Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es im Ausspruch über die Scheidung der Ehe und im Kostenausspruch zu lauten hat:
"Das Klagebegehren auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der beklagten und widerklagenden Partei wird abgewiesen. Dem Begehren der Widerklage wird stattgegeben. Die zwischen den Streitteilen am 14. Mai 1955 vor dem Standesamt der Großgemeinde Wiesen geschlossene und im Familienbuch unter Nr. 7/1955 beurkundete Ehe wird mit der Wirkung geschieden, daß sie mit Rechtskraft des Urteils aufgelöst ist. Das Verschulden trifft die klagende und widerbeklagte Partei.
Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 9.628,02 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 805,-- Umsatzsteuer und S 770,-- Barauslagen) und die mit S 10.604,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 944,-- Umsatzsteuer und S 220,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen."
Die klagende und widerbeklagte Partei ist weiters schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 7.577,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 514,35 Umsatzsteuer und S 1.920,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden: Kläger) und die beklagte und widerklagende Partei (im folgenden: Beklagte) haben am 14. Mai 1955 vor dem Standesamt der Großgemeinde Wiesen die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammt die am 14. April 1959 geborene Tochter Edith.
Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen der Beklagten. Er brachte vor, die Ehe habe sich durch mehrere Jahre gut entwickelt, in der Folge habe sich das herrschsüchtige und bestimmende Wesen der Beklagten aber immer unerträglicher und ehezerstörender ausgewirkt. Die Beklagte habe ihn unentwegt umerziehen wollen, habe seine beruflichen Leistungen nicht anerkannt und ihn angehalten, auch zum Wochenende mitzuarbeiten, ohne für seine Arbeitsleistungen ein Entgelt zu erhalten; er habe um ein Taschengeld betteln müssen. Durch die allgemeine Lieblosigkeit der Beklagten sei die Ehe unheilbar zerrüttet worden. Die Beklagte habe ihm am 25. November 1983 das Betreten der Ehewohnung untersagt und ihm die Schlüssel zur Wohnung weggenommen.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie führte in ihrer auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers gerichteten Widerklage aus, die Ehe sei durch die ehestörenden, wenn nicht ehebrecherischen Beziehungen des Klägers zu anderen Frauen zerstört worden; insbesondere habe der Kläger Beziehungen zu einer Frau G*** und Hermine B*** unterhalten. Er habe letztlich grundlos die eheliche Gemeinschaft aufgehoben und sei zu Hermine B*** gezogen.
Das Erstgericht schied die Ehe gemäß § 49 EheG und sprach aus, daß das überwiegende Verschulden den Kläger treffe. Es stelle fest:
Die Beklagte habe nach ihrer Verehelichung im Geschäft ihres Schwiegervaters, einem Obst- und Gemüsegroßhandel, mitgearbeitet, seit ca. 1967 habe sie das Geschäft zur Weiterführung übernommen. Ihre Sorge habe primär dem Fortgang des Unternehmens gegolten. Der Kläger habe zwar im Geschäft mitgearbeitet, doch habe er sich an geschäftlichen Dingen uninteressiert gezeigt. Er sei viel unterwegs gewesen und habe sich um die Familie nicht gekümmert. Dadurch sei von Anfang an ein inniges Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht zustandegekommen. Vor etwa zehn Jahren habe der Kläger Frau G*** kennengelernt, mit der er die Ehe gebrochen habe. Die Beklagte habe genaueres hierüber erst 1983 erfahren, als sie mit Frau G*** Kontakt aufgenommen habe. Da der Kläger damals erklärte, daß die Beziehung beendet sei, habe die Beklagte keinen Grund gesehen, dem Kläger nicht zu verzeihen. Die Beziehung der Streitteile sei damals aber bereits so gewesen, daß die Beklagte die Nachricht vom Ehebruch ihres Ehegatten nicht sonderlich erschüttert habe. Eine Scheidung habe die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt mit Rücksicht auf das Unternehmen abgelehnt. Sie sei bestrebt gewesen, ihren Mann stärker "in den Geschäftsbetrieb einzubauen", woran der Kläger aber nicht interessiert gewesen sei. Zu Silvester 1982/83 habe der Kläger Hermine B*** kennengelernt. Er sei einige Zeit später zu ihr gezogen, sei jedoch im Juli 1983 wieder zur Beklagten zurückgekehrt. Seit November 1983 wohne er wieder bei Hermine B***. Er bezahle für Unterkunft samt Frühstück S 1.000,-- monatlich, wofür er gelegentlich auch das Abendessen erhalte. Hermine B*** wasche auch die Wäsche des Klägers. Er unternehme mit ihr gemeinsame Ausflüge; so sei er mit ihr fünf Tage nach Amsterdam gefahren, zu intimen Beziehungen sei es nicht gekommen. Beschimpfungen und Auseinandersetzungen schwerwiegender Art seien nicht feststellbar. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die Ehe der Streitteile sei von Beginn an dadurch gekennzeichnet gewesen, daß die Beklagte im Geschäft aufgegangen sei. Solchermaßen habe sich kein Familienleben entwickeln können, was dem Kläger jedoch nicht unwillkommen gewesen sei, weil ihm dieser Zustand Freiheit gewährt habe. Er habe auch keine Versuche unternommen, dies zu ändern. Als die Beklagte im Jahre 1983 von dem Verhältnis des Klägers zu Frau G*** erfahren habe, sei sie zwar getroffen gewesen, habe aber aus geschäftlichen Gründen nicht an eine Scheidung gedacht. Die letzte Gemeinsamkeit sei durch die Aufnahme der einer Lebensgemeinschaft nahekommenden Beziehung des Klägers zu Hermine B*** zerstört worden. Demzufolge sei die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers zu scheiden.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. In Stattgebung der Berufung der Beklagten änderte es das angefochtene Urteil im Verschuldensausspruch dahin ab, daß es das alleinige Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe aussprach. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Beklagte habe die Sorge um das finanzielle Wohl der Familie übernommen, weil der Kläger an geschäftlichen Dingen nicht interessiert gewesen sei. Sie habe daher die finanziellen Mittel aufzubringen gehabt, um die von ihrem Schwiegervater übernommenen Geschäftsschulden zu tilgen und den Kläger gegen einen gegen ihn geltend gemachten Regreßanspruch abzudecken. Der Kläger könne der Beklagten nicht zum Vorwurf machen, daß sie die finanzielle Basis als Voraussetzung einer gedeihlichen Familienentwicklung geschaffen habe. Es sei der Kläger gewesen, der seine Freizeit anderweitig verbracht habe. Den Versuch einer Intensivierung des Familienlebens habe der Kläger nicht unternommen. Die Ehe der Streitteile sei unter dem Gesichtspunkt der fleißigen und erfolgreichen Geschäftsfrau zu sehen, deren Ehegatte wohl an den Früchten des Geschäftes, nicht aber am Arbeitsaufwand teilhaben wollte. Vorwürfe des Klägers, die Beklagte habe ihn umerziehen wollen, seien nicht gerechtfertigt. Die Beklagte habe nur die Freizeitgestaltung des Klägers familiengerecht beeinflussen wollen. Daß die Beklagte schließlich ihre Bemühungen aufgegeben und die Ehe nur mehr aus geschäftlichen Gründen aufrecht erhalten habe, könne ihr nicht zum Vorwurf gereichen. Der Kläger habe durch die Aufnahme der einer Lebensgemeinschaft nahekommenden Beziehung zu Hermine B*** die letzten Gemeinsamkeiten in der Verbindung der Streitteile beseitigt. Unterstützungsweise sei auch auf den verfristeten und verziehenen Ehebruch mit Frau G*** Bedacht zu nehmen. Insgesamt treffe daher den Kläger das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.
Der Revisionswerber führt aus, der Vertreter der Beklagten habe in der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Wien auf Grund der Anregung des Berichterstatters die vorbehaltslose Erklärung abgegeben, die erhobene Berufung zurückzuziehen, wogegen sein Vertreter eine Zurückziehung des Rechtsmittels abgelehnt habe. Das Berufungsgericht sei daher nicht befugt gewesen, der nicht aufrecht erhaltenen Berufung der Beklagten Folge zu geben. Mit diesen Ausführungen wird ein Verstoß des Berufungsgerichtes gegen die eingetretene Teilrechtskraft gerügt, doch liegt der gerügte Nichtigkeitsgrund nicht vor. Das Berufungsgericht hat bereits in seinem Beschluß vom 20. September 1985, ON 31, womit der Widerspruch des Klägers gegen das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 2. Mai 1985 zurückgewiesen wurde, zum Ausdruck gebracht, daß vom Berufungssenat eine Bereinigung der Streitsache durch Zurücknahme der Berufungen der Streitteile angeregt worden sei; während sich der Vertreter der Beklagten hiezu grundsätzlich positiv geäußert habe, habe der Vertreter des Klägers eine solche Möglichkeit von vornherein abgelehnt. Weitere Versuche in dieser Richtung seien deshalb nicht unternommen worden. Selbst die Unterlassung des Widerspruchs gegen das Protokoll schließt den Gegenbeweis der Unrichtigkeit nicht aus (vgl. SZ 53/94; Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 633). Im vorliegenden Fall wurde der Beweis, daß die Protokollierung unvollständig wäre, aber nicht erbracht. Der Kläger hat sich zum Nachweis der erfolgten Zurückziehung der Berufung auf ein Schreiben berufen, das sein Vertreter am 2. Mai 1985 an ihn abgefertigt habe und in dem zum Ausdruck gebracht wurde, daß "die Gegenseite ihre Berufung zurückgezogen" habe. Im Beschluß des Berufungsgerichtes vom 20. September 1985, ON 31, wurde aber klargestellt, daß in der mündlichen Berufungsverhandlung nur angeregt wurde, die Berufungen zurückzuziehen, diese Anregung sei am Verhalten des Vertreters des Klägers gescheitert. Dem Schreiben des Klagevertreters an seinen Mandanten kann daher nur die Bedeutung beigemessen werden, daß die Erklärungen des Vertreters der Beklagten als vorbehaltslose Zurücknahme der Berufung aufgefaßt wurden, für einen Beweis dieser Tatsache reicht dieses Schreiben nicht aus; seine Einvernahme hat der Vertreter des Klägers nicht angeboten. Die weiteren Ausführungen, die Beklagte habe nur den Berufungsantrag gestellt, "das erstgerichtliche Urteil bezüglich meines (d.h. des Klägers) Verschuldens zu belassen und zu bestätigen" sind aktenwidrig. Der Berufungsantrag der Beklagten in der Berufungsschrift lautet dahin, dem Klagebegehren der Widerklage stattzugeben und damit die Ehe aus dem Verschulden des Klägers zu scheiden. Daß dieser Antrag in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht aufrecht erhalten worden wäre, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Wenn die Revision schließlich geltend macht, daß der Vertreter der Beklagten keine Berufungsbeantwortung erstattet habe und daher auch eine solche, entgegen dem Protokollinhalt, nicht habe vortragen können, so kommt diesem Umstand für die Entscheidung über die erhobene Revision keine Bedeutung zu.
Die Vorinstanzen haben als erwiesen erachtet, daß der Kläger grundlos die eheliche Gemeinschaft im Juli 1983 und nach kurzer Wiederaufnahme endgültig im November 1983 aufgehoben habe und zu Hermine B*** gezogen sei. Dieses Verhalten, auf das die Widerklage auch ausdrücklich gegründet wurde, stellt unabhängig davon, ob es zwischen dem Kläger und Hermine B*** zu intimen Beziehungen gekommen ist, eine schwere Eheverfehlung (§ 49 EheG) dar. Ständige Beziehungen eines Ehegatten zu einer Frau sind auch dann ehewidrig, wenn ehebrecherische oder ehestörende Verhaltensweisen nicht erwiesen sind. Wenn der Kläger mit Hermine B*** abends ausging und eine Reise nach Amsterdam unternahm, so liegt auch darin eine schwere Eheverfehlung (vgl. EFSlg. 43.614, 38.964 u.a.). Diese Eheverfehlungen sind auch nicht verfristet, weil mit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im November 1983 die Hemmung des Fristenlaufes für die Geltendmachung dieser Verfehlungen eingetreten ist (§ 57 Abs. 1 dritter Satz EheG). Im Hinblick auf das Vorliegen nicht verfristeter Eheverfehlungen konnte vom Berufungsgericht auch auf die bereits verfristete und verziehene Eheverfehlung des Ehebruchs mit Frau G*** zur Unterstützung der Widerklage Bedacht genommen werden (§ 59 Abs. 2 EheG).
Die vom Kläger behaupteten Eheverfehlungen der Beklagten, daß diese herrschsüchtig gewesen sei, ständig versucht habe, den Charakter des Klägers zu ändern, ihm die Wohnungsschlüssel entzogen und ihn letztlich aus dem Haus gewiesen habe, wurden von den Vorinstanzen nicht als erwiesen erachtet und können daher der rechtlichen Beurteilung nicht zugrundegelegt werden. Nicht erwiesen ist auch, daß die Beklagte dem Kläger Lohn für seine Tätigkeit im Unternehmen vorenthalten hätte. Soweit der Revisionswerber Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen bekämpft, wie etwa, daß er in den Anfangsjahren der Ehe viel unterwegs gewesen sei, und sich nicht einmal dann, wenn er zu Hause war, viel um die Familie gekümmert habe, ist darauf zu verweisen, daß der Oberste Gerichtshof an die von den Vorinstanzen getroffenen Tatsachenfeststellungen, soweit sie nicht mit den Gesetzen der Logik und Erfahrung unvereinbar sind (RZ 1967, 105 u.a.), gebunden ist. Der Erstrichter erkannte sowohl der Klage als auch der Widerklage Berechtigung zu, wenn auch nicht ganz klar zum Ausdruck gebracht wurde, welche Eheverfehlungen der Beklagten die Stattgebung des Klagebegehrens rechtfertigten. Das Berufungsgericht erkannte nur die Widerklage als berechtigt und verneinte schwere Eheverfehlungen der Beklagten. Darin ist dem Berufungsgericht zu folgen. Als Eheverfehlung der Beklagten käme nach den vorliegenden Beweisergebnissen überhaupt nur in Betracht, daß sie die Sorge um den geschäftlichen Erfolg gegenüber der gedeihlichen Entwicklung des Familienlebens Vorrang einräumte. Nach ständiger Rechtsprechung ist jeder Ehegatte verpflichtet, seine berufliche Arbeit so einzuteilen, daß er sich entsprechend Zeit für den anderen Ehegatten und für die Familie erübrigen kann. Der Ehegatte, der keine Fühlung mit dem Ehepartner sucht und nur seinen Interessen lebt, handelt ehewidrig (EvBl. 1973/179 u.v.a.). Bei der Ausübung der Erwerbstätigkeit haben die Ehegatten auf die Belange des Partners und der Familie entsprechend Rücksicht zu nehmen (EFSlg. 38.695, 18.133; Schwind in Klang, Kommentar 2 I/1, 768). Im vorliegenden Fall trifft es aber zu, daß die Sorge um die finanzielle Basis der Familie auf der Beklagten lastete und der Kläger mit der intensiven Tätigkeit der Beklagten im Unternehmen einverstanden war und keinen Versuch unternahm, dies zu ändern, weil ihm dies viel Zeit ließ, seinen eigenen Interessen nachzugehen. Bei dieser Sachlage kann im Verhalten der Beklagten eine schwere Eheverfehlung nicht erblickt werden. Demnach erweist sich aber das Begehren der Klage als nicht gerechtfertigt, weil keine schwere Eheverfehlung der Beklagten erwiesen ist. Es kommt nur dem Begehren der Widerklage auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers Berechtigung zu. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist demnach mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen (vgl. hiezu Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 2363). Die Anfechtung der Kostenentscheidung zweiter Instanz ist unzulässig (§ 528 Abs. 1 Z 2 ZPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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