OGH 1Ob572/93

OGH1Ob572/9322.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann F*****, vertreten durch Dr. Albrecht Schröder, Rechtsanwalt in Rohrbach, wider die beklagte Partei ***** M***** Gesellschaft mbH, Handel mit Gebrauchtwagen, ***** vertreten durch Dr. Helfried Krainz, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 195.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24. März 1993, GZ 2 R 2/93-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31. August 1992, GZ 5 Cg 232/91-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 8.836,20 (darin enthalten S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 30.11.1990 schlossen die Streitteile einen Kommissionsvertrag, nach welchem ein im Eigentum des Klägers befindlicher PKW der Marke BMW der Beklagten zum kommissionsweisen Verkauf übergeben wurde. Das Fahrzeug wurde vom Kläger zum Standplatz der Beklagten nach H***** gebracht, wo es vom Autoabstellplatz der Beklagten gestohlen wurde. Hiedurch ist dem Kläger ein Schaden im Betrage von S 195.000,-- entstanden.

Der Kläger begehrt den Ersatz des genannten Schadensbetrages. Er brachte vor, die Beklagte habe ihrer kaufmännischen Sorgfaltspflicht nicht entsprochen. Sie habe den übergebenen PKW frei zugänglich an der Geländeausfahrt abgestellt. Der Autoschlüssel sei lediglich in einem Schlüsseltresor der Marke „B*****“ verwahrt worden, wobei dieser Tresor in ein Seitenfenster des PKWs eingehängt worden sei. Für fachkundige Täter sei die Entfernung des Schlüsseltresors und das Öffnen des PKWs leicht gewesen. Die Verwendung des Schlüsseltresors ohne weitergehende Diebstahlssicherung entspreche nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns.

Die Beklagte wendete ein, ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt zu haben. Die von ihr vorgenommene Art der Schlüsselverwahrung entspreche dem modernsten Stand der Technik und sei im Gebrauchtwagenhandel allgemein üblich. Darüber hinaus sei der Kläger mit der Art der Verwahrung seines Fahrzeugs einverstanden gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe im Zuge der Übergabe seines Fahrzeugs an die Beklagte erkannt, daß deren Abstellplatz nicht eingezäunt gewesen sei. Das Fahrzeug des Klägers sei bei der Einfahrt des Verkaufsgeländes so abgestellt worden, daß niemand habe auf das Gelände fahren können. Der Schlüsseltresor sei beim Seitenfenster des PKW eingehängt worden. Das Schließen des Seitenfensters sei nach Einhängen des Tresors nicht vollständig möglich. Aufgrund dessen könne der Schlüsseltresor durch Hinunterdrücken der Scheibe und Verbiegen der Befestigungslasche in nicht einmal zwei Minuten aus dem Auto entfernt werden. Das Öffnen des Schlüsseltresors sei daraufhin innerhalb von fünf Minuten möglich. Spätestens nach 15 Minuten sei ein fachkundiger Dieb im Besitz des Autoschlüssels. Die Beklagte habe auf ihrem gesamten Gelände bei allen von ihr angebotenen Fahrzeugen diese Art der Schlüsseltresore verwendet, um die Autoschlüssel zu verwahren. Autohändler, die Schlüsseltresore verwenden, würden grundsätzlich ihre Abstellplätze mit Hindernissen sichern. Schlüsseltresore ohne ausreichende Geländesicherung seien nicht zu empfehlen. Dennoch habe die Beklagte mit der von ihr vorgenommenen Verwahrung des Schlüssels den Anforderungen, die an einen Kaufmann gestellt werden müßten, Genüge getan, weil zum unbefugten Aufbrechen des Schlüsseltresors erhebliche Gewalt unter Einsatz von Einbruchswerkzeugen notwendig sei. Mit der Verwahrung des klägerischen PKW auf einem nicht abgegrenzten Verkaufsplatz habe sich der Kläger schlüssig einverstanden erklärt. Das Verlangen einer Geländesicherung stelle eine Überspannung der kaufmännischen Sorgfaltspflichten dar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens Folge. Die Beklagte habe bei der Verwahrung des ihr kommissionsweise zum Verkauf übergebenen Fahrzeugs nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten lassen. Es hätte der Beklagten erkennbar sein müssen, daß es zusätzlicher Absicherungen bedarf, um bei Verwendung eines Schlüsseltresors auf die beschriebene Art eine ähnliche Sicherheit zu erreichen wie bei versperrten Fahrzeugen, bei denen der Schlüssel nicht im Fahrzeug zurückgelassen wird. Wenn auch dem Kläger bekannt gewesen sei, daß eine Absperrung bzw. Einzäunung des Autoabstellplatzes nicht existierte, so habe die Beklagte nicht einmal behauptet, daß der Kläger von der Verwendung der Schlüsseltresore oder dem Umstand, daß sein Fahrzeug direkt in der Einfahrt zum Betriebsgelände (quasi als Diebstahlsschutz für andere Fahrzeuge) abgestellt werde, gewußt habe. Von einer schlüssigen Genehmigung der (unzureichenden) Verwahrung seines Fahrzeugs könne daher nicht die Rede sein.

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil die Konkretisierung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht nur an Hand von Einzelfällen erfolgen kann, und bezüglich der Frage, wie die Verwahrung eines kommissionsweise zum Verkauf übergebenen PKWs zu erfolgen habe, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiert.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 390 Abs. 1 HGB ist der Kommissionär für den Verlust und die Beschädigung des in seiner Verwahrung befindlichen Gutes verantwortlich, es sei denn, daß der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnten. Der Kommittent (hier: der Kläger) muß beweisen, daß der PKW während oder infolge der Verwahrung durch den Kommissionär beschädigt wurde oder verlorengegangen ist. Der Kommissionär (hier: die Beklagte) kann sich frei beweisen. Er muß nachweisen, daß er mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vorgegangen ist und daß weder er noch seine Erfüllungsgehilfen den Verlust ganz oder teilweise abwenden hätten können (HS 692; SZ 27/226; Koller in Staub, Großkommentar HGB4 Rz 6 zu § 390; Schlegelberger-Hefermehl, HGB5 Rz 11 zu § 390). Hiebei genügt der Nachweis großer Wahrscheinlichkeit. Welche Sorgfalt anzuwenden ist, richtet sich nach den im Einzelfall gegebenen Umständen. Entscheidend ist, ob die vom Kommissionär gesetzten Maßnahmen verkehrsüblich sind bzw. ob verkehrsübliche Maßnahmen unterlassen wurden (Koller in Staub, aaO, Rz 6 zu § 390). Der Kommissionär ist von der Haftung auch dann frei, wenn der Kommittent die Art der Verwahrung in Kenntnis der Risken ausdrücklich oder schlüssig genehmigt und die Schäden durch diese Art der Verwahrung entstehen (Griß-Reiterer in Straube, Kommentar zum HGB, Rz 1 f zu § 390). Nach Ansicht des erkennenden Senates ist die Verwahrung eines Fahrzeuges durch einen mit dem kommissionsweisen Verkauf beauftragten Autohändler so vorzunehmen, daß der Diebstahl des Fahrzeuges nur unter Überwindung beträchtlicher Hindernisse möglich ist. Nur dann hat der Kommissionär der ihn treffenden Sorgfaltspflicht entsprochen. Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den hier vorliegenden Fall bewirkt, daß die Beklagte für den dem Kläger entstandenen Schaden (aufgrund des Verlustes des Fahrzeugs) haftet. Den getroffenen Feststellungen nach ist es nicht verkehrsüblich, Schlüsseltresore der von der Beklagten verwendeten Art zur Verwahrung der Autoschlüssel zu benützen, ohne daß eine weitergehende Sicherung des jeweiligen Autoabstellplatzes, zB durch Schranken oder eine Einzäunung, vorgenommen wird (siehe AS 119). Es würde die kaufmännische Sorgfaltspflicht sicherlich überspannen, die ständige Bewachung eines Autoabstellplatzes zu fordern. Es ist aber von einem Autohändler zu verlangen, bei Verwendung von Schüsseltresoren Maßnahmen zu setzen, die über die Verwahrung des Autoschlüssels in einem solchen Tresor hinaus weitergehende Sicherheit gegen Diebstahl bieten. Wenn nämlich das Öffnen des Seitenfensters, an welchem der Schlüsseltresor befestigt ist und die Abnahme dieses Tresors innerhalb kürzester Zeit und ohne große Kraftanstrengung und sogar ohne Verwendung von Werkzeugen möglich ist, und wenn weiters das Öffnen eines Schlüsseltresors der von der Beklagten verwendeten Art nur relativ kurze Zeit in Anspruch nimmt, kann von einer ordnungsgemäßen Verwahrung des PKW bei Unterlassung weiterer Sicherungsmaßnahmen nicht die Rede sein. Der Umstand, daß der klägerische PKW praktisch als Diebstahlsschutz in den Bereich der Einfahrt gestellt wurde, um ein Ein- und auch Ausfahren von anderen Fahrzeugen auf das bzw. vom Autoabstellgelände der Beklagten zu verhindern, konnte naturgemäß hinsichtlich des klägerischen PKW keinen Diebstahlsschutz bewirken. Ob im vorliegenden Einzelfall die Anbringung eines Schrankens, die Umzäunung des Autoabstellplatzes oder sonst eine Sicherungsmaßnahme zielführend gewesen wäre, braucht nicht weiter untersucht werden, da die von der Beklagten vorgenommene Sicherungsmaßnahme der Verwahrung des PKW-Schlüssels in einem Schlüsseltresor, der sich im Fahrzeug befand, nicht ausreichend ist.

Wie schon das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, hat der Kläger der Verwahrung seines Fahrzeugs auf die von der Beklagten vorgenommene Weise weder ausdrücklich noch schlüssig zugestimmt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen (AS 129) ist zu verweisen. Die Beklagte bringt in der Revision auch nicht vor, daß der Kläger von der Verwendung der Schlüsseltresore und von der Plazierung seines Fahrzeugs in der Einfahrt zum Betriebsgelände gewußt habe.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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