Normen
AußStrG §14
AußStrG §16
AußStrG §14
AußStrG §16
Spruch:
Wird dem Rekurs einer Partei im außerstreitigen Verfahren in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben, liegt insoweit eine bestätigende Entscheidung vor, die nur aus den Gründen des § 16 AußStrG angefochten werden kann. Die analoge Anwendung des Judikates 56 neu = SZ 24/335, dem durch die Zivilverfahrensnov. 1983 die Grundlage entzogen wurde, im außerstreitigen Verfahren entfällt
OGH 27. 6. 1984, 1 Ob 568/84 (KG Korneuburg 5 R 5/84; BG Gänserndorf P 18/82)
Text
Die Ehe der Eltern wurde mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 6. 4. 1982, 2 a Cg 96/82, aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem, vor dem Erstgericht geschlossenem Vergleich vom 4. 8. 1982, ON 15, einigten sich die Eltern dahin, daß die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden Rechte und Pflichten in Ansehung beider Kinder der Mutter allein zufallen. Mit rechtskräftigem Beschluß vom selben Tage regelte das Erstgericht das Besuchsrecht des Vaters zum mj. Ren dahin, daß der Vater berechtigt und verpflichtet ist, das Kind an jedem ersten Samstag und dritten Sonntag des Monats vom Haus G, H-Gasse 31 (Wohnung der mütterlichen Großeltern), um 8.30 Uhr zu übernehmen und um 18 Uhr wieder zu übergeben. Für die mj. Isabella beantragte der Vater zuletzt die Einräumung eines Besuchsrechtes am ersten Samstag und dritten Sonntag des Monats derart, daß er berechtigt und verpflichtet sei, das Kind von der Pflegemutter Gertrude R in D um 9 Uhr zu übernehmen und es um 17.30 Uhr wieder zu übergeben.
Die Mutter sprach sich gegen die beantragte Besuchsregelung aus. Das Kind habe auf Grund des Verhaltens des Vaters in seiner frühesten Kindheit tiefgreifende nachteilige seelische Erlebnisse gehabt. Es sei in Gegenwart des Kindes zu Tätlichkeiten des Vaters gegen die Mutter gekommen; darunter leide das Kind noch heute. Es erleide bis jetzt ungeklärte Ohnmachtsanfälle und befinde sich deshalb in jugendpsychiatrischer Behandlung. Der Vater habe sich bisher um das Kind nicht gekümmert.
Das Erstgericht regelte das Besuchsrecht des Vaters antragsgemäß. Auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Friedrich S stehe fest, daß die Pflegemutter Gertrude R der wichtigste Bezugspunkt für die mj. Isabella sei. Bei Besuchen des Vaters auf diesem neutralen Boden seien Schädigungen des Kindes nicht zu befürchten. Eine vollkommene Ausschaltung des Vaters, dessen persönliche Bindungen zum Kind stärker, differenzierter und verläßlicher als die der Mutter seien, sei nicht vertretbar. Das Kind sei dem Vater sehr ähnlich, eine Störung der Beziehung zu ihm wäre für seine Entwicklung nachteilig. Kurzfristige Ohnmachtsanfälle des Kindes seien zwar reflektorische Schreckreaktionen auf aggressive Auftritte zwischen den Eltern, stunden aber der Einräumung eines Besuchsrechtes nicht entgegen. Das Wohl des Kindes wäre vielmehr gefährdet, wenn man den persönlichen Verkehr des Vaters mit ihm unterbinde.
Diesen Beschluß bekämpfte die Mutter mit Rekurs. In ihm brachte sie ua. vor, sie werde im Jänner 1984 eine Wohnung in D beziehen und die mj. Isabella, um sie nicht durch einen abrupten Wechsel zu verstören, sukzessive wieder zu sich nehmen und auf diese Weise die Familie zusammenführen. Da sie mit beiden Kindern eine neue Wohnung beziehen werde, werde sich ein Zusammentreffen mit dem Vater beim Abholen des Kindes nicht vermeiden lassen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter teilweise Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß das vom Erstgericht festgelegte Besuchsrecht des ehelichen Vaters nur im Beisein der Pflegemutter Gertrude R ausgeübt werden dürfe. Die Ausführungen der Rekurswerberin seien nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens von Univ.-Prof. Dr. Friedrich S sowie an dessen Objektivität und völliger Unbefangenheit zu erwecken. Selbst wenn die Behauptung der Rekurswerberin sich als richtig erweisen sollte, daß der Vater das Kind nunmehr seit 1 1/2 Jahren nicht gesehen habe, womit sinngemäß eine zumindest zeitweise Interesselosigkeit des Vaters behauptet werde, vermöge dies nicht einen Besuchsrechtsanspruch des Vaters zu verhindern. Die Behauptung, die Mutter werde ab Jänner 1984 eine in der Nähe von Gertrude R gemietete Wohnung beziehen und das Kind sukzessive wieder bei sich aufnehmen, verstoße gegen das Neuerungsverbot, da es den Parteien gemäß § 10 AußStrG zwar unbenommen bleibe, im Rechtsmittel neue Umstände und Beweismittel anzuführen, es aber unzulässig sei, von den bisherigen Behauptungen abweichende oder bisher noch gar nicht aufgestellte Tatsachenbehauptungen vorzubringen. Selbst wenn durch die Ausübung des Besuchsrechtes des Vaters eine gewisse Beunruhigung des Kindes durch die Unterbrechung des normalen Lebensrhythmus bewirkt werde, sei dies für das Kind verkraftbar und in Kauf zu nehmen. Spannungen zwischen den Eltern stellten allein keine Rechtfertigung für ein Besuchsverbot dar. Bedenke man allerdings die herrschenden Spannungen zwischen den Eltern, das längere Aussetzen des Kontaktes zwischen dem Vater und seinem zu Ohnmachtsanfällen neigenden Kind seit März 1983 und die Empfehlung des Sachverständigen in seinem Gutachten, diese Besuche bei Gertrude R durchzuführen, so ergebe sich daraus ganz eindeutig, daß es zunächst einer Kontaktaufnahme zwischen dem Vater und seinem nunmehr vierjährigen Kind in der bisher vertrauten Umgebung in Gegenwart der dem Kind bekannten Pflegemutter bedürfe, um eine Überforderung und psychische Belastung des Kindes zu vermeiden. Zum Wohle des Kindes sei daher der erstrichterliche Beschluß in dieser Weise zu korrigieren. Es werde Sache des Vaters sein, nach einer gewissen Anfangsphase und Herstellung des entsprechenden Kontaktes zu seinem Kind in der Zukunft einen Antrag auf Ausübung des Besuchsrechtes ohne Beisein der Pflegemutter zu stellen.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Mutter, in dem sie erneut die Ansicht der Vorinstanzen bekämpfte, dem Vater sei das Besuchsrecht grundsätzlich zu versagen, zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der zweite Rechtssatz des Jud. 56 neu = SZ 24/335, ein bloß teilweise bestätigendes Urteil habe nicht als bestätigendes Urteil iS des § 502 Abs. 3 aF ZPO zu gelten, fand seit der Entscheidung des OGH SZ 26/254 in ständiger Rechtsprechung (SZ 44/149; SZ 41/109 uva.) auch im Verfahren außer Streitsachen Anwendung. Eine Einschränkung wurde aber dahin gemacht, daß von einer teilweise bestätigenden Entscheidung iS des Jud. 56 neu dann nicht gesprochen werden könne, wenn die von den Vorinstanzen in ihrer Entscheidung zusammengefaßten Aussprüche verschiedene, miteinander nicht in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stehende Gegenstände betreffen. In einem solchen Fall ist die Bestimmung des § 16 AußStrG auf den bestätigenden Teil anzuwenden (SZ 26/254 uva.). Die Frage der Besuchsregelung erachtete der OGH mehrfach als einheitlichen Entscheidungsgegenstand (RZ 1976/41; EFSlg. 10 829, 9 292; 7 Ob 101/75, 3 Ob 370/60). Selbst wenn ein Elternteil dem Antrag des anderen auf Regelung des Besuchsrechtes entgegensetzte, diesem sei das Besuchsrecht zur Gänze zu entziehen, damit aber in zwei Instanzen, die den zeitlichen Umfang des Besuchsrechtes verschieden festsetzten, nicht durchdrang, wurde sein Revisionsrekurs, mit dem er die gänzliche Versagung eines Besuchsrechtes anstrebte, nach § 14 AußStrG behandelt (8 Ob 101/75). Es ist daher zu prüfen, ob die angeführte Rechtsprechung nach Inkrafttreten der Zivilverfahrensnov. 1983 weiterhin aufrechterhalten werden kann.
Der Gesetzgeber der Zivilverfahrensnov. 1983 hat für den Bereich der Zivilprozeßordnung durch die Neufassung der Bestimmungen der §§ 502 Abs. 3 und 528 Abs. 1 Z 1 das ausdrücklich erklärte Ziel (RV 669 BlgNR 15. GP, 58, 60; AB 1337 BlgNR 15. GP 20) verfolgt, die Anfechtbarkeit teilweise bestätigender Entscheidungen abweichend von den Rechtssätzen des Jud. 56 neu zu regeln. Danach ist gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn der gesamte Wert dieses Teiles 60 000 S übersteigt; ein Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil einer zweitinstanzlichen Rekursentscheidung ist immer unzulässig (Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht, ÖJZ 1983, 175, 203). Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 1 Ob 513/84 (= EntschSlg. in Grundbuchssachen 1984/9 mit kritischer Anmerkung von Hofmeister in NZ 1984, 71), die einen Fall des § 126 GBG betraf, ausführte, müssen die durch die Zivilverfahrensnov. neu gefaßten Bestimmungen der §§ 502 Abs. 3 und 528 Abs. 1 Z 1 ZPO zu einer Änderung der Rechtslage überall dort führen, wo das Jud. 56 neu bloß auf Grund einer Analogie angewendet wurde. Hofmeister aaO begrüßte zwar de lege ferenda prinzipiell die Tendenz einer Angleichung der Rekursregelungen der einzelnen Verfahrensarten, hielt aber eine analoge Anwendung im Grundbuchsverfahren für unbefriedigend, da daraus eine zusätzliche Einschränkung des ohnehin recht unterentwickelten Rekursrechtes des Grundbuchsgesetzes herbeigeführt werde. Dieses ist aber ein Sonderproblem des Grundbuchsverfahrens, in dem vielfach eine Parteienmehrheit fehlt. Schon Michlmayr, Zur ausdehnenden Auslegung des Jud. 56 neu, JBl. 1955, 429 ff., insbesondere 433 f., führte aus, daß entgegen dem seinerzeitigen Wortlaut des § 502 Abs. 3 ZPO in den Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG beide Eventualitäten, nämlich sowohl die Abänderung als auch die Bestätigung des obergerichtlichen Beschlusses angeführt seien. Nach § 14 AußStrG könne, wenn die Verfügung des Erstgerichtes von dem Obergericht abgeändert werde, nur dagegen der Rekurs an den OGH ergriffen werden. Gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG finde, wenn das Obergericht den Bescheid des unteren Richters bestätigte, nur aus den dort genannten Anfechtungsgrunden die Beschwerde an den OGH statt. Aus dem Wort "dagegen" im § 14 AußStrG müsse geschlossen werden, daß es nicht auf den Bescheid als Ganzes, sondern darauf ankommen solle, ob die Abänderung oder aber die Bestätigung angefochten werden könne. So seien auch die Vorschriften des § 528 ZPO und des § 16 AußStrG (in diesem Sinne schon Mitlacher, Praktisches Handbuch des gerichtlichen Verfahrens in Rechtsgeschäften außer Streitsachen 86) jahrzehntelang tatsächlich aufgefaßt worden; das Judikat zum Revisionsverfahren enthalte keine Gründe, die ein Abgehen von der bisherigen Praxis aus sprachlichen, logischen oder rechtspolitischen Gründen rechtfertigen könnten. Im Gegenteil, die Beispiele neuerer Entscheidungen zu diesem Problem ergäben, daß die Anwendung des Grundsatzes auf das Außerstreitverfahren fast in jedem Fall erst umständliche Untersuchungen notwendig mache, ob wirklich eine einheitliche Entscheidung oder eine Mehrzahl von in einem Beschluß zusammengefaßten Entscheidungen vorliege.
Beseitigte der Gesetzgeber bewußt den Bestand des Jud. 56 neu für den Bereich der Zivilprozeßordnung, so kann auch eine Auslegung der Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG, die ausschließlich auf die analoge Anwendung der Rechtssätze dieses Judikates gestützt wurde, keinen weiteren Bestand haben. Wie Michlmayr aaO zutreffend ausführte, enthält das Außerstreitgesetz für den Rechtszug an den OGH sowohl für den Fall der Abänderung einer Entscheidung durch das Rekursgericht als auch den der Bestätigung gesonderte Bestimmungen. Schon aus dem Aufbau des Gesetzes ergibt sich, daß die Grenzlinie zwischen bestätigender Entscheidung und Abänderung dort zu ziehen ist, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde. Nach § 14 Abs. 1 AußStrG richtet sich der Revisionsrekurs dagegen, daß der Beschluß abgeändert (oder aufgehoben: Jud. 203 alt) wurde; andere Entscheidungen müssen demnach als bestätigend angesehen werden.
Der Revisionsrekurs der Mutter wendet sich ausschließlich dagegen, daß dem Vater überhaupt ein Besuchsrecht eingeräumt wird. Beide Instanzen entschieden übereinstimmend, daß keine Gründe vorlägen, dem Vater das Besuchsrecht wegen des Kindeswohles überhaupt zu verweigern. In diesem Umfang wurde dem Rekurs der Mutter daher keine Folge gegeben. Soweit der Antrag der Mutter, dem Vater das Besuchsrecht überhaupt zu entziehen, abgewiesen wurde, liegt daher ein bestätigender Beschluß des Rekursgerichtes vor. Die Rekurswerberin ist somit auf die Anfechtungsgrunde des § 16 AußStrG, die von ihr auch hilfsweise geltend gemacht wurden, beschränkt.
Diese Rekursgrunde liegen nicht vor. Die Mutter bekämpft in breiten Ausführungen die Richtigkeit und Zuverlässigkeit des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen. Nach ihrer Darstellung wäre das Rekursgericht zur Verfahrensergänzung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens verpflichtet gewesen. Damit rügt sie aber unzulässigerweise ausschließlich die Tatsachengrundlage und Beweiswürdigung der Vorinstanzen (EFSlg. 42 323, 42 325, 39 775 uva.). Ob dem Gutachten eines Sachverständigen gefolgt werden kann oder ob es derart unzuverlässig ist, daß ein weiteres Gutachten eingeholt werden müsse, betrifft ausschließlich den Bereich der unanfechtbaren Beweiswürdigung (EFSlg. 42 324, 39 776). Auch die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die das Kind betreffenden Krankenunterlagen standen dem Sachverständigen zur Verfügung. Ob und welche Schlüsse er daraus zog, gehört gleichfalls ins Gebiet der Beweiswürdigung. Die von der Mutter im Revisionsrekurs vorgebrachte Neuerung, sie sei nunmehr bereits nach D übersiedelt, das Kind befinde sich an (allen) Wochenenden nunmehr bei ihr und nicht mehr bei der Pflegemutter, ist im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses unzulässig (EFSlg. 42 326, 39 777, 37 358). Die Nichtbeachtung ihres Vorbringens durch das Rekursgericht kann eine Nullität nicht begrunden. Kann die vom Rekursgericht getroffene Besuchsregelung wegen Wegfalles des Pflegevertrages nicht mehr bei der Pflegemutter durchgeführt werden, wird vielmehr das Erstgericht eine neue Regelung der Besuchsausübung des Vaters zu treffen haben.
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