Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 42.383,55 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 3.693,05 Umsatzsteuer und S 1.760,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ.44 Katastralgemeinde Dorf, Michelbach Nr.1 in Gstetten. Die Streitteile waren verheiratet; ihre Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes St.Pölten vom 28.August 1979, 1 Cg 69/78-34, rechtskräftig gemäß § 55 Abs.1 EheG geschieden.
Der Kläger begehrt die Zivilteilung der Liegenschaft. Eine Naturalteilung der Liegenschaft sei unmöglich und auch untunlich. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 16.September 1983 trug er den Beweisantrag ON 7 vor. Danach stützte er sein Klagebegehren 'in eventu' auch auf eine ausdrückliche Zusage und eine mit der Beklagten getroffene Vereinbarung der Zivilteilung; er führte weiters aus, es möge vorerst die Frage der Rechtswirksamkeit der seinerzeitigen Zusage der Beklagten geprüft werden.
Die Beklagte wendete ein, eine Naturalteilung der Liegenschaft sei möglich. Eine Vereinbarung, die Liegenschaft zivil zu teilen, sei nicht zustande gekommen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß eine Realteilung der Liegenschaft möglich sei, das Haus Nr.1 samt Keller und Garage könne vertikal geteilt werden. Aus dem beiderseitigen Schriftverkehr ergebe sich zwar, daß die Beklagte mit Schreiben vom 21.Oktober 1982 erklärt habe, sie würde dem Kläger ihre Liegenschaftshälfte um S 800.000,-- verkaufen, sie sei auch mit einer gerichtlichen Feilbietung einverstanden. Der Kläger habe jedoch geantwortet, die gerichtliche Feilbietung erscheine kaum geeignet, einen höheren Erlös als S 490.000,-- für die Beklagte zu erbringen. Daraus ergebe sich, daß der Kläger selbst das Schreiben vom 21.Oktober 1982 nicht als Vertragsabschluß betrachtet habe. Der Kläger erhob nur aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung Berufung. In ihr führte er ausschließlich aus, auf Grund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes hätte dieses seinem Begehren infolge Zustimmung der Beklagten zur Zivilteilung vollinhaltlich stattgeben müssen. Eine Bekämpfung der Rechtsansicht des Erstgerichtes, eine Naturalteilung sei unmöglich oder untunlich, enthält das Rechtsmittel nicht.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige. Die Revision ließ es nicht zu. Das Erstgericht habe zutreffend das Zustandekommen einer bindenden Vereinbarung über eine Zivilteilung verneint. Eine allseitige Prüfung der rechtlichen Beurteilung führe aber zum Ergebnis, daß eine Realteilung nicht möglich sei. Bei einer Realteilung würde am Haus gemeinschaftliches Eigentum bestehen bleiben. Die aufzuhebende Eigentumsgemeinschaft bestehe an einer Liegenschaft, auf der ein Haus stehe, was bei einer Zuteilung von Wohnungen und anderen Räumen zu einer Mitbenützung des Bodenaufganges führe. Der Teilungsvorschlag stelle damit keine ausnahmsweise zugelassene vollkommene Vertikalteilung des Gebäudes dar. Die eine Einheit bildende Liegenschaft, die zu teilen sei, könne somit nicht derart geteilt werden, daß die Eigentumsgemeinschaft zur Gänze aufgehoben werde.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Das Berufungsgericht überprüft gemäß § 462 ZPO das angefochtene Urteil innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge und der Berufungserklärung. Ungeachtet der grundsätzlichen Bindung des Berufungsgerichtes an die geltend gemachten Berufungsgründe ist allgemein anerkannt, daß, wurde der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gesetzmäßig ausgeführt, das Rechtsmittelgericht die rechtliche Beurteilung der Vorinstanz ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber verwendete Argumentation auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nach allen Richtungen hin zu überprüfen hat (SZ 56/107; EvBl.1983/82;
MietSlg.33.498/25; SZ 54/133; SZ 54/88 u.v.a.; Fasching, Kommentar IV 41 f.; derselbe, Zivilprozeßrecht Rz.1774, 1775, 1929;
Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht 2 338). Auch für das Berufungsverfahren hat aber wie für das Revisionsverfahren (§ 506 Abs.2 ZPO) zu gelten, daß die bloße Anführung von Leerformeln den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht zur gesetzmäßigen Darstellung bringt. Es wird vielmehr gefordert, daß der Rechtsmittelwerber ohne Weitläufigkeit darlegt, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheine (SZ 55/113; 1 Ob 551/77; Buchegger, Der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, ÖJZ 1983, 645 ff., insbesondere 651 f.). Buchegger vertritt a.a.O. die Rechtsansicht, daß das Rechtsmittelgericht nur innerhalb des vom Rechtsmittelwerber aufgegriffenen rechtlichen Problemkreises (des Prüfungsrahmens) zu einer allseitigen Prüfung der Rechtssache berechtigt und verpflichtet sei. Nur innerhalb dieses Rahmens habe das Rechtsmittelgericht die Rechtsfrage nach allen Richtungen zu überprüfen und unabhängig von der gewählten Argumentation zu lösen (Buchegger a.a.O. 648, 652 ff.). Die Rechtsprechung geht dahin, daß der Grundsatz, bei Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung sei die Gesetzmäßigkeit des Urteiles nach allen Richtungen zu prüfen, nicht mehr gilt, wenn ein Tatbestand von mehreren selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wird und die Rechtsausführungen sich nur auf eine dieser Tatsachen, nicht aber auf die anderen beziehen (MietSlg.3937/16; 4 Ob 520/76); dem Rechtsmittelgericht sei es verwehrt, eine Rechtsfrage von Amts wegen aufzugreifen, wenn der Kläger mehrere Ansprüche in erster Instanz geltend machte, sein Rechtsmittel aber Rechtsausführungen nur mehr zu einem Anspruch enthält und die Rechtsfrage den anderen Anspruch betrifft (MietSlg.32.728; 4 Ob 520/76), wenn die grundsätzliche Zahlungspflicht im Rechtsmittelverfahren nicht mehr bestritten wurde, wohl aber weiterhin Einwendungen gegen die Höhe gemacht wurden und das Bestehen einer Gegenforderung behauptet wurde, die Rechtsfrage aber die grundsätzliche Zahlungspflicht betrifft (1 Ob 551/77), oder wenn Ausführungen zum Verschulden des Beklagten fehlten, sondern nur mehr ein Mitverschulden des Klägers weiterhin geltend gemacht wurde, die Rechtsfrage aber im Bereich der Prüfung des Verschuldens des Beklagten zu lösen wäre (1 Ob 632/78). In einem Fall, in dem der Kläger seinen Anspruch auf zwei verschiedene Rechtsgründe stützte (Schadenersatz und Anerkenntnis) und das Rechtsmittel des Klägers keine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge zum Rechtsgrund des Anerkenntnisses enthielt, sprach der Oberste Gerichtshof aus, ihm sei es verwehrt, die materiellrechtliche Beurteilung des Klagegrundes 'Anerkenntnis' durch das Berufungsgericht zu überprüfen (SZ 55/113). Der Kläger, der in erster Instanz erklärte, er stütze das Zivilteilungsbegehren in eventu auf eine zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, führte in seiner Rechtsrüge gegen das Urteil erster Instanz nur aus, daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung das Erstgericht dem Klagebegehren infolge Zustimmung durch die Beklagte vollinhaltlich hätte stattgeben müssen. Damit hat er den weiters geltend gemachten Rechtsgrund (Unmöglichkeit der Naturalteilung) im Rechtsmittelverfahren nicht mehr aufrecht erhalten. Der Kläger, dem es gemäß § 483 Abs.3 ZPO nun auch im Berufungsverfahren gestattet ist, die Klage als Ganzes zurückzunehmen, kann umso eher von mehreren in erster Instanz geltend gemachten Rechtsgründen im Berufungsverfahren nur mehr einen aufrecht erhalten und die anderen fallen lassen. An eine solche Anfechtungsbeschränkung ist das Berufungsgericht gebunden. Dann war es dem Berufungsgericht aber verwehrt, dem Zivilteilungsbegehren des Klägers auf Grund der gesetzlichen Vorschriften der §§ 830, 843 ABGB stattzugeben. Dies wird in der Revision der Beklagten zutreffend gerügt. Der Beurteilung des Berufungsgerichtes, die Streitteile hätten eine Zivilteilungsvereinbarung nicht getroffen, tritt der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung nicht mehr entgegen.
Der Revision ist Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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