Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.349,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.668,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 434 KG Algersdorf mit dem Haus Graz, Baiernstraße 52. Am 8. September 1981 schlossen die Streitteile eine als Vorvertrag bezeichnete schriftliche Vereinbarung, wonach die Klägerin der Beklagten einen Teil dieser Liegenschaft (Grundstück 53/2 Baufläche mit dem darauf befindlichen Wohnhaus) um S 550.000,-- verkaufte. Die Verkäuferin verpflichtete sich, die Liegenschaft bis längstens 30. November 1981 zu räumen. Erst mit erfolgter Räumung sollte die einverleibungsfähige Kaufvertragsurkunde errichtet und der Kaufpreis bezahlt werden. In der Folge wurde der Kaufpreis einvernehmlich auf S 650.000,-- erhöht. Anfang November 1981 zog die Beklagte in das Haus der Klägerin ein und begann mit umfangreichen Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten im und am Haus. Die Klägerin behielt einen Raum im ersten Stock und ein Zimmer im Parterre zur eigenen Benützung.
Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9. Juli 1986, 7 Vr 1439/83, wurde die Beklagte des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Dem Schuldspruch liegt u.a. zugrunde, daß die Beklagte die Klägerin in der Zeit vom 11. November 1981 bis Ende 1982 durch die Vorgabe, eine Liegenschaft in Eggendorf zu besitzen und diese verkaufen zu wollen sowie größere Geldbeträge aus der Schweiz zu bekommen, zur Auszahlung von Darlehen in einem nicht näher bekannten, jedoch S 100.000,-- übersteigenden Gesamtbetrag bewogen habe. Über Berufung der Klägerin (als Privatbeteiligten) wurde ihr vom Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht gemäß § 369 Abs 1 StPO ein Betrag von S 100.000,-- zugesprochen; mit ihren weiteren privatrechtlichen Ansprüchen wurde sie auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. März 1987, 13 Cg 24/85-60 (bestätigt mit Urteilen des Oberlandesgerichtes Graz vom 14. Juli 1987, 1 R 139/87, und des Obersten Gerichtshofes vom 12. April 1988, 8 Ob 650/87), wurde das Begehren der Klägerin (Beklagte dieses Verfahrens), die Beklagte (Klägerin dieses Verfahrens) schuldig zu erkennen, eine einverleibungsfähige Kaufvertragsurkunde in Ansehung der verkauften Liegenschaft zu unterfertigen, abgewiesen. Die Klägerin begehrt unter Berücksichtigung des ihr im Adhäsionsverfahren zuerkannten Betrages von S 100.000,-- die Bezahlung des Betrages von S 942.258,-- s.A.; sie begehrt weiters, den zwischen den Streitteilen am 8. September 1981 abgeschlossenen Vertrag aufzuheben und auszusprechen, daß sie nicht verbunden sei, die in diesem Vertrag übernommenen Vertragspflichten zu erfüllen. Die Beklagte habe sich ihr gegenüber als vermögend ausgegeben und sie dadurch zum Vertragsabschluß veranlaßt. Sie fechte den mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag wegen betrügerischer Irreführung an. Es liege auch Verkürzung über die Hälfte vor. Auf betrügerische Weise habe die Beklagte der Klägerin Darlehen im Gesamtbetrag von S 1,042.258,-- herausgelockt.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Abweisung der Klagebegehren. Schon vor Unterfertigung des Kaufvertrages sei davon die Rede gewesen, daß sie das Geld für den Kauf der Liegenschaft im Kreditweg aufbringen müsse. Sie habe die Klägerin über ihre Vermögenslage nicht in Irrtum geführt, der Klägerin seien vielmehr ihre finanziellen Verhältnisse bekannt gewesen. Richtig sei, daß sie der Klägerin unter Berücksichtigung des Kaufpreises von S 650.000,-- insgesamt einen Betrag von S 1,700.000,-- schulde. Als die Klägerin den vereinbarten Räumungstermin nicht eingehalten habe, habe sie mit notwendigen Sanierungsarbeiten am Hause begonnen. Ihre Aufwendungen übersteigen die gewährten Darlehensbeträge. Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes liege nicht vor. Durch die Weigerung der Klägerin, die Liegenschaft zu übergeben, sei ihr ein Schaden von S 1,800.000,--
entstanden, welchen Betrag sie aufrechnungsweise gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung einwende. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, während der Vertragsverhandlungen habe sich die Beklagte der Klägerin gegenüber als zahlungskräftige und zahlungswillige Vertragspartnerin ausgegeben und bewußt gegenteilige Eigenschaften ihrer Person verschwiegen. Sie habe ihr finanzielle Situation als günstig bezeichnet und vorgegeben, eine Liegenschaft in Eggersdorf zu besitzen, die sie zu verkaufen beabsichtige; hiebei sei ein beträchtlicher Kauferlös zu erwarten. Sie habe auch behauptet, aus der Schweiz größere Geldbeträge zu beziehen, was tatsächlich nicht zugetroffen habe. Nur aus diesen Gründen sei die Klägerin bereit gewesen, einen Kaufvertrag über die Liegenschaft abzuschließen. Der Beklagten sei es auch gelungen, sich das Vertrauen der 73-jährigen Klägerin zu erschleichen und ihr in der Zeit von November 1981 bis Februar 1982 in betrügerischer Weise Geldbeträge von insgesamt S 1,042.258,-- herauszulocken. Die Klägerin habe diese Darlehen auf Grund ihrer Leichtfertigkeit und Unerfahrenheit in geschäftlichen Angelegenheiten ohne jede Besicherung gewährt, weil die Beklagte immer wieder behauptet habe, eine Liegenschaft in Eggersdorf zu besitzen, diese verkaufen zu wollen und größere Geldbeträge aus der Schweiz zu bekommen. Erst nach Einleitung von Nachforschungen habe die Klägerin erfahren, daß die Beklagte völlig überschuldet, ihre Liegenschaft überlastet sei und daß sie, abgesehen von einer monatlichen Pension, aus der Schweiz keine Geldbeträge zu erwarten habe. Anfang November 1981 habe die Beklagte das Haus Baiernstraße 52 bezogen und mit umfangreichen Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten begonnen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Beklagte habe die Klägerin durch listige Vorstellungen zum Abschluß des Kaufvertrages und zur Gewährung der Darlehen veranlaßt. Sie sei nicht verhalten, die abgeschlossenen Verträge zuzuhalten. Da die Beklagte die Darlehen durch betrügerische Vorstellungen erlangt habe, sei eine Aufrechnung mit Gegenforderungen gemäß § 1440 zweiter Satz ABGB ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten unter Abweisung des Antrages, die Klagsforderung mit einer Gegenforderung aufzurechnen, nicht Folge.
Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit, billigte die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.
Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Vorinstanzen gelangten - wie im Verfahren 13 Cg 24/85 des Erstgerichtes - zum Ergebnis, daß die Beklagte die Klägerin vor Abschluß der Vereinbarung vom 8. September 1981 durch bewußt falsche Angaben über ihre finanzielle Leistungsfähigkeit in Irrtum geführt habe. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin bewußt den unzutreffenden Anschein erweckt, daß ihr aus dem Verkauf einer Liegenschaft und aus der Schweiz größere Geldbeträge zufließen werden. Nur aus diesem Grunde habe die Klägerin den Kaufvertrag abgeschlossen. Diese Behauptungen seien auch entscheidend dafür gewesen, daß sie der Beklagten Darlehen von insgesamt S 1,042.258,-- gewährt habe. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 12. April 1988 auf der Grundlage identer Feststellungen ausgeführt, daß die Voraussetzungen des § 870 ABGB gegeben seien und die Bindung der Klägerin an die am 8. September 1981 getroffene Vereinbarung mit der Beklagten verneint. Die Bestimmung des § 870 ABGB unterscheide nicht zwischen Geschäfts- und Motivirrtum oder zwischen wesentlichem und unwesentlichem Irrtum. Selbst ein durch List herbeigeführter unwesentlicher Irrtum bewirke die Anfechtbarkeit des Vertrages auch dann, wenn er sich nicht auf die in den §§ 871 bis 873 ABGB erwähnten Punkte beziehe. Die Revisionsausführungen geben keinen Anlaß von dieser rechtlichen Beurteilung, die in gleicher Weise für den Kaufvertrag wie die Darlehensverträge zutrifft, abzugehen. Der Überlistende ist jedes Schutzes unwürdig, so daß selbst ein listig herbeigeführter Motivirrtum die Anfechtung rechtfertigt (Koziol-Welser, Grundriß8 I 131; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 870 ABGB). Demzufolge ist sowohl die Anfechtung des Kaufvertrages als auch der Darlehensverträge gerechtfertigt und die Beklagte zur Rückzahlung der erhaltenen Darlehensvaluta, die der Höhe nach nicht strittig ist, verpflichtet. Mit der Aufhebung des Kaufvertrages wegen listiger Irreführung entfällt auch die Grundlage für die von der Beklagten auf die unterbliebene Übergabe der Liegenschaft gegründeten einredeweise geltend gemachten Gegenforderungen von S 1,800.000,--, da die Anfechtung des Vertrages zu seiner Aufhebung mit Wirkung ex tunc führt. Wenn die Beklagte (ziffernmäßig nicht präzisierte) Gegenforderungen daraus ableitet, daß sie auf der Liegenschaft der Klägerin Investitionen getätigt habe, ist darauf zu verweisen, daß einer Aufrechnung gegen den Anspruch auf Rückzahlung eines betrügerischen erlangten Darlehens die Bestimmung des § 1440 zweiter Satz ABGB entgegensteht (EvBl. 1967/469; Rummel a.a.O. Rz 13 zu § 1440 ABGB).
Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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