OGH 1Ob608/92

OGH1Ob608/9211.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Ewald W*****, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Maria H*****, vertreten durch Dr.Hans Bichler nd Dr.Wolfgang Spitzy, Rechtsanwälte in Wien, und 2.) Josefine F*****, vertreten durch Dr.Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 330.000,-- s.A., infolge von Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Mai 1992, GZ 14 R 5/92-34, womit infolge der Berufungen der beiden beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31.Oktober 1991, GZ 3 Cg 119/89-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die beiden Beklagten waren Gesellschafterinnen einer Kommanditgesellschaft; sie waren aus der Gesellschaft im Wege der Kündigung mit Ablauf des 31.12.1983 ausgeschieden. Für diesen Fall stand ihnen ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe eines bestimmten Hundertsatzes des Gesellschaftsvermögens zu. Mit getrennten, im Feber 1984 an das Handelsgericht Wien gerichteten Klagen machten sie ihre Auseinandersetzungsansprüche gegen die Kommanditgesellschaft und deren persönlich haftenden Gesellschafter in Höhe von je S 16,437.477,-- geltend. Die Kommanditgesellschaft war Alleingesellschafterin einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH und diese wiederum Alleingesellschafterin einer Brauerei-Aktiengesellschaft. Die Kommanditgesellschaft war außerdem zu 58,3 % an einer Landwirtschaftlichen Industriegesellschaft mbH beteiligt.

Das angerufene Gericht verband die beiden Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung und holte im Verfahren zur Bewertung der von den genannten Gesellschaften betriebenen Unternehmen Gutachten dreier Sachverständiger ein; dabei war der Wert von bebauten und unbebauten Grundstücken, Gebäuden, Grundstückseinrichtungen, Maschinen, Fahrzeugen und Geräten, von Betriebs- und Geschäftsausstattungen, Genossenschaftsanteilen, Vorräten u.ä. zu ermitteln. Die Gutachten umfaßten insgesamt etwa 1700 Seiten.

Nach dem Tod des gemeinsamen Vertreters der beiden Beklagten bevollmächtigten diese im November 1986 den Kläger und beauftragten ihn, die Verfahrenstaktik des bisherigen Vertreters in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu überprüfen und eine der raschen Beendigung des Verfahrens dienliche Vorgangsweise vorzuschlagen. Um diesem Auftrag nachzukommen, mußte der Kläger die Prozeßakten einschließlich der umfangreichen Gutachten studieren, zum besseren Verständnis des Akteninhaltes aber auch zusätzliche Informationen einholen. Er führte in diesem Zusammenhang zahlreiche Gespräche mit den Beklagten und deren Steuerberatern und in der Folge auch mit dem Vertreter der Gegenseite. Über Wunsch der Beklagten verfolgte er auch den Kursverlauf der Aktien der Brauerei-Aktiengesellschaft und prüfte deren Einfluß auf die Bewertung des Auseinandersetzungsguthabens.

Auf der Grundlage dieser Gespräche und Vergleichsverhandlungen des Klägers kam es schließlich 1987 zu einem (außergerichtlichen) Generalvergleich zwischen den Streitteilen, sodaß im Rechtsstreit Ruhen eintrat.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 330.000,-- s.A. und brachte hiezu vor, er habe die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung mit einem Streitwert von 27,5 Mio S durch einen Generalvergleich erfolgreich beendet und sein pauschal mit S 660.000,-- verrechnetes Honorar (einschließlich S 60.000,-- Umsatzsteuer) zum 15.1.1988 fälliggestellt. Die Beklagten hätten lediglich S 330.000,-- bezahlt. Die Einarbeitung in die Materie habe einen Arbeitsaufwand von einigen Tagen erfordert. Zur Aufbereitung der Akten für die Prozeßführung seien neben zahlreichen Gesprächen mit den Beklagten und deren Steuerberatern ausgedehnte und langwierige Gespräche mit der Gegenseite erforderlich gewesen. Zur Überprüfung der Bewertungen in den verschiedenen Gutachten und zur Überwachung der Aktien seien umfangreiche Vorarbeiten notwendig gewesen. Seine Leistungen seien überwiegend nicht urkundlich aufgezeichnet, ergäben sich aber aus dem Umfang der Gerichtsakten, den Gutachten und dem Vergleich. Nach anwaltlichem Honorarrecht habe er anstelle von Einzelleistungen einen Hundertsatz der Bemessungsgrundlage in Rechnung stellen dürfen. Das verrechnete Honorar entspreche auf einer Basis von rund 275 Mio S etwas mehr als 2 %.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, durch die Zahlung eines Betrages von S 330.000,-- seien die berechtigten Honoraransprüche des Klägers zur Gänze abgegolten. Seine Leistungen seien im wesentlichen nach TP 5, 6, 7 und 8 RAT zu bewerten. Eine Pauschalverrechnung kenne das Rechtsanwaltstarifgesetz ebensowenig wie einen Erfolgszuschlag.

Im Zuge des Verfahrens ergänzte der Kläger sein Vorbringen dahin, um seiner Aufgabe gerecht zu werden, habe er die ihm bis dahin unbekannten Akten mit der gebotenen juristischen Sorgfalt studieren, Querschlüsse ziehen und das Arbeitsergebnis in schwierigen Vergleichsverhandlungen umsetzen müssen. Allein zum Studium der Gutachten sei ein Zeitaufwand von mindestens 60 Stunden erforderlich gewesen, wofür gemäß TP 7 RAT ein Betrag von S 2.744,-- je halber Stunde und insgesamt ein solcher von S 329.280,-- gebühre. Weitere Leistungen seien einem gleichzeitig vorgelegten Verzeichnis zu entnehmen; überdies habe er Vergleichsverträge entworfen. Nach Leistungen aufgegliedert, seien für die Vergleichsverträge ein Betrag von S 91.549,--, für die Leistungen laut Verzeichnis einschließlich Aktenstudiums S 525.599,-- und zuzüglich der Umsatzsteuer (S 61.714,80) und der Barauslagen von S 538,50 ein Gesamtbetrag von S 679.401,30 gerechtfertigt.

Die Beklagten wendeten dagegen insbesondere ein, weder die behauptete Dauer des Aktenstudiums noch die dafür verrechnete Tarifpost sei richtig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, das Honorar des Klägers richte sich nach § 2 Abs.2 RATG, weil Umfang und Art der Leistungen des Klägers den Durchschnitt erheblich überstiegen. Deshalb sei seine Entlohnung unabhängig vom Rechtsanwaltstarif unter Berücksichtigung der tatsächlich aufgewendeten Zeit und Mühe angemessen festzusetzen. Die detaillierte Überprüfung der Gutachten sei schon angesichts des Streitwertes geboten gewesen. Ferner hätten steuerrechtliche Aspekte die Vorgangsweise des Rechtsanwalts beeinflußt. Er habe den Beklagten die günstigste Variante vorschlagen müssen. Der Umfang der Gutachten überschreite das durchschnittliche Ausmaß erheblich. Allein die Gebühr für die Mühewaltung des bautechnischen Sachverständigen sei mit S 384.000,-- festgesetzt worden. Der anwaltliche Sachverständige habe eine Mehrentlohnung von 100 % gemäß § 2 Abs.2 RATG als angemessen erachtet. All dies rechtfertige die Anwendung dieser Bestimmung und daher die Erhöhung des Honorars auf den doppelten Betrag.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in Erledigung der Rechtsrüge der beiden Beklagten aus, Rechtsanwälte seien im zivilgerichtlichen Verfahren nach dem Rechtsanwaltstarif zu entlohnen. Dabei handle es sich zwar um nachgiebiges Recht, es sei aber keine Honorarvereinbarung getroffen worden. Gemäß § 2 Abs.2 RATG könne der Rechtsanwalt trotz fehlender Entlohnungsvereinbarung einen durch besondere Umstände gerechtfertigten höheren Anspruch geltend machen. Der Kläger habe zunächst die Methode zur Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens der Beklagten und danach die Bewertungsgrundsätze ermitteln und auf deren Grundlage zahlreiche Liegenschaften unterschiedlichster Nutzung sowie zwei lebende Unternehmen mit unterschiedlichstem Anlage- und Umlaufvermögen nach Sach- und Ertragswert schätzen bzw. die umfangreichen Gutachten einer kritischen Analyse unterziehen müssen. Eine genaue Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt, die zweifellos einen großen, vom Kläger selbst auf etwa 120 halbe Stunden geschätzten Zeitaufwand erfordert habe, sei als selbstverständlich anzusehen. Ebenso selbstverständlich sei es, daß der Zeitaufwand für das Aktenstudium für die Bemessung des Honorars bestimmend sein müsse. Daß der Kläger ohne diese sachliche Auseinandersetzung eine erfolgreiche Verhandlungsstrategie hätte entwickeln können, hätten die Beklagten in erster Instanz nicht vorgebracht. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger einen weit überdurchschnittlichen Zeitaufwand gehabt habe, sodaß die Anwendung des § 2 Abs.2 RATG gerechtfertigt sei. Rechtfertigten die nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz verzeichneten Leistungen des Klägers (ausgenommen den Zeitaufwand) eine Entlohnung von S 317.193,30, sei das vom Kläger verzeichnete Honorar angemessen. Zu bemerken sei noch, daß der Kläger seinen Anspruch primär nicht auf Einzelleistungen nach dem Rechtsanwaltstarif gestützt, sondern angesichts seines Zeitaufwandes eine Pauschalhonorierung angestrebt habe.

Die von den beiden Beklagten gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobenen Revisionen sind im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf den durch Inanspruchnahme der Leistungen des Klägers als Rechtsanwalt zustandegekommenen Vertrag finden in erster Linie die Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung und hilfsweise die §§ 1002 ff ABGB über den Bevollmächtigungsvertrag Anwendung (SZ 62/102 uva;

Stanzl in Klang2 IV/1, 794). Der Rechtsanwalt hat demgemäß - soweit er nicht seinem Klienten die Unentgeltlichkeit seiner Leistungen zusicherte - Anspruch auf das vereinbarte Honorar (§ 17 Abs.1 RAO);

ist aber - wie im vorliegenden Fall - überhaupt keine Entgeltvereinbarung getroffen worden, gebührt ihm eine angemessene Entlohnung. Soweit Tarife bestehen, sind in der Regel deren Ansätze als angemessenes Entgelt anzusehen (AnwBl. 1991, 54; SZ 62/102 uva). Für die Entlohnung anwaltlicher Leistungen ist das der Rechtsanwaltstarif, der gegebenenfalls auch sinngemäß anzuwenden ist (EvBl. 1972/124 ua); auch den von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtanwaltskammertages gemäß § 37 RAO beschlossenen Autonomen Honorar-Richtlinien (AHR) kommt in diesem Zusammenhang Bedeutung zu. Auch wenn ihnen kein normativer Charakter beigemessen werden kann (AnwBl. 1991, 54; 1 Ob 598/91), stellen sie doch ein kodifiziertes Gutachten über die Angemessenheit der im Rechtsanwaltstarifgesetz nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen dar (SZ 51/27; 1 Ob 598/91 uva; Grillberger in Schwimann, ABGB § 1152 Rz 20).

Eine perzentuelle Festsetzung des Honorars ist in diesen Tarifen nicht vorgesehen; auch die Verrechnung eines Pauschalbetrages kommt - mangels entsprechender Honorarvereinbarung - nicht in Betracht; sie widerspräche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Rechnungslegung, die alle für die Überprüfung der Angemessenheit erforderlichen Angaben enthalten muß (SZ 62/102 mwN). Dennoch verrechnete der Kläger den beiden Beklagten zunächst ein Pauschalhonorar; auf diese Verrechnung berief er sich selbst noch in seiner Klageschrift. Erst über Aufforderung durch das Erstgericht legte er im Zuge des Verfahrens (ON 11) ein Leistungsverzeichnis vor, das er den Beklagten bis dahin vorenthalten hatte; darin stellte er diesen neben dem Honorar für den (außergerichtlichen) Vergleichsvertrag im Betrag von S 91.549,-- - nunmehr entsprechend aufgeschlüsselt - "sonstige Leistungen" im Gesamtbetrag von S 525.599,-- (zuzüglich 10 % Umsatzsteuer) - in Rechnung, berechnete darin allein aber für das Aktenstudium in der Dauer von 120 halben Stunden einen Betrag von S 329.280,-- (ausschließlich der Umsatzsteuer); dazu berief er sich ausdrücklich auf den (Höchst-)Satz der TP 7 RAT (damals S 2.744,-- je halbe Stunde). Zur Erläuterung dieses weitaus größten Leistungspostens brachte er vor, allein die vom Prozeßgericht im Vorprozeß eingeholten Sachverständigengutachten umfaßten etwa 1700 Seiten, deren Studium bereits den angesprochenen Zeitaufwand erfordert habe (ON 11).

Soweit nun die Beklagten ins Treffen führen, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Geltendmachung dieses Honoraranspruches nicht auf die von den Vorinstanzen herangezogene Bestimmung des § 2 Abs.2 RATG berufen, kann ihnen allerdings nicht gefolgt werden. Mit dem vorbereitenden Schriftsatz (ON 11), mit dem er das Leistungsverzeichnis vorlegte, brachte der Kläger immerhin vor, die von ihm zu bearbeitenden Materien hätten sich "auf und zwischen" den Sachgebieten des Rechtswesens, der Unternehmens- und Liegenschaftsbewertung, des Brauereiwesens, der Mathematik etc. bewegt, sodaß der allein für das Studium der Gutachten erforderliche Zeitaufwand mit zumindest 120 halben Stunden angesetzt werden müsse. Auch wenn er sich in diesem Zusammenhang auf die Ansätze der TP 7 RAT berief, kann seinem Vorbringen doch nicht unterstellt werden, daß er die Prüfung seines Honoraranspruchs ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt anstrebte. Der Sache nach machte er damit zweifellos auch besondere Umstände und seine besondere Inanspruchnahme - als Voraussetzungen für den erhöhten Honoraranspruch nach § 2 Abs.2 RATG - geltend (1 Ob 9/65). Dagegen kann sich der Kläger allein auf das vom Erstgericht zur Prüfung der Angemessenheit des eingeklagten Honoraranspruchs eingeholte Sachverständigengutachten zur Rechtfertigung seines Begehrens schon deshalb nicht berufen, weil die Frage, ob und inwieweit dem Rechtsanwalt im Einzelfall ein erhöhter Honoraranspruch gegen seinen Klienten zuzubilligen ist, keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage ist, die das Gericht unabhängig vom Ergebnis der in Auftrag gegebenen Begutachtung zu lösen hat (vgl. EvBl. 1972/124); ob der vom Kläger behauptete Zeitaufwand für das Aktenstudium erforderlich war, um einen erfolgversprechenden Vergleichsvorschlag zu erarbeiten, hat der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige dagegen in seinem Gutachen nicht erörtert.

Im übrigen hat sich der Kläger im Ergebnis zu Recht auf TP 7 (Abs.2) RAT berufen. Wohl sieht der Rechtsanwaltstarif - in TP 7 Abs.3 - einen besonderen Ansatz bloß für das Aktenstudium des Rechtsanwalts bei Behörden vor, sodaß die unmittelbare Anwendung dieses Tarifansatzes auf das vom Kläger in Rechnung gestellte Studium der Prozeßakten nicht in Betracht kommt, weil mangels anderslautender Behauptung davon auszugehen ist, daß er die Akten in der eigenen Kanzlei studierte; es kann wohl auch unterstellt werden, daß ihm sein Vorgänger die wesentlichen Aktenbestandteile - namentlich auch die im Vorprozeß eingeholten Gutachten - nach der Übernahme der Vertretung zumindest in Ablichtung überlassen hat.

Dennoch erscheint es angemessen, das Aktenstudium des Klägers unter Bedachtnahme auf § 2 Abs.2 RATG doch nach TP 7 Abs.2 RAT zu honorieren, also wegen der besonderen Umstände und der von den Beklagten veranlaßten besonderen Inanspruchnahme dem Aktenstudium bei Behörden gleichzuhalten. Diese im § 2 Abs.2 RATG genannten besonderen Umstände (bzw. besondere Inanspruchnahme) sind anzunehmen, wenn das Aktenstudium in der eigenen Kanzlei nach Art und Umfang das zur Vorbereitung anwaltlicher Leistungen üblicherweise notwendige Aktenstudium erheblich übersteigt. Das ist nach § 4 AHR - die, wie schon erwähnt, bei der Prüfung der Angemessenheit im Rechtanwaltstarif nicht besonders geregelter anwaltlicher Leistungen herangezogen werden können - an den Kriterien der Verantwortlichkeit, des Umfangs, der Mühewaltung und des Ergebnisses der Leistung sowie der persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers zu beurteilen. Werden der dem Kläger von den Beklagten anläßlich seiner Bevollmächtigung erteilte Auftrag, den schon mehrere Jahre anhängigen Rechtsstreit rasch und für die Beklagten möglichst günstig durch einen Vergleich zu beenden, der exorbitant hohe Streitwert, das daraus resultierende Prozeßrisiko, die damit verbundene Verantwortung des Klägers, der Umfang des Streitakts, in den sich der Kläger nach der Übernahme der Vertretung erst einarbeiten mußte, und nicht zuletzt auch die Tatsache in Rechnung gestellt, daß er binnen weniger Monate einen Generalvergleich zustandebrachte, der die Vorstellungen der Beklagten in jeder Hinsicht zufriedenstellte, so sind die im § 2 Abs.2 RATG für die Erhöhung des Honorars geforderten besonderen Umstände zweifellos gegeben.

Dieses Ergebnis erscheint übrigens auch angesichts der Bestimmung des § 7 Abs.3 AHR (in der derzeit geltenden Fassung - vgl. Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 26.1.1992) gerechtfertigt, obgleich sie in dieser Fassung bei Beendigung der anwaltlichen Vertretung der Beklagten durch den Kläger noch nicht Inhalt der Autonomen Honorar-Richtlinien war. Danach ist TP 7 Abs.2 RAT bei der Abrechnung des Honorars nach Einzelleistungen auch für ein Aktenstudium in der eigenen Kanzlei des Rechtsanwalts, das nach Art und Umfang das zur Vorbereitung anwaltlicher Leistungen üblicherweise notwendige Aktenstudium erheblich übersteigt, anwendbar; das ist wiederum nach den oben wiedergegebenen Kriterien des § 4 AHR zu beurteilen. Da die Standesvertretung der österreichischen Rechtsanwälte mit den Autonomen Honorar-Richtlinien die Angemessenheit des Honorars für jene anwaltlichen Leistungen, die im Rechtsanwaltstarifgesetz nicht geregelt sind, begutachtet (SZ 51/27 uva), kann angenommen werden, daß die Abgeltung des Aktenstudiums unter den dort näher umschriebenen besonderen Umständen nach TP 7 Abs.2 RAT (entsprechend den zur fraglichen Zeit maßgeblichen Ansätzen) auch schon vor Einfügung dieser Bestimmung angemessen war.

Dennoch erweist sich die Rechtssache noch nicht als spruchreif. Die Beklagten haben den behaupteten Zeitaufwand von 120 halben Stunden bestritten und noch in der Revision darauf hingewiesen, daß das Erstgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, die eine verläßliche Beurteilung der Frage zuließen, ob der vom Kläger behauptete Zeitaufwand nun tatsächlich erforderlich war; dabei ist vor allem zu berücksichtigen, daß der Kläger die Gutachten im Vorprozeß der Verfassung des Vergleichsvorschlages offenbar zugrundelegte, ohne gegen deren Richtigkeit remonstrieren oder auch nur Bedenken anmelden zu müssen.

Die Feststellungen über den erforderlichen Zeitaufwand wird das Erstgericht - gegebenenfalls nach Ergänzung des von ihm eingeholten Gutachtens - im fortgesetzten Verfahren nachzutragen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

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