Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wir aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 19. 5. 1999 ereignete sich in den Gewässern zweier Flüsse ein Fischsterben großen Ausmaßes. Ausgangspunkt hiefür war die Einleitung giftiger Substanzen in die Kläranlage der beklagten Partei und von dort in eines dieser Gewässer. Die beklagte Partei sammelt das gesamte Abwasser einer Region und leitet dieses durch seine Kläranlage. Die geklärten Abwässer werden in eines der Gewässer, in denen das Fischsterben auftrat, abgeleitet.
Die erstklagende Partei und die vier weiteren klagenden Parteien, allesamt Fischereiberechtigte in Revieren der betroffenen Gewässer, begehrten den Ersatz des ihnen durch das Fischsterben verursachten Schadens in unterschiedlicher Höhe, der durch die Einleitung von Cyaniden aus dem Betrieb der beklagten Partei in eines der Gewässer entstanden sei. Insbesondere wurden die Ersatzansprüche auf § 26 WRG und auf die Bestimmungen des Nachbarrechts des ABGB gestützt.
Die beklagte Partei wendete ein, sie könne als Betreiber der Kläranlage keine Vorkehrungen gegen die Einleitung solcher giftiger Substanzen durch Dritte treffen. Das Fischsterben sei ihrerseits daher nicht verhinderbar gewesen. Die Einleitung der Cyanide in das Kanalsystem und letztlich in die - von ihr betriebene - Kläranlage sei von der Nebenintervenientin verursacht worden. Diese wendete ein, für das Fischsterben nicht verantwortlich zu sein, weil dessen Ursache nicht die Einleitung von Cyaniden aus ihrem Betrieb gewesen sei. Es mangle überdies für die Einleitung komplexer Cyanide in das öffentliche Kanalnetz an einer wasserrechtlichen Beschränkung.
Das Erstgericht beschränkte den Gegenstand des Verfahrens auf die Entscheidung dem Grunde nach und darüber hinaus auf die von der erstklagenden Partei geltend gemachten Ansprüche. Es sprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für den Schaden, der durch das im Mai 1999 aufgetretene Fischsterben in zwei Gewässern verursacht worden sei, dem Grunde nach hafte. Die in die Kläranlage gelangten und dort geklärten Abwässer seien in eines der Gewässer, an denen die erstklagende Partei fischereiberechtigt sei, abgeleitet worden und hätten giftige Substanzen enthalten, die von der Nebenintervenientin in das Kanalnetz geleitet worden seien. Der der beklagten Partei erteilte wasserrechtliche Bewilligungsbescheid vom 12. 1. 1981 habe die Einleitung gebundener Cyanide, die als Ursache des Fischsterbens anzusehen seien, nicht umfasst. Für die Einleitung komplexer Cyanide gebe es keine "wasserrechtlichen Grenzwerte". Durch Sonnenlicht komme es zu fotolytischer Spaltung der komplexen Cyanide, sodass freie Cyanide entstünden, die für Fische tödlich sein könnten. Der beklagten Partei als Betreiberin der Kläranlage sei keine bescheidmäßige Beschränkung für die Einleitung von Cyaniden auferlegt. Die Nebenintervenientin sei bei der Einleitung dieser Stoffe gemäß Bescheid vom 5. 6. 1985 mit 1 mg/l beschränkt worden. Durch chemische Reaktionen sei toxisches Cyanid im Wasser freigesetzt worden. Bei der Bewilligung der Kläranlage sei nicht - oder wenn überhaupt - nur in einem geringen Umfang mit einem derartigen Schadenseintritt - Schädigung des Fischbestands - gerechnet worden. Demnach hafte die beklagte Partei als Betreiberin der Kläranlage nach § 26 WRG für die Einleitung komplexer Cyanide, auch wenn sie von dritter Seite stammten. Die beklagte Partei habe für die Schäden der erstklagenden Partei aufzukommen.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es das von der erstklagenden Partei erhobene Klagebegehren auf Zahlung von 74.166,31 EUR abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die verschuldensunabhängige Haftung nach § 26 Abs 2 WRG habe den Zweck, die durch eine behördlich genehmigte Anlage erfolgenden enteignungsgleichen Eingriffe zu entschädigen, weil sich der Betroffene infolge der erteilten behördlichen Bewilligung gegen die vom genehmigten Betrieb ausgehenden Einwirkungen nicht oder nicht rechtzeitig zur Wehr setzen könne. Die Rechtfertigung für die Einführung einer Erfolgshaftung liege darin, dass der Betroffene im öffentlichen Interesse und im Interesse der Volkswirtschaft zusätzlichen Belastungen und Gefahren ausgesetzt werde, die er zwar auf sich nehmen müsse, er aber auch damit rechnen könne, dass dadurch eintretende Schäden stets ersetzt werden. Die Tatsache, dass mit dem Eintritt des Schadens seinerzeit nicht gerechnet worden sei, sei Tatbestandsvoraussetzung für den Schadenersatzanspruch. Diese Tatbestandsvoraussetzung habe jeweils der Kläger zu behaupten und zu beweisen. Die erstklagende Partei habe aber bloß ganz allgemein einen Schadenersatzanspruch nach § 26 WRG behauptet, ohne weiteres Vorbringen dazu zu erstatten, dass die beklagte Partei bzw die für sie handelnden Personen ein verschuldensbegründender Verhaltensvorwurf treffe, woraus im Sinne des § 26 Abs 1 WRG ein Schadenersatzanspruch nach den bürgerlich-rechtlichen Ersatzregeln abzuleiten wäre. Sie habe aber auch nicht behauptet, dass die Wasserrechtsbehörde bei Bewilligung der von der beklagten Partei betriebenen Anlage nicht oder allenfalls in geringerem Umfang mit dem Eintritt eines Schadens wie dem hier geltend gemachten gerechnet habe, was aber Voraussetzung für einen Anspruch nach § 26 Abs 2 WRG sei. Die vom Erstgericht getroffene Feststellung, die Behörde habe bei Bescheiderlassung nicht an eine Beschränkung von Cyaniden gedacht, sei durch das Parteienvorbringen der erstklagenden Partei nicht gedeckt. Da das Vorliegen einer Tatbestandsvoraussetzung für die verschuldensunabhängige Haftung der beklagten Partei als Anlagenbetreiberin nach § 26 Abs 2 WRG, dass nämlich mit dem Schadenseintritt bei Bewilligung der Anlage nicht oder nur in einem geringeren Umfang gerechnet worden sei, nicht einmal behauptet worden sei, fehle dem von der erstklagenden Partei auf § 26 Abs 2 WRG gestützten Ersatzbegehren von vornherein jede Berechtigung. Es müsse daher weder auf die Mängel-, noch auf die Feststellungsrüge der beklagten Partei eingegangen werden. Mangels bescheidmäßigen Verbots, komplexe Cyanide über die Kläranlage in eines der Gewässer einzuleiten, sei von konsensgemäßem, also der wasserrechtlichen Bewilligung entsprechenden Betrieb der Anlage der beklagten Partei auszugehen. Deren verschuldensunabhängige Haftung bliebe daher auf die im Spezialtatbestand des § 26 Abs 2 WRG geregelten Fälle beschränkt. Ein schuldhaftes Verhalten der für die beklagte Partei handelnden Personen sei von der erstklagenden Partei gar nicht behauptet worden. Demnach erweise sich der Schadenersatzanspruch schon dem Grunde nach als unberechtigt.
Die Revision der erstklagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Den Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz, es mangle an entsprechenden Behauptungen, die einen Anspruch nach § 26 WRG rechtfertigen könnten, und die Feststellungen des Erstgerichts seien - zum Teil - nicht durch Parteivorbringen gedeckt, kann nicht beigetreten werden:
Die erstklagende Partei - im Übrigen auch die anderen klagenden Parteien - brachte in ihrer Klage vor, am 19. und 20. 5. 1999 sei es in ihrem Fischereirevier durch die Einleitung von Cyaniden zu einem "argen" Fischsterben gekommen, und die Einleitung habe ihren Ursprung im Betrieb der beklagten Partei gehabt. Sie behauptete einen Schaden am Fischbestand und weitere Schäden im Gesamtbetrag von 2,041.101,46 S. Gestützt wurden die Ersatzansprüche insbesondere auf § 26 WRG sowie "auf die Bestimmungen des Nachbarrechts des ABGB".
Zu Recht hat das Erstgericht dieses Klagsvorbringen als ausreichend angesehen, um die Schadenshaftung an Hand des § 26 Abs 2 WRG zu prüfen. Es wäre überspitzter Formalismus, würde man über die Zitierung der Gesetzesstelle (§ 26 WRG) hinaus die Wiedergabe der im § 26 Abs 2 WRG normierten Voraussetzungen für eine Haftung des Betreibers einer Wasserbenutzungsanlage fordern. Richtigerweise verweist die erstklagende Partei auch darauf, dass das Erstgericht zu einer Anleitung gemäß § 182 ZPO verpflichtet gewesen wäre, hätte es Bedenken dahin gehabt, dass das Vorbringen der erstklagenden Partei nicht ausreichend sei, um darauf eine Haftung nach § 26 Abs 2 WRG gründen zu können. Da die erstklagende Partei sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen ausreichend behauptete und das Erstgericht auch hievon ausgehen durfte, erweisen sich die Feststellungen, die das Berufungsgericht als "überschießend" beurteilte, als durch das Vorbringen der erstklagenden Partei gedeckt, weshalb die Annahme der zweiten Instanz verfehlt ist, dem "auf die wasserrechtlichen Bestimmungen" gestützten Ersatzbegehren käme von vornherein keine Berechtigung zu. Das Berufungsgericht wird sich demgemäß mit den von der beklagten Partei und der Nebenintervenientin erhobenen Feststellungs- und Mängelrügen auseinandersetzen müssen.
Dem von der beklagten Partei in der Revisionsbeantwortung erhobenen Einwand, der Schaden resultiere nicht aus dem konsensgemäßen Betrieb ihrer Kläranlage, sondern aus der rechtswidrigen Einleitung von Cyaniden in das Kanalsystem durch die Nebenintervenientin, ist zu erwidern, dass die Einleitung der geklärten Abwässer in eines der betroffenen Gewässer über die von der beklagten Partei (rechtmäßig) betriebene Kläranlage erfolgte, sodass daran nicht gezweifelt werden kann, dass die Beeinträchtigung des Fischereirechts der erstklagenden Partei auf den rechtmäßigen Bestand bzw Betrieb der Wasserbenutzungsanlage (= Kläranlage) der beklagten Partei zurückzuführen ist. Entgegen deren Ansicht statuiert § 26 Abs 2 WRG einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch im Wege der Erfolgshaftung, um eine solche Haftung in den Fällen zu ermöglichen, in denen bei der Verleihung eines Wasserbenutzungsrechts Schäden nicht vorhergesehen wurden (SZ 66/177; SZ 51/164 uva). Daran kann auch nichts ändern, dass die Einleitung der giftigen Stoffe nicht durch die beklagte Partei selbst erfolgte und dass die klagenden Parteien gegen andere Personen, auf deren Verhalten der Schadenseintritt (mit-)ursächlich zurückzuführen ist, gleichfalls Schadenersatzansprüche erheben könnten.
In Stattgebung der Revision ist es unumgänglich, das Urteil des Gerichts zweiter Instanz aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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