OGH 1Ob37/20b

OGH1Ob37/20b16.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W* und 2. F*, beide *, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei Ö*gesellschaft mbH, *, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen 40.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2019, GZ 4 R 147/19y‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 15. Juli 2019, GZ 8 Cg 68/18p‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128357

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Kläger sind jeweils Eigentümer einer Eigentumswohnung. Die beklagte gemeinnützige Wohnbaugesellschaft wird auf benachbarten Grundstücken ein von der Baubehörde bereits bewilligtes Projekt (ein sechsstöckiges Mehrfamilienwohnhaus) errichten. Die Kläger begehren wegen der mit diesem Projekt einhergehenden negativen Immissionen die Zahlung von 40.000 EUR sA „zur gesamten Hand“ und die Feststellung der Haftung der Beklagten ihnen gegenüber „zur gesamten Hand“ für sämtliche zukünftige Schäden, die durch negative Immissionen (Schattenwurf, Entzug von Sonnenlicht) entstehen werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand hinsichtlich jeder klagenden Partei mit insgesamt mehr als 30.000 EUR und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der Kläger ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Die Kläger stellen – zu Recht – nicht in Frage, dass ein Mehrfamilienhaus keine „behördlich genehmigte Anlage“ nach § 364a ABGB ist.

2. Bereits mehrfach hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass das Untersagungsrecht des Eigentümers eines Grundstücks gegenüber seinen Nachbarn in Bezug auf die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche (soweit sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen) nicht auch Schattenwerfen oder den Entzug der erwärmenden Kraft der Sonne und ihres Lichts durch Bauwerke umfasst (RIS‑Justiz RS0010627; RS0010576; zuletzt 5 Ob 16/14k [Feuermauer]; vgl auch 6 Ob 129/14k = RS0129852). Einer möglichen Auslegung der Bestimmung des § 364 ABGB dahin, dass von der Wendung „und ähnliche“ in Abs 2 auch der durch behördlich bewilligte Bauwerke verursachte Entzug von Licht oder Luft umfasst sein könnte, wurde mit dem Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 (ZivRÄG 2004), BGBl I 2003/91, ganz eindeutig der Boden entzogen. Seither kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn unter bestimmten Voraussetzungen (einerseits auch) Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft untersagen, (andererseits aber nur jene) die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehen (§ 364 Abs 3 ABGB). In den Gesetzesmaterialien wird dazu ausdrücklich erläutert, dass der im Begutachtungsentwurf noch enthaltene Vorschlag zu einer Regelung (auch) der negativen Immissionen durch Bauwerke (nach dem Vorschlag sollte zwar die Unterlassungsklage nicht statthaft sein, jedoch dem beeinträchtigten Nachbar im Fall ortsunüblicher und wesentlicher Beeinträchtigungen ein Anspruch auf Entschädigung nach § 364a ABGB zustehen) nicht übernommen wurde. Weil die Einhaltung der Abstandsvorschriften in den öffentlich-rechtlichen Bauordnungen in allen Bauordnungen als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht gewährleistet sei, sei es nicht geboten, dem Nachbarn neben diesen öffentlich-rechtlichen Rechten auch noch privatrechtliche Ansprüche einzuräumen. Der Vorwurf einer fehlenden sachlichen Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung negativer Immissionen durch Bauwerke und durch Pflanzen sei vor dem Hintergrund der gänzlich unterschiedlich gelagerten Sach- und Rechtslage „nicht stichhaltig“. Die Beeinträchtigung durch negative, von Bauwerken verursachte Immissionen sollte nach dem klaren Willen des Gesetzgebers „also nicht zu zivilrechtlichen Ansprüchen führen können, und zwar auch nicht zu verschuldensunabhängigen Entschädigungsansprüchen nach § 364a ABGB“ (ErläutRV 173 BlgNR 22. GP  8, 13).

3. Die auf diese Rechtsprechung (unter Hinweis auch auf das ZivRÄG 2004 samt Gesetzesmaterialien) gestützte Beurteilung beider Vorinstanzen, dass der Schattenwurf (und der damit einhergehende Wärmeentzug) des geplanten Bauwerks keine Immission im Sinne des § 364 ABGB ist und eine analoge Anwendung des § 364a ABGB mangels planwidriger Gesetzeslücke (RS0008859; RS0008866 [T8, T13]; RS0008870 [T4]), nicht in Betracht kommt, begegnet demnach keinen Bedenken. Dies können die Revisionswerber mit ihrem Verweis auf (abgesehen von einer Ausnahme) vor dem ZivRÄG 2004 verfasste Beiträge aus der Lehre nicht erschüttern, umso weniger, als sie auf die durch diese Novelle veränderte Gesetzeslage an keiner Stelle ihres Rechtsmittels eingehen. In dem von ihnen zitierten Beschluss zu 8 Ob 95/11w (der nach dem ZivRÄG 2004 ergangen ist), ging es nicht um ein mit dem bewilligten Bauvorhaben vergleichbares Projekt, sondern um ein Windrad, bei dessen Betriebsgenehmigung die damalige Klägerin im Verwaltungsverfahren übergangen worden war.

4. Weder fehlt also Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Ansprüchen aufgrund von Schattenwurf eines Bauwerks, noch ist sie – wie die Revisionswerber allerdings unter bloßem Hinweis auf „andere Erkenntnisse in Verwaltungsverfahren“ oder Entscheidungen des deutschen Bundesgerichtshofs behaupten – uneinheitlich.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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