Normen
B-VG Art11 Abs2
JN §1
Sbg. ROG §20
VEG Art13
B-VG Art11 Abs2
JN §1
Sbg. ROG §20
VEG Art13
Spruch:
Art. 13 VEG ist eine Verfahrensbestimmung iS des Art. 11 Abs. 2 B-VG und daher auch auf Landesgesetze, die Entschädigungen für Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen vorsehen und nichts anderes anordnen, anzuwenden. Über Anträge nach § 20 Abs. 4 Salzburger Raumordnungsgesetz, LGBl. 1977/26, hat demnach das Gericht im außerstreitigen Verfahren unter Anwendung der Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes zu entscheiden
OGH 1. 6. 1983, 1 Ob 611/83 (LG Salzburg 33 R 836/82; BG Salzburg 3 Nc 138/82)
Text
Die Antragstellerinnen sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes 4/39 KG M. Durch die Abänderung des Flächenwidmungsplanes, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg 1979/21, wurde dieses Grundstück von Bauland, gemischtes Baugebiet, in Grünland, Gebiet für Sport- und Spielplätze sowie für Freibäder, umgewidmet. Diese Änderung trat am 2. 11. 1979 in Kraft. Über Antrag der Eigentümerinnen setzte die Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 23. 11. 1981, ZL. 7/13-2031/101- 1981, die von der Antragsgegnerin gemäß § 20 Abs. 4 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977, LGBl. 26 (im folgenden SbgROG), zu leistende Entschädigung mit 1 757 566 S fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragsgegnerin eine Beschwerde an den VfGH, der mit Beschluß des VfGH vom 19. 2. 1982, B 10/82-7, aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.
Mit dem am 1. 9. 1982 eingebrachten Antrag begehren die Antragstellerinnen gemäß § 20 Abs. 4 SbgROG die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages mit 13 570 070 S sA.
Die Antragsgegnerin, die Stadtgemeinde Salzburg, beantragte die Zurückweisung des Antrages, weil es sich nicht um eine Sache der außerstreitigen Gerichtsbarkeit handle; Art. 13 VEG 1925, BGBl. 277, sei, da es sich um eine Landesangelegenheit handle, nicht anwendbar. Fehle es aber an einer Bestimmung über die Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes, so sei über den Antrag gemäß § 1 AußStrG nicht im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. Der Antrag sei aber auch deshalb zurückzuweisen, weil der VfGH der Beschwerde der Antragsgegnerin aufschiebende Wirkung zuerkannt habe; zumindest sei das Verfahren bis zur Entscheidung des VfGH zu unterbrechen.
Das Erstgericht wies den Antrag infolge "Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges" zurück. Art. 13 VEG finde für Maßnahmen der Behörden und Gerichte im Rahmen der Raumplanung keine Anwendung. Maßnahmen der Raumplanung seien keine Enteignungen, sondern bloße Eigentumsbeschränkungen. Der Enteignungsbegriff des Art. 13 VEG sei somit auf Maßnahmen nach § 20 SbgROG nicht anwendbar. Die Entschädigung nach § 20 Abs. 4 SbgROG könne daher nur im streitigen Wege begehrt werden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug ihm unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf, das Verfahren über den Antrag auf Festsetzung der Entschädigung einzuleiten. Ein Vergleich mit den Raumordnungsgesetzen anderer Länder lasse die Schlußfolgerung zu, daß auch nach dem Salzburger Raumordnungsgesetz die gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 20 Abs. 1 SbgROG ist dem Eigentümer eines Grundstückes auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu gewähren, wenn durch den Flächenwidmungsplan die Verbauung seines Grundstückes gänzlich verhindert wird und dadurch eine Wertminderung entsteht, die für ihn eine unbillige Härte darstellt; eine solche unbillige Härte liegt insbesondere dann vor, wenn bei Wirksamwerden der Flächenwidmung bereits ein Bebauungsplan das Grundstück erfaßt hat oder für dieses bereits eine Bauplatzerklärung oder Baubewilligung erteilt worden ist oder sonst erwiesen ist, daß der Eigentümer ein zur Verbauung geeignetes Grundstück für Bauzwecke gewidmet hat (Abs. 2); zahlungspflichtig ist die Gemeinde (Abs. 3); nach Abs. 4 ist die Entschädigung von der Landesregierung durch Bescheid festzusetzen. Jeder der beiden Teile kann, wenn er sich durch die Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt hält, innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Bescheides die Festsetzung der Entschädigung durch das Gericht begehren. Mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes tritt der Bescheid der Landesregierung über die Höhe der zu leistenden Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entschädigung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden.
Die Antragsgegnerin vertritt in ihrem Revisionsrekurs die Ansicht, Art. 13 VEG sei nicht anzuwenden, weil es sich bei der Anordnung einer sukzessiven Zuständigkeit nicht um einen der Bedarfsgesetzgebung nach Art. 11 Abs. 2 B-VG zu unterstellenden Fall handle. Es werde nicht das Verwaltungsverfahren geregelt, sondern eine gerichtliche Zuständigkeit begrundet. Eine Enteignung iS dieser Bestimmung liege auch nicht vor, weil es sich nur um eine Eigentumsbeschränkung handle.
Da zur Zeit der Beschlußfassung im Nationalrat über das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, BGBl. 1925/273, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. 1925/274, das Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. 1925/275, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz, BGBl. 1925/276 (nunmehr sämtlich BGBl. 1950/172) und das Verwaltungsentlastungsgesetz, BGBl. 1925/277, die Kompetenzartikel des Bundes-Verfassungsgesetzes vom 1. 10. 1920 noch nicht in Kraft standen, wurde die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zu diesem Gesetzgebungsakt durch ein ebenfalls am 21. 7. 1925 erlassenes Bundesverfassungsgesetz begrundet (BGBl. 1925/271). Inhaltlich setzte dieses Bundesverfassungsgesetz mit seinem Art. I Abs. 1 den Art. 11 Abs. 1 B-VG in der ursprünglichen Fassung vom 1. 10. 1920 in seiner Z 7 sogleich in Kraft, welche Bestimmung die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahrens einschließlich der Zwangsvollstreckung sowie der allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes auch in Angelegenheiten vorsah, in denen die Gesetzgebung den Ländern zustand. Erst die Zweite Bundesverfassungsnovelle vom 7. 12. 1929, BGBl. 392, schuf in Ansehung des Verwaltungsverfahrens den Kompetenztypus der Bedarfsgesetzgebung des Bundes. Im Hinblick auf diese Verfassungsbestimmung sind seit dem 11. 12. 1929 die Verwaltungsverfahrensgesetze unter Gesetzgebungsakte einzuordnen, die der Bundesgesetzgeber unter Berufung auf Art. 11 Abs. 2 B- VG gesetzt hat. Die erforderlichen verfassungsrechtlichen Übergangsnormen finden sich in Art. II § 1 des Verfassungsüberleitungsgesetzes 1929, BGBl. 1929/393. Damit sind diese Gesetze seit 7. 12. 1929 ihrer verfassungsrechtlichen Herkunft nach so zu qualifizieren, als wären sie bereits in Handhabung der am 7. 12. 1929 eingeführten Bedarfsgesetzgebungszuständigkeit des Bundes erlassen worden (VfGHSlg. 3061/1956). Art. 11 Abs. 1 Z 7 B-VG idF des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 1925/271 enthielt nur eine demonstrative Aufzählung. Die Bestimmungen des Verwaltungsentlastungsgesetzes gelten daher insoweit auch für sonst in den Bereich der Landesgesetzgebung fallende Materien, als es sich dabei um die Regelung des Verwaltungsverfahrens handelt. Die Vorschrift des Art. 13 VEG enthält insofern auch eine das Verwaltungsverfahren entlastende und damit der Bedarfsgesetzgebung unterliegende Bestimmung, als die Entschädigungsfrage den Gerichten zugewiesen wurde (Rummel, Enteignungsentschädigung 25). Art. 13 VEG ist daher als Verfahrensbestimmung iS des Art. 11 Abs. 2 B-VG zu qualifizieren (Kühne - Hofmann - Nugent - Roth, Eisenbahnenteignungsgesetz 17 f.) und gilt auch für die Landesgesetzgebung, soweit diese nicht anderes anordnet.
Die Bestimmung des Art. 13 VEG ist nicht nur auf Enteignungen, die mit dem Eingriff eine Rechtsübertragung verbinden, sondern auch auf Eigentumsbeschränkungen anzuwenden, die nicht mit einer Rechtsübertragung auf einen Dritten verbunden sind. Der VfGH wies eine auf Art. 137 B-VG gestützte Klage eines Hauseigentümers, der eine Entschädigung dafür begehrte, daß die durch die Mietengesetzgebung bewirkte besondere Art der Enteignung des Hauseigentümers eine Verletzung des Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolles zur MRK darstelle, mit der Begründung zurück, daß, wenn eine besondere gesetzliche Regelung darüber, wer über einen konkreten, vom Kläger geltendgemachten Anspruch auf angemessene Entschädigung zu entscheiden habe, nicht bestehe, die Bestimmung des Art. 13 VEG anzuwenden sei (Slg. 7421/1974). Dieser Ansicht schloß sich der OGH unter Hinweis auf die Zuständigkeit des VfGH auf Entscheidung von Kompentenzkonflikten (Art. 138 Abs. 1 B-VG) in seiner denselben Fall betreffenden Entscheidung EvBl. 1976/124 an und hielt sie in seiner Entscheidung EvBl. 1982/152 aufrecht. Sie muß umsomehr gelten, wenn ein Gesetz eine Entschädigung für eine Eigentumsbeschränkung ausdrücklich anordnet und ein gerichtliches Verfahren vorsieht. Daß der Salzburger Landesgesetzgeber keine von Art. 13 VEG abweichende Regelung treffen wollte, zeigt sich auch aus der von ihm gewählten Terminologie. Bei Inanspruchnahme der dort angeordneten Sukzessivzuständigkeit der Gerichte hat der beeinträchtige Gründeigentümer nicht die Bezahlung einer Entschädigungssumme, sondern die Festsetzung der Entschädigung zu begehren. Der verfahrenseinleitende Schritt wird ausdrücklich als Antrag und nicht als Klage bezeichnet. Auch wird ähnlich der Vorschrift des § 20 Abs. 3 Bundesstraßengesetz angeordnet, daß der Antrag nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden kann. Zur Entscheidung über den vom Grundstückseigentümer gestellten Antrag nach § 20 Abs. 4 SbgROG ist daher das Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen gemäß Art. 13 VEG unter Anwendung der Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes zuständig.
Die von der Antragsgegnerin im Revisionsrekurs darin erblickte Nichtigkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes, daß ihr entgegen § 30 Abs. 4 EisbEG in zweiter Instanz das rechtliche Gehör verweigert worden sei, liegt nicht vor. Die Bestimmungen der §§ 30 Abs. 2 bis 5 EisbEG gelten nur für Rekurse gegen Entscheidungen über die zu leistende Entschädigung, somit nicht für die Frage, ob für die Festsetzung einer Entschädigung das außerstreitige Verfahren zur Anwendung kommt oder nicht (EvBl. 1976/124; JBl. 1973, 263 ua.).
Die Ansicht, daß die Anrufung des VfGH durch die Antragsgegnerin und die vom VfGH ihrer Beschwerde zuerkannte aufschiebende Wirkung die Antragstellung bei Gericht hindern könnte, wird von der Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht mehr aufrecht erhalten; sie stunde auch mit der ausdrücklichen Vorschrift des § 20 Abs. 4 SbgROG, wonach jeder Teil innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Bescheides der Landesregierung die Festsetzung der Entschädigungssumme durch das Gericht begehren kann, durch welche Antragstellung der Bescheid der Landesregierung über die Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt, in Widerspruch. Die Frage, ob das Verfahren zu unterbrechen ist, ist nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens (s. hiezu aber JBl. 1973, 263).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)