OGH 1Ob525/90

OGH1Ob525/904.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Josef F***, Pensionist, 2.) Theresia F***, Pensionistin, Neuzeug, Steyrertalstraße 108, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Zahradnik, Dr. Hans Christian Kollmann und Dr. Edgar Hofbauer, Rechtsanwälte in Lambach, wider die beklagten Parteien 1.) Franz B***, Hilfsarbeiter, 2.) Maria B***, Metallarbeiterin, Laussa 130, beide vertreten durch Dr. Ewald Schmidberger und Dr. Kurt Keiler, Rechtsanwälte in Steyr, wegen Nichtbestand einer Dienstbarkeit (Streitwert S 65.000), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3.Oktober 1989, GZ R 179/89-25, womit die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 13. März 1989, GZ 1 Cg 120/87-16, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerber haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das das Haupt- und das Eventualbegehren abweisende Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 13.März 1989 wurde dem Klagevertreter am 12. April 1989 zugestellt. Am 9.Mai 1989 gab der Klagevertreter eine gegen dieses Urteil an das Kreisgericht Wels adressierte Berufung zur Post. Die Berufung langte am 10.Mai 1989 beim Kreisgericht Wels ein. Neben der Einlaufstampiglie findet sich der handschriftliche Vermerk "Irrläufer beim KG Wels". Noch am selben Tag sandte das Kreisgericht Wels ohne weiteren Vermerk auf dem Geschäftsstück die Berufung in einem Kuvert des Kreis- und Bezirksgerichtes Wels mit dem Vermerk "Postgebühr bar bezahlt" an das Kreisgericht Steyr weiter. Dort langte die Berufung am 11.Mai 1989 ein. Am 28. Juni 1989 beantragten die Kläger beim Kreisgericht Steyr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Der Klagevertreter habe seiner Angestellten Hannelore H*** die (richtige) Anweisung erteilt, das Ende der Rechtsmittelfrist mit 10. Mai 1989 im Fristenvormerkkalender einzutragen. Hannelore H*** habe jedoch versehentlich als Ende der Rechtsmittelfrist den 11.Mai 1989 im Kalender eingetragen. Sie habe am 9.Mai 1989 die Berufung eingeschrieben zur Post gegeben, jedoch die Berufungsschrift an das Kreisgericht Wels, also ein unzuständiges Gericht adressiert. Der Schriftsatz sei am 10.Mai 1989 beim Kreisgericht Wels eingelangt. Hannelore H*** habe am nächsten Tag, dem 10. Mai 1989, den Irrtum bemerkt und sofort beim Kreisgericht Wels angerufen, wo ihr erklärt worden sei, daß die Berufung sofort an das Kreisgericht Steyr weitergeleitet werde. Es sei ihr versichert worden, daß das Rechtsmittel mit Sicherheit am 11. Mai 1989 beim Kreisgericht Steyr einlangen werde. Bei einem Anruf beim Kreisgericht Steyr am 11.Mai 1989 sei ihr mitgeteilt worden, daß die Berufung eingelangt und alles in Ordnung sei. Da Hannelore H*** die Berufungsfrist mit 11.Mai 1989 vorgemerkt habe, sei sie irrtümlich davon ausgegangen, daß die vorerst an das Kreisgericht Wels abgesandte Berufung daher fristgerecht beim zuständigen Kreisgericht Steyr eingelangt wäre. Das Kreisgericht Steyr wies diesen Antrag mit Beschluß vom 21.Juli 1989, ON 23, zurück. Die Berufungsfrist habe am 10.Mai 1989 geendet. An diesem Tag sei das Schriftstück zur Post gegeben worden. Der gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei daher überflüssig.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß die Berufung als verspätet zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000 übersteige. Es führte aus, die Tage des Postlaufes eines befristeten Schriftsatzes würden nur dann für die Einhaltung der Frist außer Betracht gelassen, wenn die Postsendung an das zuständige Gericht adressiert gewesen sei. Andernfalls sei die Frist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz innerhalb der Frist dem zuständigen Gericht zugekommen sei. Die Berufung der Kläger sei daher verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Kläger ist nicht berechtigt.

Eine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses erblicken die Kläger darin, daß mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 21. Juli 1989, ON 23, ihr Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfirst deshalb zurückgewiesen worden sei, weil die Berufungsfrist ohnedies eingehalten worden sei. An diesen rechtskräftigen Beschluß sei auch das Berufungsgericht gebunden. Dem kann nicht gefolgt werden. Legt das Erstgericht gemäß § 468 Abs 1 ZPO eine von ihm als rechtzeitig angesehene Berufung dem Berufungsgericht vor, so hat das Berufungsgericht gemäß §§ 471 Z 2, 474 Abs 2 ZPO im Vorverfahren, ohne an die in der Vorlage zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Erstgerichtes, die Berufung sei nicht verspätet, gebunden zu sein, nicht in der gesetzlichen Frist erhobene Berufungen in nichtöffentlicher Sitzung zu verwerfen (Fasching IV 69). Das Erstgericht hat beschlußmäßig über die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung nicht abgesprochen. Es beurteilte nur als Vorfrage für den gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, daß die Berufungsfrist ohnedies nicht versäumt worden sei. Die in einer Entscheidung enthaltene Beurteilung von Vorfragen erwächst aber nicht in Rechtskraft (EFSlg 55.153; JBl. 1984, 489; SZ 49/82; SZ 48/142 uva; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1520; Kommentar III 712). Das Berufungsgericht hatte daher eine Versäumung der Berufungsfrist wahrzunehmen.

Auch die Rechtsrüge versagt.

Nach § 89 Abs 1 GOG werden bei gesetzlichen Fristen, die einer Partei zur Überreichung von Schriftsätzen offenstehen, die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet. Es entspricht nun einheitlicher, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung, daß die Post nur dann als "verlängerte" Einlaufstelle des Gerichtes auftritt, wenn der Brief an das richtige Gericht adressiert war; eine unrichtige Adressierung schließt die Anwendung des § 89 GOG generell aus; in einem solchen Fall ist die einzuhaltende Frist nur dann gewahrt, wenn ungeachtet der ursprünglich unrichtigen Adressierung das Geschäftsstück noch am letzten Tag der Frist beim zuständigen Gericht einlangt (SZ 60/192; SZ 52/155; Arb. 9465;

EvBl 1976/11; JBl. 1957, 269 ua; Fasching, Lehrbuch2 Rz 2048;

Kommentar II 672; Pollak, System2 423). Zur Wahrung der Frist reicht es nicht aus, daß das unrichtig adressierte Geschäftsstück am letzten Tag der Frist bei der unrichtigen Stelle einlangte und von dieser Behörde mit der Amtspost noch am selben Tag an das zuständige Gericht weitergeleitet wurde, bei dem es schließlich nach Ablauf der Frist eintraf. Auch in einem solchen Fall kommt der Partei nicht die Vorschrift des § 89 GOG zugute; die Zeit der Übersendung des Rechtsmittels an das zuständige Gericht ist in die Frist einzurechnen (JBl. 1957, 269; 7 Ob 598/80). Ob die Frist dann gewahrt wäre, wenn der Klagevertreter am letzten Tag der Berufungsfrist einen Bediensteten des Kreisgerichtes Wels ersucht hätte, für ihn privat die irrtümlich an das Kreisgericht Wels übermittelte Berufung an das zuständige Kreisgericht Steyr weiterzuleiten (in diesem Sinn 4 Ob 104/72 und 5 Ob 5/75), kann dahingestellt bleiben: Die Angestellte des Klagevertreters ging nämlich nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag von der irrigen Meinung aus, daß die Berufungsfrist erst am 11.Mai 1989 ende, so daß sie sich mit der Erklärung eines Gerichtsbediensteten des Kreisgerichtes Wels zufriedengab, die Berufung werde sofort an das Kreisgericht Steyr weitergeleitet und würde daher mit Sicherheit noch am als irrtümlich letzten Tag der Berufungsfrist gehaltenen 11. Mai 1989 dort einlangen, was auch geschah. Die Postaufgabe wurde daher nicht vom Klagevertreter oder von einem von ihm beauftragten Boten durchgeführt.

Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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