OGH 1Ob344/61

OGH1Ob344/6123.8.1961

SZ 34/107

Normen

ABGB §181 Abs3
ABGB §181 Abs3

 

Spruch:

"Gerechtfertigte Gründe" für die Verweigerung der Zustimmung durch den Ehegatten des Adoptierenden nach § 181 Abs. 3 ABGB.

Entscheidung vom 23. August 1961, 1 Ob 344/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Auf Antrag des Magistrates der Landeshauptstadt Linz bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 12. April 1961 die Annahme an Kindes Statt auf Grund des zwischen Otto H. als Wahlvater und dem mj. Otto G., vertreten durch das Jugendamt L., als Wahlkind am 24. Jänner 1961 abgeschlossenen Adoptionsvertrages, wobei die verweigerte Zustimmung der Ehegattin des Annehmenden gemäß § 181 Abs. 3 ABGB. durch Gerichtsbeschluß ersetzt wurde.

Auf Grund des Rekurses der Ehegattin des Otto H., Aloisia H., wurde der Beschluß des Erstgerichtes vom Rekursgericht dahin abgeändert, daß der Antrag auf Genehmigung des Adoptionsvertrages und auf Ersetzung der Zustimmungserklärung der Ehegattin durch Gerichtsbeschluß abgewiesen wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Otto H. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Untergerichte trafen folgende Feststellungen: Otto H. ist mit Aloisia H. seit 1937 verheiratet. Er lebt seit dem Jahre 1953 von seiner Gattin getrennt. Er hat bereits einmal versucht, eine Scheidung der Ehe zu erwirken; die auf die Scheidungsgrunde der §§ 49 und 55 EheG. gestützte Ehescheidungsklage wurde rechtskräftig abgewiesen, in letzterem Belange infolge des für beachtlich befundenen Widerspruches der Beklagten. Otto H. lebt seit 8 Jahren mit Anna A. in Lebensgemeinschaft; aus dieser stammt der am 19. September 1956 geborene mj. Otto G. Anna A. wurde auf Privatanklage der Aloisia H. im Jahre 1954 wegen ihrer ehewidrigen Beziehungen zu Otto H. wegen Übertretung gegen die öffentliche Sittlichkeit nach den §§ 5, 525 StG. verurteilt. Anna A. hat ihre Zustimmung zur Adoption ihres außerehelichen Kindes durch Otto H. gegeben. Aloisia H. hat ihre Zustimmung zur Adoption des Kindes durch ihren Ehegatten mit der Begründung versagt, daß sie im Falle des Zustandekommens des Adoptionsvertrages in ihren gesetzlichen Ansprüchen auf Unterhalt sowie in ihrem Erbrecht erheblich beeinträchtigt würde; ferner hat sie darauf hingewiesen, daß auch sittliche Gründe gegen die Annahme an Kindes Statt sprächen, weil das in Rede stehende Kind im Wege eines Ehebruches des Wahlvaters gezeugt worden sei.

Das Erstgericht hat den Standpunkt eingenommen, daß die Weigerungsgrunde der Aloisia H. nicht stichhältig seien, und hat im Sinne des § 181 Abs. 3 ABGB. die verweigerte Zustimmung der Genannten ersetzt. Es hat diesen Beschluß damit begrundet, daß von einer Schmälerung ihres Erbrechtes deshalb keine Rede sein könne, weil ihr als Gattin kein Pflichtteilsrecht zustehe und Otto H., da er beabsichtige, durch Errichtung eines Testamentes den Minderjährigen zum Universalerben einzusetzen, ihr gesetzliches Erbrecht vernichten könne; auch von der Gefahr einer Schmälerung der Unterhaltsansprüche der Gattin könne nicht die Rede sein, weil Otto Hauch als außerehelicher Vater dem Minderjährigen gegenüber eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung habe. Das Erstgericht gelangte angesichts der Tatsache, daß durch den zu genehmigenden Adoptionsvertrag Rechte dritter Personen nicht beeinträchtigt erschienen und daß überdies die Genehmigung des Antrages im Interesse des Wahlkindes liege, zur Genehmigung des Wahlkindschaftsvertrages.

Das Rekursgericht ging in seinem den Antrag auf Genehmigung des Vertrages abweisenden Beschluß davon aus, daß die Bestimmung des § 181 Abs. 3 ABGB. als Ausnahmsbestimmung enge auszulegen sei, daß an die für die Verweigerung der Zustimmung vorgebrachten Gründe kein zu strenger Maßstab anzulegen sei und daß grundsätzlich die Willensfreiheit der durch die Adoption betroffenen Personen zu achten sei, weshalb sich das Gericht über deren Willen nur hinwegsetzen dürfe, wenn die Zustimmung schikanös versagt und die Weigerung etwa nur dazu mißbraucht werde, um eine durch schutzwürdige Interessen gebotene Annahme an Kindes Statt zu verhindern. Würde, so führt das Rekursgericht aus, im gegenständlichen Fall gegen den Willen des anderen Ehegatten die Annahme an Kindes Statt bewilligt, so würde dies die Zerrüttung der Ehe der Ehegatten H. fördern und die Rechtsstellung der an der Zerrüttung schuldlosen Ehegattin verschlechtern, weil sie, abgesehen von vermögensrechtlichen Nachteilen, befürchten müßte, daß ihr Widerspruch gegen eine neuerliche, auf § 55 EheG. gestützte Scheidungsklage ihres Gatten an Beachtlichkeit verlieren würde.

Wenn es auch zutrifft - worauf das Erstgericht hingewiesen hat -, daß Aloisia H., die in ihrer Eigenschaft als Gattin des Otto H. ihre Zustimmung zum Abschluß des Adoptionsvertrages versagt hat, durch das Zustandekommen eines solchen Vertrages in vermögensrechtlicher Beziehung nicht der Gefahr einer Schädigung ausgesetzt ist, weil Otto H. durch Errichtung eines Testamentes ihr gesetzliches Erbrecht mangels Vorhandenseins eines Pflichtteilsrechtes auszuschließen vermag und sich an der finanziellen Lage der Aloisia H. auch kaum etwas dadurch ändern könnte, ob Otto H. für das Kind als außerehelicher Vater oder als Adoptivvater zu sorgen verpflichtet ist, so ist dem Rekursgericht zuzustimmen, daß dem Adoptionsvertrag dennoch die Genehmigung zu versagen ist. Das Gericht kann die Zustimmung des Ehegatten des Adoptierenden im Sinne des § 181 Abs. 3 ABGB. dann ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Verweigerung der Zustimmung vorliegen. Durch, diese Formulierung sollte im Gegensatz zum früheren Recht das Ermessen des Gerichtes eingeschränkt werden (vgl. Nr. 107 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, IX. GP., erläuternde Bemerkungen zu § 179a Abs. 2 ABGB.). Die Eliminierung des Wortes "sittlich" aus der Regierungsvorlage durch den Justizausschuß sollte bloß bedeuten, daß außer den "sittlich" gerechtfertigten auch andere Gründe, z. B. wirtschaftliche, von Bedeutung sein können (vgl. Nr. 158 der Beilagen, Bericht des Justizausschusses zu den §§ 179a Abs. 2, 181 Abs. 3, 184a Abs. 1 Z. 3 ABGB.). Im vorliegenden Fall entstammt das Kind einer ehebrecherischen Gemeinschaft, die bereits seit 8 Jahren währt. Die Scheidungsklage des Mannes wurde rechtskräftig abgewiesen. Eine neuerlich auf § 55 EheG. gestützte Klage hat nach der herrschenden Rechtsprechung kaum Aussicht auf Erfolg, weil nach Lage der Dinge der von Aloisia H. schon einmal erhobene Widerspruch füglich nicht an Beachtlichkeit verloren hat. Die Lebensgemeinschaft der leiblichen Eltern des Kindes bleibt daher ehebrecherisch oder zumindest eine Ehestörung und verstößt gegen das Strafgesetz. Die Bewilligung der Adoption würde gewissermaßen eine Billigung dieser verbotenen Gemeinschaft darstellen. Die von Aloisia H. für die Verweigerung der Zustimmung zu dem Adoptionsvertrag gegebene Begründung, daß gegen die Bewilligung sittliche Gründe sprechen, erweist sich demnach als zutreffend.

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