OGH 1Ob51/06s

OGH1Ob51/06s4.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes G*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer und Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde U*****, vertreten durch Dr. Walter Kerle und Dr. Stefan Aigner, Rechtsanwälte in Innsbruck, und den Nebenintervenienten Land Tirol, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 11.087,79 sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 1. Dezember 2005, GZ 2 R 183/05m-25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Mai 2005, GZ 18 Cg 88/04x-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1.) Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in der Abweisung von EUR 5.617,41 samt 4 % Zinsen seit 16. 3. 2004 als Teilurteil bestätigt. Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten.

2.) Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1. 7. 2002 Betreiber eines Hotels, das er von seiner Mutter übernommen hat. Am 2. 6. 2004 trat ihm seine Mutter sämtliche Ansprüche aus dem Getränkesteuerverfahren für den Zeitraum 1997 bis einschließlich Mai 1999, „insoweit diese insbesondere zu Amtshaftungsansprüchen" führten, ab.

Die beklagte Partei hatte durch ihren Bürgermeister mit verschiedenen Bescheiden aus dem Jahr 1999 die Getränkesteuer bescheidmäßig festgesetzt. Nachdem dagegen jeweils Berufung, verbunden mit dem Antrag auf Zahlungsaufschub gemäß § 199 Abs 2 TLAO erhoben worden war, schloss der Bürgermeister der Beklagten als Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid den Aufschub gemäß § 199 Abs 4 lit a TLAO aus. Dieser Bescheid wurde vom Gemeindevorstand als Abgabenbehörde zweiter Instanz bestätigt. Beide Instanzen vertraten die Auffassung, eine Berufung habe offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine rückwirkende Aufhebung der Getränke- und Speiseeissteuerpflicht durch den Verwaltungsgerichtshof sei mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Insbesondere sei im Hinblick auf den Vertrauensschutz der Republik Österreich - in den Beitrittsverhandlungen sei die EU-Konformität der Getränke- und Speiseeissteuer nicht in Frage gestellt worden - und den Umstand, dass die Steuer wirtschaftlich von den Konsumenten getragen werde und diesen nicht mehr zurückgegeben werden könne, diese Einschätzung berechtigt.

Die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde wies die dagegen erhobenen Vorstellungen als unbegründet ab. Diese Bescheide wurden vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Das am 17. 5. 2001 ergangene (erste) Erkenntnis zu dieser Frage wurde auszugsweise wie folgt begründet:

„... Zu entscheiden ist hier allein die Frage, ob die Berufung „offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg" hatte.

...

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Dezember 1997 den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung darüber angerufen, ob Artikel 33 Abs 1 der 6. Richtlinie des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern und Artikel 3 Abs 2 bzw Abs 3 zweiter Satz der Richtlinie des Rates vom 25. 2. 1992 der Beibehaltung einer Abgabe entgegensteht, die auf die entgeltliche Lieferung unter anderem von Getränken erhoben wird. Über dieses Vorabentscheidungsverfahren wurde auch in den Medien berichtet - siehe beispielsweise „Die Presse" vom 9. Jänner 1998, „Tiroler Tageszeitung" vom 23. Jänner 1998. ...

... Eine Berufung hat offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Aussichtslosigkeit für jede mit der Sache vertraut gemachte Person erkennbar ist. Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarkeit der Getränkesteuer mit zwei EU-Richtlinien Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens war, kann keine Rede davon sein, dass eine Geltendmachung der Unvereinbarkeit „offensichtlich" aussichtslos war. ...

... Da die Gemeindeinstanzen in Verkennung der Rechtslage den Aufschiebungsantrag als offensichtlich aussichtslos ansahen und die belangte Behörde dies nicht zum Anlass der Aufhebung des rechtswidrigen Bescheides des Gemeindevorstandes machte, belastete sie ihren Bescheid mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes. .."

Auf Grund der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs gab die Aufsichtsbehörde der Vorstellung der Mutter des Klägers mit Bescheid vom 22. 10. 2001 Folge und hob die angefochtenen Bescheide des Gemeindevorstands auf. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Gemeindevorstand) trug dem Bürgermeister als Abgabenbehörde erster Instanz auf, eine Berufungsvorentscheidung unter Berücksichtigung des Erkenntnisses der Aufsichtsbehörde zu erlassen. Die bereits im Dezember 1999 bzw im März 2000 im Exekutionsweg hereingebrachten Beträge von EUR 21.116,03 und EUR 11.757,38 wurden weder der Mutter des Klägers noch ihm selbst rückerstattet.

Die Frage, ob die österreichischen Vorschriften über die Getränkesteuer gemeinschaftsrechtskonform sind, wurde bereits im Jahr 1998 auch in Tageszeitungen thematisiert, nachdem der VwGH ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet hatte. Das Amt der Tiroler Landesregierung teilte den Gemeinden Tirols in einem Merkblatt vom April 1998 seine Rechtsauffassung zu diesem Thema unter dem Titel „Getränkesteuer auf dem Prüfstand - wie sollen sich Tirols Gemeinden verhalten?" mit, wobei auszugsweise folgendermaßen argumentiert wurde:

„Der Zahlungsaufschub ist insbesondere auszuschließen, wenn die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Eine entsprechende Erfolgsaussicht erscheint im konkreten Fall deshalb als nicht gegeben, weil eine rückwirkende Aufhebung der Getränkesteuern mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Insbesondere im Hinblick auf den Vertrauensschutz der Republik Österreich - in den Beitrittsverhandlungen wurde die EU-Konformität der Getränkesteuer angesprochen und von beiden Verhandlungsseiten die EU-Konformität nicht in Frage gestellt - und den Umstand, dass die Getränkesteuer von den Konsumenten wirtschaftlich getragen wird und den Konsumenten als den „Geschädigten" nicht mehr zurückgegeben werden kann, ist diese Einschätzung begründet. Es fehlt daher an einem den Zahlungsaufschub rechtfertigenden Rechtsschutzbedürfnis der Getränkesteuerpflichtigen. Sowie der Zahlungsaufschub bescheidmäßig ausgeschlossen ist, hat die Gemeinde die zeitgerechte Entrichtung der Getränkesteuer zu überwachen, allenfalls ohne weiteren Verzug und ohne weitere Mahnung einen Rückstandsausweis auszufertigen und die zwangsweise Einbringung zu veranlassen."

In den hier klagegegenständlichen Getränkesteuerverfahren hielten sich die Organe der beklagten Partei an die Empfehlungen im Merkblatt vom April 1998.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz eines im Zeitraum vom 6. 12. 1999 bis 30. 8. 2004 entstandenen Zinsenschadens von insgesamt EUR 7.194,11, von Vertretungskosten im Verwaltungsverfahren von EUR 2.907 (richtig ergibt der Betrag der Einzelpositionen in Beilage./C ATS 39.000,--, also nur EUR 2.834,24) und im Exekutionsverfahren von EUR 726,73, sowie von der beklagten Partei im Exekutionsverfahren esetzten Exekutionskosten von EUR 259,95. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, die beklagte Partei habe in rechtswidriger und unvertretbarer Weise den in den Berufungen beantragten Zahlungsaufschub ausgeschlossen. Die Berufungen seien keineswegs aussichtslos gewesen. Darüber hinaus weigere sich die beklagte Partei trotz der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs, positive Zahlungsaufschubbescheide auszustellen bzw den rechtswidrigerweise eingebrachten Betrag von insgesamt EUR 32.873,41 zurückzuzahlen. Nach Aufhebung der gemäß § 199 Abs 4 TLAO erlassenen Bescheide stünde dem Kläger gemäß § 63 VwGG der Anspruch auf Folgenbeseitigung zu. Dieser sei hinsichtlich der Hauptsache (Kapitalrückzahlung) im Verwaltungsverfahren zu verfolgen, in dem aber der Ersatz darüber hinausgehender Nachteile (Zinsen, Kosten) nicht geltend gemacht werden könne, sodass insoweit Amtshaftungsansprüche bestünden.

Die beklagte Partei bestritt jegliches Verschulden an einer allfälligen Unrichtigkeit der von ihr erlassenen Bescheide. Ihre Organe hätten sich vielmehr an die Vorgaben im Merkblatt gehalten. Sie seien von der Richtigkeit der darin enthaltenen Rechtsmeinung überzeugt gewesen. Mit einer rückwirkenden Aufhebung der Getränkesteuer durch den VwGH und einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit dieser Steuer sei nicht zu rechnen gewesen. Da die Steuer bereits eingebracht worden sei, könne ein Zahlungsaufschub nicht mehr gewährt werden. Einen Anspruch auf Folgenbeseitigung habe der Kläger nicht, weil eine Rückzahlung im Fall einer sonstigen Bereicherung des Abgabepflichtigen kraft Gesetzes nicht durchgeführt werden dürfe. Es sei davon auszugehen, dass die Getränkesteuer vom Unternehmer auf die Konsumenten überwälzt worden sei. Weiters wurde ein Verjährungseinwand erhoben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im Wesentlichen von den eingangs dieser Entscheidung wiedergegebenen Feststellungen ausging. Die in den erstgerichtlichen Feststellungen darüber hinaus enthaltene Ausführung „Ein etwaiger Zinsschaden im Vermögen der klagenden Partei durch die Nicht-Gewährung eines Zahlungsaufschubes und die darauf folgende zwangsweise Eintreibung der obigen Getränkesteuerbeträge seitens der beklagten Partei kann nicht festgestellt werden" stellt in Wahrheit einen Teil der rechtlichen Beurteilung dar, wird diese Urteilspassage doch damit begründet, ein Schaden habe auf Grund der derzeit herrschenden Rechtsauffassung über die Überwälzung der Getränkesteuer auf den Konsumenten nicht als erwiesen angenommen werden können. Im Übrigen ging das Erstgericht von einer rechtsgültigen Abtretung allfälliger Ansprüche an den Kläger aus. Ein amtshaftungsbegründendes Verschulden sei den Organen der beklagten Partei nicht vorzuwerfen. Die Vorgaben im Merkblatt für die Gemeinden Tirols seien einer Weisung und nicht einer Empfehlung gleichzuhalten, weshalb sich die beklagte Partei bei der Handhabung der Zahlungsaufschübe daran habe halten müssen. Die in diesem Erlass enthaltenen Ausführungen hätten dem damaligen Wissensstand und der herrschenden Rechtsmeinung entsprochen, weswegen die später vom Verwaltungsgerichtshof erkannte Rechtswidrigkeit der erlassenen Bescheide kein schuldhaftes Handeln zu begründen vermöge. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Im Amtshaftungsrecht werde grundsätzlich nicht anders gehaftet als im allgemeinen Schadenersatzrecht, weshalb die Rechtsträger auch für leichtes Organverschulden hafteten. Seien Gesetzesbestimmungen nicht vollkommen eindeutig, enthielten sie Unklarheiten über die Tragweite ihres Wortlauts, und stehe zudem keine höchstgerichtliche Rechtsprechung als Entscheidungshilfe zur Verfügung, komme es allein darauf an, ob bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände die getroffene Entscheidung als vertretbar bezeichnet werden könne. Nach § 199 Abs 4 lit a TLAO habe die Abgabenbehörde den beantragten Zahlungsaufschub auszuschließen, wenn die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Nach der Rechtsprechung des VwGH aus dem Jahr 2000 komme eine „Abweisung" nur dann in Betracht, wenn die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels offenkundig sei, wenn also die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels für jede mit der Sache vertraut gemachte urteilsfähige und objektiv urteilende Person erkennbar sei. Da der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH über die Richtlinienkonformität der in Österreich für alkoholische Getränke eingehobenen Getränkesteuer fraglich gewesen sei, sei dem Berufungswerber zunächst darin beizupflichten, dass zum damaligen Zeitpunkt von einer offenkundigen Aussichtslosigkeit der Berufungen nicht gesprochen habe werden können, sodass grundsätzlich die Gewährung des beantragten Zahlungsaufschubs objektiv indiziert gewesen wäre. Habe sich die beklagte Partei jedoch an die Rechtsauskunft ihrer Aufsichtsbehörde darüber, wie die Gemeinden im Hinblick auf das anhängige Vorabentscheidungsverfahren bei der Beurteilung von Zahlungsaufschüben vorgehen sollten, gehalten, so habe sie dies mit gutem Grund getan und der begründeten Rechtsauffassung ihrer Aufsichtsbehörde entsprochen. Die Rechtsauffassung der beklagten Partei sei daher zumindest vertretbar gewesen, weshalb ein Amtshaftungsanspruch nicht bestehe. Hinzu komme, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 10. 3. 2005 (C-491/03 ) ausgesprochen habe, dass eine Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe alkoholhältiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben werde, als eine - gemeinschaftsrechtlich zulässige - Steuer auf Dienstleistungen anzusehen sei. Da der Kläger nicht Getränkehändler sei, sondern ein Hotel betreibe, sei davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständlichen Getränkesteuerbeträge für die Abgabe im Rahmen dieses Beherbergungsbetriebs „erhoben" worden seien, weshalb eine zulässige Steuer auf Dienstleistungen vorliege. Dies zeige, dass ex post gesehen die Entscheidung der beklagten Partei nicht nur vertretbar, sondern sogar richtig gewesen sei. Auch wenn im Allgemeinen die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsansicht keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstelle, sei die ordentliche Revision doch zulässig, weil die Geltendmachung weiterer, auf gleichgelagerte Sachverhalte gestützter Amtshaftungsansprüche durchaus denkbar sei.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass nach herrschender Judikatur nicht jede unrichtige Auslegung unklarer Gesetzesbestimmungen schuldhaft sein muss und dass auch an Organe von nach dem AHG haftenden Rechtsträgern der Maßstab des § 1299 ABGB anzulegen ist (vgl nur RIS-Justiz RS0026381, SZ 74/133; 8 ObA 70/03g ua). Entscheidend ist somit, welches Verhalten von einem verantwortungsbewussten und um eine Erforschung der Rechtslage bemühten Bürgermeister bzw von mit derartigen Kompetenzen betrauten Mitgliedern des Gemeindevorstands zu erwarten war (vgl dazu auch Schragel, AHG3 Rz 158).

Im vorliegenden Fall waren bei den inkriminierten Entscheidungen zwei Rechtsfragen zu lösen. Einerseits war zu ermitteln, welchen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Berufungserfolg § 199 Abs 4 lit a TLAO im Auge hat, wenn darauf abgestellt wird, ob die Berufung „offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg" hat. Diese Frage ist auch für einen erfahrenen und qualifizierten Juristen schwer zu beantworten, zumal anzunehmen ist, dass das vom Gesetzgeber verwendete Wort „hinreichende" eine gewisse Bedeutung haben muss, widrigenfalls es ohne weiteres weggelassen hätte werden können. Eine Auslegung, wonach sehr geringe Erfolgsaussichten einem Ausschluss des Zahlungsaufschubs nicht entgegen stehen, muss daher nach Ansicht des erkennenden Senats vertretbar erscheinen. Der Hinweis des Berufungsgerichts, der VwGH stelle in seiner Rechtsprechung auf (uneingeschränkt) offenkundige Aussichtslosigkeit ab, geht insoweit ins Leere, als die zitierten Entscheidungen den Organen der beklagten Partei zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung noch gar nicht bekannt sein konnten. Dass bereits früher verwaltungsgerichtliche Judikatur zur Auslegung der fraglichen Gesetzesbestimmung existiert hätte und der beklagten Partei zugänglich gewesen wäre, behauptet der Revisionswerber selbst nicht.

Andererseits war von den Organen der beklagten Partei zu beurteilen, ob mit geringer oder mit erheblicher oder sogar mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen wäre, dass der Europäische Gerichtshof die einschlägigen Bestimmungen über die Getränkesteuer - soweit sie die Besteuerung der Abgabe von alkoholischen Getränken im Rahmen von Beherbergungs- und Restaurationsbetrieben betreffen - als gemeinschaftsrechtswidrig erkennen werde. Auch hier war es nicht unvertretbar, eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit auszuschließen oder einer in diesem Sinne negativen Entscheidung des EuGH nur eine ganz geringe Wahrscheinlichkeit einzuräumen. Dass gerade für Getränkeumsätze, bei denen das Dienstleistungselement gegenüber der bloßen Warenlieferung überwiegt, ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht ernstlich zu befürchten war, zeigt schließlich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10. 3. 2005 zu C-491/03 , auf die bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat.

Entscheidend ist aber gar nicht, welche Erwägungen ein überaus sorgfältiger und ganz erfahrener Jurist zu den dargestellten Rechtsfragen angestellt hätte. Vielmehr kommt es darauf an, welches Verhalten von sorgfältigen Organwaltern einer Gemeinde (Bürgermeister, Mitglieder des Gemeindevorstands) erwartet werden konnte. In derart komplexen Rechtsfragen kann von ihnen nur verlangt werden, sich um Klärung im Wege einer Konsultation von Rechtsexperten zu bemühen, wobei es naheliegt, sich diesbezüglich an die fachkundigen Beamten der Gemeindeaufsichtsbehörde zu wenden. Eine konkrete Anfrage war im vorliegenden Fall gar nicht erforderlich, lag doch zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits eine generelle Empfehlung vor, in der eine - wie dargelegt nicht unvertretbare - Rechtsauffassung mitgeteilt worden war. Dass die Organe der beklagten Partei bei pflichtgemäßer Sorgfalt und unter Anlegung eines objektivierten Sorgfaltsmaßstabs in der Lage gewesen wären, eine allfällige Unrichtigkeit dieser Rechtsauskunft zu erkennen, kann keinesfalls gesagt werden. Damit kann den Organen der beklagten Partei nicht der Vorwurf gemacht werden, den Kläger bzw dessen Mutter durch die Erlassung inhaltlich unrichtiger Bescheide über den Ausschluss des beantragten Zahlungsaufschubs schuldhaft geschädigt zu haben.

Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten im Verfahren zur Durchsetzung des Zahlungsaufschubs sowie der Kosten des Exekutionsverfahrens wurde von den Vorinstanzen somit zutreffend als nicht berechtigt erkannt. Dies gilt auch für einen (den zeitlich früheren) Teil des Begehrens auf Ersatz von Zinsen, der aber derzeit noch nicht exakt eingegrenzt werden kann.

Richtig weist der Revisionswerber allerdings darauf hin, dass nach Aufhebung der Bescheide der beklagten Partei über den Ausschluss des Zahlungsaufschubs durch die Aufsichtsbehörde eine Verpflichtung zur unverzüglichen Rückerstattung der (exekutiv) hereingebrachten Vorschreibungsbeträge bestand. Nach der insofern eindeutigen Bestimmung des § 199 Abs 2 TLAO tritt ein Zahlungsaufschub im Falle eines darauf abzielenden, mit einer Berufung verbundenen Antrags grundsätzlich ex lege ein, sofern er nicht gemäß § 199 Abs 4 TLAO ausgeschlossen wird. Wurde nun ein derartiger Ausschluss zu Unrecht verfügt und der diesbezügliche Bescheid im Rechtsmittelweg behoben, ist der Berufungswerber nunmehr - soweit wie möglich - so zu stellen, als wäre er in den Genuss des Zahlungsaufschubs gekommen, da die sofortige Einhebung des Vorschreibungsbetrags ihre Grundlage verloren hat. § 188 Abs 1 TLAO erwähnt ausdrücklich den Fall einer zu Unrecht zwangsweise hereingebrachten Abgabe. Richtig verweist der Revisionswerber darauf, dass diese Rückerstattungspflicht sich allein aus innerstaatlichen Verfahrensbestimmungen ergibt; § 188 Abs 1 TLAO fordert lediglich einen Rückzahlungsantrag. Die Steuerbehörde kann sich weder auf ein materielles Bestehen der Steuerschuld berufen, noch auf das „Bereicherungsverbot" des § 187a TLAO, der ja nicht die Rückzahlungsverpflichtung nach Aufhebung eines Bescheids, mit dem ein Zahlungsaufschub ausgeschlossen wurde, betrifft. Vertretbare Erwägungen, aus denen die Rückerstattung der im Ergebnis vorzeitig eingehobenen Beträge unterblieben wäre, legt die beklagte Partei insgesamt nicht dar, sodass sie grundsätzlich jenen Schaden zu ersetzen hat, der dem Kläger bzw dessen Mutter durch die Nichterfüllung der Rückerstattungspflicht entstanden ist. Der Revisionswerber setzt sich auch mit der Frage auseinander, ab welchem Zeitpunkt die Rückerstattung der zu Unrecht eingehobenen Steuerbeträge zu erfolgen gehabt hätte, wobei er verschiedene Bezugspunkte für möglich hält (Zahlung der Beträge, Vorliegen der Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse, Aufhebung der abweisenden Zahlungsaufschubbescheide durch die Aufsichtsbehörde). Grundsätzlich ist dazu festzuhalten, dass eine Rückerstattung frühestens in Betracht kommt, wenn die Unrechtmäßigkeit der (vorzeitigen) Einhebung feststeht und keine einer Rückzahlung entgegenstehenden Bescheide mehr bestehen bzw bei pflichtgemäßem Vorgehen zu beseitigen gewesen wären. In sämtlichen vom Revisionswerber angesprochenen Zeitpunkten bestand damit ein Rückerstattungsanspruch noch nicht, zumal auch die Bescheide der Aufsichtsbehörde lediglich die Bescheide des Gemeindevorstands als Abgabenbehörde zweiter Instanz aufgehoben haben, was aber vorerst auf den Bestand der erstinstanzlichen Bescheide über den Ausschluss eines Zahlungsaufschubs noch keine unmittelbare Auswirkung hatte. Bei pflichtgemäßem Vorgehen hätten die Gemeindeorgane (Gemeindevorstand) nach Einlangen der Bescheide der Aufsichtsbehörde unverzüglich über die Berufungen des Klägers gegen die erstinstanzlichen Abgabenbescheide entscheiden müssen, und zwar im Sinne einer ersatzlosen Behebung. Damit wäre der Ausspruch des Ausschlusses des Zahlungsaufschubs weggefallen und der Kläger bzw dessen Mutter berechtigt gewesen, sich auf die dem Abgabenpflichtigen ex lege zustehende aufschiebende Wirkung seiner Berufungen gegen die bekämpften Abgabenbescheide zu berufen und die Rückzahlung nach § 188 Abs 1 TLAO zu verlangen, die umgehend durchzuführen gewesen wäre. Positive Zahlungsaufschubbescheide kommen im Anwendungsbereich des § 199 Abs 2 TLAO entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht in Betracht.

Geht man von den unbekämpften Feststellungen der Vorinstanzen aus, nach denen die Bescheide der Aufsichtsbehörde, mit der die (bestätigenden) Bescheide des Gemeindevorstands aufgehoben wurden, vom 22. 10. 2001 stammen, kann unter Berücksichtigung der für die Zustellung und die Vorbereitung einer Sitzung des Gemeindevorstands erforderlichen Zeit mit Sicherheit gesagt werden, dass eine Entscheidung über den Wegfall der erstinstanzlichen Bescheide und eine Rückerstattung der eingehobenen Beträge nicht vor dem 11. 11. 2001 hätte erfolgen müssen, womit sich die Rechtssache im Sinne einer teilweisen Bestätigung der abweisenden Entscheidung der Vorinstanzen als entscheidungsreif erweist, weil vor diesem Zeitpunkt eingetretene Vermögensnachteile nicht durch die (schuldhafte) Verweigerung der Rückerstattung verursacht sein können. Abgesehen von den bereits behandelten Kosten im Zusammenhang mit dem Exekutionsverfahren von EUR 726,73 (Vertretungskosten) und EUR 259,95 (Exekutionskosten) kommt der Ersatz der für die Zeit vom 6. 12. 1999 bis 11. 11. 2001 begehrten Zinsen in Höhe von EUR 3.358,87 (vgl Beil./E) ebenso wenig in Betracht wie ein Ersatz der Kosten des Steuerberaters für Leistungen vom 1. 7. 1999 bis 28. 8. 2001 (vgl Beil./C) im Betrag von (umgerechnet) EUR 1.199,10, womit sich das Klagebegehren - unter Berücksichtigung des Rechenfehlers in der Aufstellung./C sowie einer überhöhten Umrechnung von ATS in EUR (zusammen EUR 72,76) - jedenfalls im Umfang von EUR 5.617,41 samt den begehrten Zinsen als unberechtigt erweist. Gegenstand des weiteren Verfahrens sind daher noch die mit EUR 3.835,24 bezifferten Zinsen für den Zeitraum vom 12. 11. 2001 bis 30. 8. 2004 sowie das Begehren auf Ersatz der - in der Aufstellung Beil./C konkretisierten - Kosten für weitere Steuerberatungsleistungen in Höhe von EUR 1.635,14, jeweils samt Zinsen.

Der Kläger hat sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren - auch durch die sein zusammengefasstes Prozessvorbringen ergänzende „Schuldnerabrechnung" (Beil./E) - auf die Inanspruchnahme von Bankkredit zur Abdeckung der unberechtigterweise eingezogenen bzw einbehaltenen Beträge, die für die jeweils ausgewiesenen Zeiträume mit den jeweils genannten Zinssätzen zu verzinsen gewesen seien, berufen. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht über die vermeintlich fehlende Rückzahlungspflicht der beklagten Partei haben es die Vorinstanzen unterlassen, Feststellungen zu diesen Tatsachenbehauptungen des Klägers zu treffen. Ebenso wird die Tatsachengrundlage zur Frage zu verbreitern sei, zu welchem Zeitpunkt der beklagten Partei die jeweiligen Beschlüsse der Aufsichtsbehörde über die Aufhebung ihrer Bescheide zugestellt wurden und zu welchem Zeitpunkt sie bei pflichtgemäßem Vorgehen Rückzahlungen an den Kläger bzw dessen Mutter vornehmen hätte müssen. Sollte sich danach ergeben, dass dem Kläger bzw dessen Mutter für einen bestimmten Zeitraum ein Vermögensnachteil dadurch entstanden ist, dass ein Bankkredit im Umfang der rückzuzahlenden Beträge weiterhin - mit einer zahlenmäßig zu ermittelnden Zinsenbelastung - in Anspruch genommen werden musste, wird sich das Erstgericht weiters mit dem Einwand der beklagten Partei zu befassen haben, ein ebenso großer Nachteil wäre auch bei Gewährung des Zahlungsaufschubs bzw bei Rückzahlung der vorzeitig eingehobenen Beträge entstanden, weil der Kläger bzw dessen Mutter verpflichtet gewesen wäre, Stundungszinsen zu entrichten. Schließlich werden - nach Erörterung mit dem Kläger - auch Feststellungen über die konkreten Leistungen des Steuerberaters zu treffen sein, die nach den Klagebehauptungen durch die Verweigerung der Rückerstattung notwendig geworden seien. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Kosten, die zur Vorbereitung des Amtshaftungsprozesses aufgewendet wurden, nach herrschender Judikatur das Schicksal der eigentlichen Prozesskosten teilen und nicht unter Berufung auf Schadenersatz im ordentlichen Rechtsweg eingefordert werden können. Soweit die beklagte Partei im Revisionsverfahren neuerlich auf ihren Verjährungseinwand zurückkommt, ist ihr zu entgegnen, dass ein amtshaftungsbegründendes Verhalten vor Zustellung der mit 22. 10. 2001 datierten Aufhebungsbescheide der Aufsichtsbehörde keinesfalls vorlag und die Klage somit jedenfalls innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, nämlich am 2. 9. 2004, erhoben wurde. Schließlich besteht auch an einem den Forderungsübergang auf den Kläger rechtfertigenden Rechtsgrund kein Zweifel, steht doch fest, dass er den Hotelbetrieb seiner Mutter übernommen hat.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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