OGH 1Ob58/97d

OGH1Ob58/97d15.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Josef H*****, und 2.) Günther H*****, beide vertreten durch Dr.Alois Siegl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Hedwig H*****, vertreten durch Dr.Hans Günther Medwed und Mag.Heinz Kupferschmid, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit (Streitwert 80.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 19.Dezember 1996, GZ 5 R 391/96y-27, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Erblasser war Eigentümer zweier angrenzender Liegenschaften mit den Häusern 4 und 5, die zu seinen Lebzeiten eine bauliche Einheit mit zahlreichen Verflechtungen darstellten. Nach seinem Tod überließ seine Witwe, die Beklagte und Stiefmutter der beiden Kläger, diesen zur Abfindung von deren Pflichtteilsansprüchen mit Pflichtteilsberichtigungsübereinkommen vom 21.September 1987 (im folgenden Übereinkommen) die Liegenschaft mit dem Haus Nr 5 zu gleichen Teilen an Zahlungsstatt. Die Kläger sind somit jetzt je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Nr 5; die Beklagte ist Alleineigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus Nr 4. Im Übereinkommen wurden die räumliche Trennung der beiden Häuser und die Trennung der Wasserzufuhr im einzelnen geregelt. Die Frage des de facto bestehenden Kanalstrangs vom Haus Nr 5 in den Abwasserstrang des Hauses Nr 4 (in dessen Keller) blieb bei der Abhandlung unberührt und unberücksichtigt; auf diese Regelung wurde vergessen. Die Beklagte stellte in der Berufungsverhandlung nach Erörterung außer Streit, ihr sei bei Abschluß des Übereinkommens bekannt gewesen, daß Haus Nr 5 seine Abwässer über Haus Nr 4 entsorge mit der Ergänzung, sie habe die Absicht gehabt, im Rahmen der gewollten vollständigen Trennung eine solche auch in Ansehung des Kanals herbeizuführen; dies sei aber übersehen worden.

Nach Lehre und Rechtsprechung entsteht bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne entsprechende Vereinbarung und ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit. Dabei wird angenommen, daß der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand die Natur einer Dienstbarkeit hat und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, daß ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (grundlegend SZ 57/38 = NZ 1987, 22 [Hofmeister] mwN; JBl 1989, 751 ua; RIS-Justiz RS0011618; Petrasch in Rummel 2 § 480 ABGB Rz 2; Pimmer in Schwimann, § 481 ABGB Rz 16, je mwN; Klang in Klang 2 II 551). Im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstücks müssen Anlagen vorhanden sein, die den Zweck des Dienens offenkundig erkennen ließen. Solche Anlagen - die Entscheidungen MietSlg 32.030 und 31.043 nennen als Anlagen ausdrücklich einen Abwasserkanal und eine Wasserleitung - liegen hier vor und waren der Beklagten bei Abschluß des Übereinkommens auch bekannt. Nach der Rechtsprechung wird es als ausreichend erachtet, wenn der Erwerber der dienenden Liegenschaft die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit kannte oder im Hinblick auf offenkundige Verhältnisse wenigstens hätten kennen müssen (RIS-Justiz RS0011643).

Lehre und Rechtsprechung bringen insoweit eine Auslegungsregel zum Ausdruck. Selbstverständlich können die Parteien eines Vertrags etwas anderes ausdrücklich oder schlüssig vereinbaren; so ist es denkbar, daß das Entstehen einer Servitut ungeachtet des Bestehens von Anlagen, die das zurückbehaltene Grundstück als ein dem veräußerten dienendes erkennen lassen, durch Vereinbarung ausgeschlossen wird. Das ist aber nicht die Regel (JBl 1989, 721). Eine ausdrückliche Vereinbarung der Streitteile, daß in Ansehung des Kanals keine Dienstbarkeit entstehen solle, liegt nach den Feststellungen nicht vor. Die von der Beklagten ventilierte Frage, ob die Absicht der Parteien, mit dem Pflichtteilsberichtigungsübereinkommen eine vollkommene Trennung der beiden Häuser herbeizuführen, eine schlüssige Vereinbarung dahin, daß auch der Kanalstrang abzukoppeln sei, tragen könnte, ist im Rahmen einer außerordentlichen Revision - zumal die verneinte Auffassung der zweiten Instanz jedenfalls vertretbar erscheint - nicht zu klären, weil die Bedeutung der Rechtsfrage nach dem Wortlaut und auch dem Zweck des § 502 Abs 1 ZPO erheblich sein muß. Daraus folgt, daß die Lösung einer Rechtsfrage, deren Bedeutung über den Anlaßfall nicht hinausgeht, keine erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung haben kann, weil dies voraussetzt, daß sie auch für andere Fälle in Betracht kommt. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt daher im allgemeinen die Zulässigkeit der Revision aus (ZVR 1989/131; VersRdSch 1989, 60 und MietSlg 36.789 je mwN). Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Parteienerklärungen, von denen nicht anzunehmen ist, daß sie in vergleichbarer Form neuerlich vorkommen, begründet wegen der über den Anlaßfall nicht hinausgehenden Bedeutung die Zulässigkeit der Revision im allgemeinen nicht. Soweit die zweite Instanz hier das Vorliegen einer schlüssigen Vereinbarung im Ergebnis verneinte, liegt daher angesichts der Einzelfallbezogenheit darin keine erhebliche Rechtsfrage. Von einer auffallenden Fehlbeurteilung kann keine Rede sein, weil sich das aus dem Übereinkommen unbestreitbar ersichtliche Wollen, die beiden Häuser an sich räumlich zu trennen, doch nicht jedenfalls auch auf den Hauskanal erstrecken mußte, weil die Entflechtung des Kanalsystems gewiß außerordentlich schwierig und kostenaufwendig ist und die Parteien auch durchaus bereit sein konnten, von der Absicht der Entflechtung in diesem Belange deshalb halt zu machen. Das Auslegungsergebnis des Erstgerichts kann schon deshalb einer strengen Prüfung iSd § 863 ABGB nicht standhalten.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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