, so daß das Räumungsbegehren gerechtfertigt sei.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der Bestandgegenstand sei nicht untergegangen, der Kläger könne den abgeschlossenen Generalpachtvertrag nur unter Einhaltung der Bestimmungen der §§ 6 bis 9 KlGG aufkündigen. Auch die Stadt WIEN könne den abgeschlossenen Generalpachtvertrag nach übergabe des Straßengrundes an sie nur unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen kündigen.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Durch den übergabsauftrag sei die in Bestand gegebene Liegenschaft ihrem bisherigen Verwendungszweck auf Dauer entzogen worden, so daß § 1112 ABGB zur Anwendung gelange.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung zu. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrages zwischen der Rechtsvorgängerin des Klägers und der beklagten Partei war der Bestandgeber nicht Eigentümer des in Bestand gegebenen Grundstückes 698/53, da das Eigentum auf Grund des Bescheides des Magistrats der Stadt WIEN vom 26.Februar 1914, MA XIV-5773/13, an die Stadt WIEN übertragen worden war; der frühere Eigentümer verblieb nur im physischen Besitz des Grundstücks. Die mangelnde Berechtigung des Bestandgebers an der Bestandsache hat auf die Gültigkeit des abgeschlossenen Bestandvertrages im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien keinen Einfluß (MietSlg.31.228, 31.152, 28.104, 27.144; SZ 27/309 u.a.; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 7 und 8 zu §§ 1092 bis 1094; Klang in Klang Komm. 2 V 35). Selbst der Prekarist kann die ihm überlassene Sache in Bestand geben (SZ 27/309). Der nicht am Vertrag beteiligte Verfügungberechtigte kann nur den von seiner Warte aus gesehen titellos benützenden Bestandnehmer vom Gebrauch der Sache ausschließen und auf Räumung klagen (MietSlg.31.153, SZ 45/49; MietSlg.21.055).
Der Kläger gründet das Klagebegehren darauf, daß durch den ihm erteilten Auftrag zur physischen übergabe der in Rede stehenden Teilfläche des Grundstücks 698/53 an den Eigentümer, die Stadt WIEN, der mit der beklagten Partei abgeschlossene Bestandvertrag erloschen sei. Dieser Rechtsansicht ist jedoch nicht beizupflichten. Gemäß § 1112 ABGB löst sich der Bestandvertrag nur dann von selbst auf, wenn die in Bestand gegebene Sache zu Grunde geht. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt § 1112 ABGB nicht nur für den physischen, sondern auch für den rechtlichen Untergang des Bestandobjektes. Dieser tritt nur dann ein, wenn die Sache an sich dem Rechtsverkehr entzogen wird, sondern auch wenn sie die für die Vermietbarkeit erforderliche Qualifikation verliert (Klang aaO 98; Würth aaO Rdz 3 zu § 1112). Nach ständiger Rechtsprechung wird durch einen rechtskräftigen Demolierungsbescheid oder durch die Versagung der nachträglichen Baugenehmigung durch die Baubehörde der rechtliche Untergang des Bestandobjektes bewirkt und damit das Erlöschen des Bestandverhältnisses herbeigeführt, weildamit die dauernde (rechtliche) Unmöglichkeit der vom Bestandgeber geschuldeten Leistung (Gebrauchsgestattung) eintritt (SZ 54/155; EvBl.1983/76; MietSlg.33.186; JBl.1975/206). Durch den dem Kläger erteilten Auftrag, die Liegenschaft in den physischen Besitz des Eigentümers zu übertragen, änderte sich aber an der für die Vermietbarkeit erforderlichen Qualifikation der Sache nichts; der weiteren Gebrauchsgewährung steht auch kein zwingendes öffentlich-rechtliches Hindernis entgegen, wie dies im Fall eines Demolierungsbescheides zutrifft. Vn dieser Rechtslage ging offenbar auch der Verwaltungsgerichtshof aus, als er aussprach (VwSlg 6.480/A), daß ein Bestandverhältnis zwar ein subjektives Hindernis bedeute, dem Auftrag zur übergabe zu entsprechen, aber obrigkeitlichem Zwang nicht im Wege stehe (so auch Krzizek, System des österr.Baurechts I,382). Das bedeutet, daß sich die Verwaltungsbehörde zwar über nur dem Bestandgeber gegenüber bestehende Rechte hinwegsetzen kann, dem Bestandgeber selbst aber kein Recht zusteht, von sich aus das Bestandverhältnis ohne Kündigung zu beenden. Nur für den Fall der Enteignung sieht § 46 Abs.1 Bauordnung für WIEN vor, daß alle obligatorischen Rechte an der enteigneten Sache als vom Enteigneten zum nächsten Kündigungstermin oder, bei Fehlen eines solchen, mit sofortiger Wirkung aufgekündigt gelten und die enteignete Sache in der ortsüblichen Frist zu räumen und zu übergeben ist. Das Fehlen einer solchen Regelung in § 17 Bauordnung für WIEN läßt ebenfalls den Schluß zu, daß der Auftrag zur übergabe bereits anläßlich der Grundabteilung in das öffentliche Gut übertragener Grundflächen kein Erlöschen des Bestandvertrages, den der im physischen Besitz belassene frühere Eigentümer abgeschlossen hat, zur Folge hat. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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