OGH 1Ob55/98i

OGH1Ob55/98i29.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** Aktiengesellschaft, *****vertreten durch Dr. Helmut Fetz und Dr. Birgit Fetz, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Dr. Ferdinand G*****, wegen 289.560 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Oktober 1997, GZ 4 R 228/97z-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 4. August 1997, GZ 7 Cg 198/95m-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.725 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.287,50 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 13. Juni 1990 nahm die klagende Bank das schriftliche Zessionsanbot einer Gesellschaft mbH (im folgenden Zedentin) vom 12. Juni 1990 an, zur Sicherstellung bestehender und künftiger Kredite alle existenten und künftig existent werdenden Forderungen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs gegenüber sämtlichen in- und ausländischen Kunden abzutreten. Dem Geschäftsführer der Zedentin war bewußt, daß damit eine Globalzession an die klagende Partei erfolgt war. Die Zedentin gab in der Folge der klagenden Partei ihre Forderungen gegen ihre Schuldner bekannt. Die klagende Partei teilte einem näher bezeichneten Schuldner (im folgenden Schuldner) am 10. August 1992 die bereits erfolgte Abtretung nachgenannter Forderungen der Zedentin, und zwar aus den Rechnungen Nr 239/91 über 332.335,20 S, 240/91 über 121.200 S und 241/91 über 145.098 S, alle vom 3. Dezember 1991, 003/92 vom 8. Jänner 1992 über 12.000 S sowie 038/92 vom 5. März 1992 über 4.560 S, zusammen 615.193,20 S, schriftlich mit und wies darauf hin, daß Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur an sie auf ein näher genanntes Konto erfolgen könnten. Der Schuldner erwiderte mit Schreiben vom 11. August 1992, daß dieser Betrag strittig und gerichtsanhängig sei.

Nach dem Inhalt des Aktes AZ 4 Cg 44/92 des Kreisgerichts Leoben (im folgenden Vorverfahren) belangte die Zedentin den Schuldner mit am 19. Februar 1992 erhobener Klage auf Bezahlung von Werbeleistungen zufolge der Rechnungen Nr 239/91, 240/91, 241/91 und 003/92 in der Höhe von zuletzt 610.633,20 S sA. Das Kreisgericht Leoben verhielt den Schuldner mit Urteil vom 22. Juli 1992 - zeitlich somit vor Verständigung des Schuldners von der Zession - zur Zahlung von 566.511,60 S samt Zinsen und der mit 90.880,40 S bestimmten Verfahrenkosten und wies das Mehrbegehren ab. Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht bestätigte mit Urteil vom 15. April 1993 die erstgerichtliche Entscheidung; beide Urteile sind nach dem Inhalt des Amtsvermerks vom 1. September 1993 rechtskräftig und vollstreckbar. Die Zedentin war in diesem Verfahren und insgesamt schon seit Anfang 1991 vom beklagten Rechtsanwalt rechtsfreundlich vertreten. Die Kosten des Beklagten im Vorverfahren betrugen 164.872,56 S.

Das Landesgericht Leoben verhielt weiters die Zedentin und deren Geschäftsführer mit Urteil vom 5. August 1994, AZ 4 Cg 3/94 (Aufrechterhaltung eines Wechselzahlungsauftrags), zur Zahlung von 500.000 S sA an die klagende Partei. Der Schuldner bezahlte an den Beklagten am 14. Jänner 1993 4.560 S auf die von der Zedentin gegen den Schuldner gesondert zu AZ 3 C 604/92x des Bezirksgerichts Bruck/Mur eingeklagte Forderung zufolge der Rechnung 038/92 und zahlte ferner aufgrund des Urteils im Vorverfahren am 17. September 1993 und am 8. Oktober 1993 je 100.000 S, am 28.Dezember 1993 30.000 S sowie am 17. Jänner 1994, am 7. März 1994, am 28. März 1994, am 21. April 1994, am 7. Juni 1994, am 8. Juli 1994 und am 19. August 1994 je 25.000 S, insgesamt somit 409.560 S. Anfang Oktober 1993 vereinbarte der Beklagte mit dem Geschäftsführer der Zedentin zur Abgeltung seines Honoraranspruchs gegen diese für alle seine bisherigen Leistungen ohne genaue Aufschlüsselung die Zahlung eines Pauschalbetrags von 300.000 S und legte im Hinblick auf diese Vereinbarung auch keine Honorarnoten an die Zedentin. Von den vom Schuldner aufgrund der beiden vorgenannten Urteile erhaltenen Beträgen überwies der Beklagte an den Geschäftsführer der Zedentin zwischen 13. Oktober 1993 und 13. Jänner 1994 in Teilbeträgen insgesamt 120.000 S.

Der Beklagte erfuhr durch das Schreiben der klagenden Partei vom 29. Dezember 1993, daß die Zedentin ihre Forderungen gegen den Schuldner an die klagende Partei abgetreten hatte. Er hinterlegte die bei ihm eingegangenen Beträge aus Zahlungen des Schuldners nicht zu Gericht, sondern teilte der klagenden Partei am 16. Februar 1994 mit, ihm habe der Geschäftsführer der Zedentin erklärt, die Forderung nicht abgetreten zu haben; er lehnte eine Überweisung an die klagende Partei unter Hinweis auf die §§ 19 und 19a RAO ab und übermittelte dieser mit weiterem Schreiben vom 28. Juni 1994 drei Kostenverzeichnisse: das mit 24. Juni 1994 datierte betreffend das Verfahren AZ 4 Cg 3/94m des Landesgerichts Leoben, das mit 27. Juni 1994 datierte betreffend ein Strafverfahren sowie das mit 27. Juni 1994 datierte für diverse andere rechtsfreundliche Verrichtungen. Der Beklagte errichtete am 2. September 1994 ein weiteres Kostenverzeichnis über seine Leistungen im Vorverfahren und in diversen Exekutionsverfahren.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten Zahlung der Höhe der vom Schuldner vereinnahmten und - ihrer Ansicht nach - zu Unrecht zurückbehaltenen 409.560 S sA und brachte dazu im wesentlichen vor diese Beträge seien auf die ihr von der Zedentin bereits mit Globalzession vom 12./13. Juni 1990 abgetretenen Forderungen geleistet worden. Es handle sich dabei nicht um "Barschaften" seiner Partei, sondern im Hinblick auf die vorangegangene Forderungsabtretung um Geld der klagenden Partei. Ein Kostenabzug iSd § 19 RAO sei nicht berechtigt. Vielmehr wäre der Beklagte, der seine Kosten überhöht verzeichnet habe, zum Erlag bei Gericht und mangels Erlags zur Ausfolgung an die klagende Partei verpflichtet gewesen. Zur Aufrechnung sei der Beklagte als Verwahrer des Geldes nicht berechtigt. Er habe im übrigen erst 1994 Honorarnoten gelegt und seine Forderungen damit fällig gestellt. Nicht fällige Honorarforderungen seien jedenfalls nicht abzugsfähig gewesen. Die Pauschalhonorarvereinbarung des Beklagten zur Abgeltung anderer, auch gesellschaftsfremder Vertretungshandlungen beträfe auch solche, die als Fehlleistungen von ihm selbst zu tragen seien.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, von der Zession erst mit Schreiben vom 29. Dezember 1993 erfahren zu haben. Die Prozeßkosten von 90.880 S seien nicht bezahlt worden. Er habe für seine Kostenforderung von pauschaliert 300.000 S aus einer Unzahl von Rechtsfällen und Firmengründungen von seinem Zurückbehaltungsrecht nach § 19 RAO Gebrauch gemacht. Dem stehe die Zession nicht entgegen. Eine Bestreitung seiner Kostenforderung, die nur dem Klienten, nicht aber auch der klagenden Partei gegenüber abzurechnen gewesen sei, sei nie erfolgt, ein gerichtlicher Erlag daher nicht erforderlich gewesen. Die klagende Partei habe Forderungen gegen die Zedentin in deren Konkurs nicht angemeldet und deren Geschäftsführer aus seiner Haftung entlassen.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung von 289.560 S sA und wies das Mehrbegehren von 120.000 S sA - betreffend die vom Beklagten an den Geschäftsführer der Zedentin überwiesene Beträge - unangefochten ab.

Es stellte noch fest, daß der vereinbarte Pauschalbetrag für das Honorar des Beklagten 300.000 S betrage und nicht nur die Leistungen aus dem Verfahren gegen den Schuldner umfaßt habe.

Rechtlich folgerte der Erstrichter, die Bestimmung des § 19 Abs 1 RAO sei einschränkend dahin auszulegen, daß in § 19 Abs 3 RAO der vom Rechtsanwalt einzuhaltende Weg des Gerichtserlags definiert werde. Mache ein Rechtsanwalt von der ihm nach § 19 Abs 3 RAO eingeräumten Befugnis nicht Gebrauch, so müsse er nach § 17 RL-BA Klientengelder unverzüglich ausfolgen. Ebenso dürfe er nach § 16 RL-BA Gelder, die ihm zu einem bestimmten Zweck übergeben worden seien, weder widmungswidrig verwenden noch zurückbehalten. Da der Beklagte die vom Schuldner bezahlten Beträge nicht zu Gericht erlegt habe, habe er auch an diesen für seine (Honorar-)Forderungen gegen die Zedentin kein Pfandrecht erworben. Die vom Beklagten inkassierten Gelder seien angesichts der wirksamen Globalzession nicht mehr als Zahlungen für die vom Beklagten vertretene Zedentin zu beurteilen, sondern als solche an die klagende Partei, die als beim Beklagten verwahrt zu gelten hätten. Gemäß § 1440 ABGB seien in Verwahrung genommene Stücke jedoch kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder Kompensation; der einseitig durchgeführten Aufrechnung des Beklagten mit seinen Honoraransprüchen stehe das Aufrechnungsverbot des § 1440 ABGB entgegen.

Selbst wenn die Zedentin aufgrund der Pauschalhonorarvereinbarung an den Beklagten 300.000 S hätte zahlen sollen, habe ihr Geschäftsführer doch von der Globalzession (entgegen seiner Verantwortung) Kenntnis gehabt. Somit könne eine nachfolgende Kompensationsvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Geschäftsführer der Zedentin angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Zession keine Wirkung mehr auf die an die klagende Partei abgetretenen Forderung entfalten. Der Beklagte habe auch nicht die Prozeßkosten aus dem Vorverfahren zurückbehalten dürfen, weil außer Streit gestellt worden sei, daß der Schuldner die Prozeßkosten von 90.880,40 S nicht bezahlt habe und die von ihm bezahlten Beträge somit die offenen (zedierten) Rechnungsbeträge betroffen hätten.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab, sprach aus, daß die Revision zulässig sei, und ging in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus:

§ 1395 ABGB zufolge entfalte die hier zu beurteilende Globalzession über die daran beteiligten Parteien (den Zedenten, den Zessionar und nach dessen Verständigung auch den Schuldner) hinaus keinerlei Wirkungen. Eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen habe nie bestanden und bestehe auch jetzt nicht. Der Beklagte sei jedenfalls nicht Schuldner der abgetretenen Forderung geworden, vielmehr bestehe das Forderungsrecht der klagenden Partei nach wie vor gegen den Schuldner. "Auch" könne "danach nicht von einer gänzlichen Erfüllung der Zedentenpflicht aus dem Abtretungsvertrag ausgegangen werden". Der Beklagte habe nur der Zedentin und nicht auch der klagenden Partei gegenüber vertragliche Verpflichtungen gehabt. Die Forderung der klagenden Partei gegen die Zedentin sei ein relatives Recht. Wenn ihr ein Direktanspruch gegen den Beklagten als "Drittschuldner" vorschwebe, "fehle nicht nur der Titel aus der Verletzung oder Nichterfüllung der Abtretungsvereinbarung" ("der ergangene Wechselzahlungsauftrag" sei "abstrakt"), "vor allem aber die Pfändung eines allfälligen Forderungsrechts" der Zedentin gegen den Beklagten.

Für einen deliktischen Anspruch gegen den Beklagten - es fehle jedenfalls eine Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter - lägen weder entsprechendes Vorbringen noch Feststellungen vor. Aus dem Handeln des Beklagten als Vertreter der Zedentin könne die klagende Partei den Zahlungsanspruch nicht ableiten. Dritte dürften zwar das Recht des Gläubigers auf obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners nicht beeinträchtigen, jedoch bestehe bei fahrlässiger Beeinflussung des Schuldners in Richtung auf die Nichterfüllung des Vertrags kein Schadenersatzanspruch. Das mit seiner Klientin vereinbarte Vorgehen des Beklagten habe die zulässigen Grenzen erlaubter Rechtsausübung nicht überschritten. Zum Zeitpunkt der Pauschalhonorarvereinbarung sei der Beklagte von der Zession noch nicht unterrichtet gewesen. Rechtswidrig sei nur ein zielgerichtetes und arglistiges Verleiten zum Vertragsbruch; diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Im vorliegenden Fall sind drei Vertragsverhältnisse zu unterscheiden, die einander jedoch nur insoweit berühren, als die Zedentin an den drei beteiligt ist; Einmal steht sie aufgrund nicht näher zu erörternder Werbeverträge mit dem Schuldner, zum andern angesichts der Globalzession vom 12. und 13. Juni 1990 zur klagenden Partei und schließlich aufgrund eines Bevollmächtigungsvertrags mit dem Beklagten in vertraglichen Beziehungen. Die Zedentin klagte aus hier nicht weiter zu prüfenden Gründen ungeachtet der Globalzession vom Juni 1990 am 19. Februar 1992 ihre an die klagende Partei abgetretenen Forderungen gegen den Schuldner ein, ohne daß dieser die mangels Rechtszuständigkeit fehlende aktive Klagslegitimation einzuwenden in der Lage gewesen wäre, wurde er doch erst nach Urteilsfällung erster Instanz im Vorverfahren von der Globalzession verständigt. Im Berufungsverfahren hätte diese Einwendung als unbeachtliche Neuerung keine Berücksichtigung finden können. In der Folge leistete der Schuldner aufgrund zweier rechtskräftiger Urteile Teilzahlungen an den Beklagten als bevollmächtigten Rechtsanwalt der Zedentin. Dem Bevollmächtigungsvertrag zufolge war der Beklagte unbestrittenermaßen zum Empfang der Geldzahlungen durch den Schuldner legitimiert und nach § 17 RL-BA verpflichtet, die bei ihm eingehenden Geldbeträge unverzüglich an den Berechtigten - wofür nur seine Mandantin als Vertragspartnerin aus dem Bevollmächtigungsvertrag in Frage kam - abzuführen, ohne indes dadurch zum Schuldner oder zur Zessionarin in vertragliche Beziehungen zu treten. Der Klagsanspruch kann somit, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, aus vertraglichen Beziehungen nicht abgeleitet werden.

b) Die Ausnahme von der Pflicht des Rechtsanwalts zu unverzüglichen Ausfolgung eingehender Beträge an seine Mandantin normiert § 19 RAO. Danach ist der Rechtsanwalt - bei aufrechtem Vollmachtsverhältnis und unabhängig davon, ob die eingegangene Barschaft ihm gerade in der Rechtssache zugekommen ist, auf die sich die Kostenforderung bezieht (EvBl 1969/430; Feil/Hajek, Rechtsanwaltsordnung und DSt 1990, § 19 RAO Rz 1 und 4) - berechtigt, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen, ist jedoch schuldig, sich hierüber sogleich "mit seiner Partei zu verrechnen". Die Bestimmung verbindet somit das Kompensationsrecht des Rechtsanwalts mit der schon nach § 1012 ABGB ganz allgemein für den Auftragnehmer bestehenden Rechnungslegungspflicht (Dullinger, Handbuch der Aufrechung 115 mwN in FN 53). Der Ausdruck "für seine Partei an ihn eingegangene Barschaften" wird allgemein so verstanden, daß es sich um Geldbeträge handeln muß, die von einem Dritten (hier dem Schuldner), also nicht vom Mandanten, dem Rechtsanwalt - im vorliegenden Fall in (teilweiser) Erfüllung zweier Judikatsschulden (aus dem Vorverfahren und dem Verfahren vor dem Bezirksgericht Bruck an der Mur) - übergeben werden und dem Klienten zugedacht sind (Dullinger in ÖBA 1993, 154 mwN aus dem Schrifttum; dieselbe, Handbuch der Aufrechnung 113). Beim Abzugsrecht nach § 19 Abs 1 RAO handelt es sich inhaltlich (jedenfalls auch) um ein Aufrechnungsrecht, somit um die Befugnis zur wechselseitigen Tilgung einander gegenüberstehender Forderungen durch einseitige Erklärung (Honsell/Heidinger in Schwimann2, § 1438 ABGB Rz 8), wie sich schon aus der Diktion "in Abzug bringen", aber auch daraus ergibt, daß nach der Ausführungsbestimmung des § 16 RL-BA zwischen einer "widmungswidrigen Verwendung" und einer Zurückbehaltung unterschieden wird. Aufrechnen kann der Rechtsanwalt mit seiner vom Mandanten nicht bestrittenen Kostenforderung gegen dessen aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags bestehenden Forderung auf Ausfolgung der für diesen aus Leistungen Dritter - hier auf Grund rechtskräftiger Urteile - vereinnahmten Beträge. § 19 RAO regelt das Aufrechnungsrecht des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten nicht abschließend und läßt somit das allgemeine Kompensationsrecht nach den §§ 1438 ff ABGB unberührt: Die Verwendung des eigenständigen Ausdrucks "Abzugsrecht" kann nur als Indiz dafür angesehen werden, daß es sich um ein neben der allgemeinen Kompensationsbefugnis zustehendes Sonderrecht handelt. Diese Wortlautinterpretation wird durch die historische Zielsetzung des § 19 RAO bestätigt, dem Rechtsanwalt die Befugnis zur Aufrechnung auch mit nichtliquiden Forderungen zu sichern, die allerdings - infolge eines Wandels in der Rechtsprechung - heute kaum mehr von Bedeutung ist (vgl Dullinger, Handbuch der Aufrechnung 114 f mwN in FN 47). Die allgemeinen Kompensationsregeln der §§ 1438 ff ABGB finden somit auch bei der Auslegung des § 19 Abs 1 RAO und damit auch der Beurteilung des vom Rechtsanwalt ausgeübten Aufrechnungsrechts Anwendung, soweit dem nicht die Besonderheiten des Bevollmächtigungs- und Auftragsvertrags entgegenstehen (vgl dazu 2 Ob 518, 519/92 = ÖBA 1993, 151 = ecolex 1992, 768 = RdW 1992, 368 mwN; Dullinger in deren Glosse zu dieser Entscheidung in ÖBA 1993, 154).

Die für eine zulässige Aufrechnung jedenfalls erforderliche Aufrechnungserklärung (vgl dazu Honsell/Heidinger aaO § 1438 ABGB Rz 9 ff) wurde durch die Pauschalhonorarvereinbarung des Beklagten mit der Zedentin vom Oktober 1993 abgegeben. Der Rechtsanwalt hat zwar seinen Honoraranspruch in ziffernmäßg überprüfbarer Weise mitzuteilen, doch gilt dies naturgemäß nicht auch bei vereinbarter Pauschalentlohnung (SZ 25/276). Auf die von der klagenden Partei behaupteten Aufrechnungshindernisse kommt es nicht an: Der erkennende Senat billigt die im Schrifttum (so Dullinger, Handbuch der Aufrechnung 82; Rummel in Rummel2, § 1439 ABGB Rz 1 mwN) vertretene Auffassung, die in § 1439 ABGB normierte Voraussetzung, daß nur richtige Forderungen Gegenstand der Aufrechnung sein könnten, einschränkend dahin zu verstehen sei, daß nur die Gegenforderung richtig sein müsse; soweit eine unrichtige Hauptforderung zahlbar ist, kann gegen sie auch aufgerechnet werden. Das Verbot des § 1439 ABGB besteht somit nur zugunsten des Besitzers der richtigen Forderung, der bei Geltendmachung einer unrichtigen Forderung gegen ihn auf sein Recht, deren Richtigkeit zu bestreiten, verzichten kann und sich auf die Aufrechnung beschränken (vgl GlU 857). Im übrigen standen der Zedentin ungeachtet der Globalzession aus den oben näher bezeichneten Rechnungen schon aufgrund der von ihr erlangten rechtskräftigen Urteile gegen den Schuldner Forderungen zu; gegen den Beklagten bestand ihr Recht auf (unverzügliche) Abführung der auf diese Judikatsschulden geleisteten Zahlungen des Schuldners schon aufgrund der §§ 16 und 17 RL-BA. Der Beklagte war auch nicht Verwahrer iSd § 1440 ABGB (vgl dazu Honsell/Heidinger aaO § 1440 ABGB Rz 9 mwN), wovon hingegen der Erstrichter fälschlicherweise ausging, sondern die Geldbeträge gingen ihm als Beauftragtem im Rahmen eines Bevollmächtigungsvertrags zu. Die Frage, ob Sachen, die vom Beauftragten im Rahmen eines Auftragsverhältnisses erlangt wurden, und Forderungen, die aus einem solchen entstanden sind, grundsätzlich dem Verbot des § 1440 zweiter Satz ABGB unterliegen (vgl zum Meinungsstand Honsell/Heidinger aaO § 1440 ABGB Rz 10; grundsätzlich verneindend Rummel aaO § 1440 ABGB Rz 15; vgl auch Dullinger, Handbuch der Aufrechnung 114 und FN 46, je mwN aus Lehre und Rspr), muß hier nicht abschließend beurteilt werden. Denn im Spannungsverhältnis zwischen den allgemeinen Kompensationsregeln, insbesondere § 1440 zweiter Satz ABGB, und § 19 Abs 1 RAO ist die Aufrechnungsbefugnis des Rechtsanwalts nur dann abzulehnen, wenn Zahlungen zu einer bestimmten anderen Verwendung als zur Ausfolgung an dessen Klienten geleistet werden (ÖBA 1993, 151; Dullinger, Handbuch der Aufrechnung 113 mwN in FN 40). Dem entspricht auch die Regelung des § 16 RL-BA, daß der Rechtsanwalt Gelder und andere Vermögenswerte, die ihm zu einem bestimmten Zweck übergeben worden sind, weder widmungswidrig verwenden noch zurückbehalten darf. Daß vorliegendenfalls eine Widmung des Schuldners, wie mit seinen Teilzahlungen zu verfahren sei, vorgelegen sei, wurde im Verfahren erster Instanz weder behauptet noch festgestellt. Daß aber der Rechtsanwalt aufgrund eines Bevollmächtigungs- und Auftragsvertrags und der damit verbundenen Inkassobefugnis Gelder eines Prozeßgegners auf Judikatsschulden vereinnahmte, ist kein Hindernis für eine Kompensation, wäre doch sonst der Norm des § 19 RAO jeder praktische Anwendungsbereich entzogen (Dullinger, Handbuch der Aufrechnung 114). In einem solchen Fall geht § 19 Abs 1 RAO als lex specialis dem § 1440 zweiter Satz ABGB vor. Soweit Rummel (in Rummel2, § 1440 Rz 7) das Gegenteil annimmt, ist seine - "etwas irreführende" (so aber Dullinger Handbuch der Aufrechnung 114 in FN 46) - Äußerung abzulehnen (vgl auch ÖBA 1993, 151 [153]).

c) Damit kommt es aber darauf, ob der klagenden Zessionarin gegen die Zedentin wie bei der Doppelzession - bei der der Erstzessionar gegen den Zweitzessionar, dem der Schuldner schuldbefreiend gezahlt hat, einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB (JBl 1986, 235 [Czermak]; ÖBA 1989, 188 [Holzner]; ÖBA 1996, 135 [Koziol], je mwN; Honsell/Heidinger aaO § 1394 ABGB Rz 14; Reischauer, Doppelzession und Schadenersatz in RZ 1987, 215 f, 239 ff) auf Herausgabe der vom Schuldner erlösten Beträge hätte - nicht mehr an. Gegen den Beklagten könnte die klagende Partei aber nur bei einem rechtlich relevanten Eingriff in ihr Forderungsrecht (vgl dazu 1 Ob 503/95 = SZ 68/22 ua) durchdringen, der aber nicht dargetan ist. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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