OGH 1Ob32/94

OGH1Ob32/9425.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Othmar K*****, vertreten durch Dr.Peter Krömer, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 205.381,90, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Mai 1994, GZ 14 R 28/94-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 18.November 1993, GZ 35 Cg 4/89-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 157.381 samt 4 % Zinsen seit 27.7.1988 und die mit S 37.681,08 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 6.276,18 Umsatzsteuer und S 24 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 44.485,90 samt 4 % Zinsen seit 17.2.1989 wird abgewiesen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 3.5.1920 geborene Kläger war von 1945 bis Ende 1971 ununterbrochen als Angestellter, in der Zeit vom 1.1.1972 bis 31.3.1980 dagegen überwiegend als selbständiger Handelsvertreter erwerbstätig; dazwischen lagen mehrere kurzfristige Dienstverhältnisse als unselbständig Erwerbstätiger.

Am 13.5.1980 beantragte der Kläger bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde Sozialhilfe, die ihm auch mit Bescheid vom 5.8.1980 ab 13.5.1980 in monatlicher Höhe von S 5.200 gewährt wurde. Die auf die Zeit vor Erlassung dieses Bescheids entfallenden Beträge waren ihm schon vorher laufend ausbezahlt worden. Mit dem Bescheid wurde der Kläger überdies aufgefordert, beim zuständigen Sozialversicherungsträger ehestens die Gewährung der Alterspension zu beantragen.

Am 4.6.1980 wandte sich der Kläger an das damals für ihn zuständige Arbeitsamt Schwechat um Bezahlung von Arbeitslosengeld. Die Leiterin der Service-Abteilung folgte ihm ein Antragsformular aus. Der Bediensteten war aufgrund von Informationen durch den Kläger bekannt, daß er seit 1972 überwiegend selbständig erwerbstätig war. Sie vermerkte deshalb ua in der Arbeitskarte:

„War bis 1971 ca 20 Jahre bei ...... (einem bestimmten Unternehmen) ...... als Vertreter beschäftigt, dann Scheidung und Kündigung. Seit der Zeit hatte er fast nur Vertretertätigkeit ohne fixe Anstellung und sucht nun durch Arbeitsamt eine fixe Stelle. Antrag auf Alg (gemeint: Arbeitslosengeld) ausgefolgt.“

Sie erteilte dem Kläger die Auskunft, er erfülle die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht, weil er für die letzte Zeit zu wenig arbeitslosenversicherungspflichtige Dienstverhältnisse nachzuweisen imstande sei. Mit dieser Auskunft gab sich der Kläger aber nicht zufrieden. Darauf erteilte ihm der Leiter der Leistungsabteilung im wesentlichen die gleiche Auskunft. Weil er sich auch damit nicht abfand, verlangte er den Leiter des Arbeitsamtes zu sprechen. Dieser fragte ihn nach seinen arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnissen in den letzten Jahren und bedeutete ihm danach gleichfalls, daß er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe.

Diese dem Kläger erteilten Auskünfte waren indessen unrichtig. Nach § 14 AlVG (in der damals geltenden Fassung) war bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor der Geltendmachung des Anspruchs (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Von dieser Bestimmung waren die Bediensteten des Arbeitsamtes bei ihren Auskünften ausgegangen. Nach § 15 Abs 1 Z 1 lit d AlVG (in der damals maßgeblichen Fassung) verlängerte sich indes die Rahmenfrist um jene Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland selbständig erwerbstätig war. Tatsächlich war die Rahmenfristerstreckung wegen der steuerlichen Veranlagung des Klägers als selbständiger Vertreter in den Jahren 1972 bis 1978 möglich, sodaß die Anwartschaft am 4.6.1980 erfüllt war und der Kläger damit Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Die Möglichkeit einer Verlängerung der Rahmenfrist war von den Bediensteten des Arbeitsamtes bei deren Auskunft nicht berücksichtigt worden.

Am 25.8.1980 beantragte der Kläger bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12.1.1981 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag nicht 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachweisen können, sodaß die „qualifizierte Zweidritteldeckung“ nicht gegeben sei. Wegen dieses Bescheids wandte sich der Kläger an die Volksanwaltschaft, von der er jedoch die Auskunft erhielt, daß der Bescheid der geltenden Rechtslage entspreche.

Vom 1.1. bis 31.7.1982 war der Kläger als Nachtportier in einem Hotel, vom 1.8.1982 bis 31.12.1982 als kaufmännischer Angestellter unselbständig erwerbstätig. Vom 1.1.1983 bis 10.2.1983 bezog er vom nun für ihn zuständigen Arbeitsamt Arbeitslosengeld; danach stand er im Bezug einer Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung gemäß § 23 AlVG. Sein am 11.2.1983 gestellter Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension wurde abgewiesen; schließlich wurde ihm die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit gemäß § 253 a ASVG ab 1.1.1984 gewährt.

Der Kläger verfolgte im Herbst 1986 eine Fernsehsendung, in der ua auch davon berichtet wurde, daß die Rahmenfrist des § 14 AlVG durch Zeiten selbständiger Erwerbstätigkeit verlängert werde. Er richtete darauf am 17.12.1986 eine Eingabe an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in dem er auf seine am 4.6.1980 erfolgte unrichtige Belehrung durch Bedienstete des Arbeitsamtes hinwies. Da nach den daraufhin angestellten Erhebungen nicht ausgeschlossen werden konnte, daß der Kläger deshalb keinen formell einwandfreien Antrag gestellt habe, weil man ihm mitgeteilt habe, daß ohnedies kein Anspruch bestehe, verfügte das Bundesministerium in sozialer Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen die Nachzahlung der dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Ihm wurden deshalb 1987 für die Zeit vom 4.6.1980 bis 31.12.1981 Arbeitslosengeld bis 26.8.1980 und für die Zeit danach Notstandshilfe zuerkannt, was zu einer Nachzahlung von S 7.636 an Arbeitslosengeld und S 41.047 an Notstandshilfe führte.

Wären diese Leistungen bereits ab 4.6.1980 und nicht erst nachträglich im Jahre 1987 gewährt worden, hätte der Kläger bereits ab 1.7.1981 die vorzeitige Alterspension gemäß den §§ 253 a und 270 ASVG in Anspruch nehmen können. Er hätte demgemäß vom 1.7.1981 bis 31.12.1984 Nettopensionsbeträge von insgesamt S 406.621 bezogen, denen tatsächliche Bezüge an Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Bezüge aus unselbständiger Erwerbstätigkeit und Pensionsbezüge von insgesamt S 249.240 gegenüberstehen, woraus sich eine Differenz von S 157.381 errechnen läßt.

Nachdem der Kläger am 26.7.1988 mit Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Amtshaftungsanspruch geltend gemacht hatte und dieser von der Finanzprokuratur mit Schreiben vom 24.11.1988 abgelehnt worden war, begehrte der Kläger mit der am 17.2.1989 eingebrachten Amtshaftungsklage die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zum Ersatz seines mit S 205.381,90 bezifferten Schadens und brachte hiezu vor, infolge des gesetzwidrigen Verhaltens der Arbeitsamtsbediensteten sei ihm damals kein Arbeitslosengeld zuerkannt worden, obgleich, wie sich nachträglich herausgestellt habe, die Voraussetzungen hiefür gegeben gewesen seien. Das habe wieder dazu geführt, daß sein 1980 gestellter Antrag auf vorzeitige Alterspension abgewiesen und ihm eine solche Pension erst ab 1.1.1984 zuerkannt worden sei. Er habe im übrigen die Auskunft zur Kenntnis genommen, aber dennoch ein von ihm ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular beim Arbeitsamt zurückgelassen. Er habe einen ablehnenden Bescheid nicht erhalten, mit einem stattgebenden Bescheid aber angesichts der Auskünfte auch gar nicht gerechnet. Dadurch sei ihm ein Schaden von S 157.381 entstanden, zu dem noch stufenweise berechnende Verzugszinsen von 4 % in Höhe von S 48.000,90 hinzukämen.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, die Arbeitsamtsbediensteten hätten dem Kläger keine aufgrund seiner Angaben unrichtige Belehrung oder Auskunft erteilt. Erst aufgrund weiterer Erhebungen habe sich herausgestellt, daß dem Kläger die Rahmenfrist hätte erstreckt werden können. Die trotz Verfristung kulanzweise gewährten Leistungen bildeten keine Grundlage für Amtshaftungsansprüche. Außerdem stünde dem Ersatzbegehren die Verletzung der Rettungspflicht nach § 3 Abs 2 AHG entgegen, weil es der Kläger verabsäumt habe, rechtzeitig geeignete Anträge zu stellen. Überdies sei der Amtshaftungsanspruch verjährt. Unberechtigt sei jedenfalls das kapitalisierte Zinsenbegehren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte - außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - noch fest, was mit dem dem Kläger beim Arbeitsamt ausgefolgten Antragsformular geschah, sei nicht mehr feststellbar; ein formeller Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld in der Weise, daß der Kläger dieses Antrag beim Arbeitsamt abgegeben habe, sei jedenfalls nicht gestellt worden. Am 19.9.1980 habe der Kläger wieder bei diesem Arbeitsamt vorgesprochen. Auf seinen Wunsch sei ihm ein Antragsformular ausgefolgt worden. Einen entsprechenden Antrag habe er - möglicherweise deshalb - nicht eingebracht, weil er damals bereits Sozialhilfe bezogen habe.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der Amtshaftungsanspruch sei gemäß § 2 Abs 2 AHG ausgeschlossen. Es könne nicht angehen, daß sich jemand bei der Fülle der auch für darin geschulte Personen nur schwer überschaubaren Rechtsvorschriften mit einer negativen Auskunft abfinde und die Antragstellung unterlasse, dann aber nachträglich eine Bereinigung auf dem Amtshaftungsweg versuche. Der Kläger wäre trotz der ihm erteilten Auskunft verpflichtet gewesen, einen entsprechenden Antrag zu stellen und bei einem abschlägigen Bescheid den Instanzenzug auszuschöpfen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, aus einer schuldhaft unrichtigen oder unvollständigen Auskunft oder Rechtsbelehrung könne zwar ein Amtshaftungsanspruch grundsätzlich abgeleitet werden, doch komme es darauf an, von welchem Sachverhalt die Bediensteten des Arbeitsamts bei ihrer Auskunftserteilung ausgegangen seien. Vom Zweck der Regelung des § 2 Abs 2 AHG, den Betroffenen zunächst zu verhalten, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten den Schaden erst gar nicht entstehen zu lassen, ausgehend lege die Rechtsprechung dieser Bestimmung einen weiten Rechtsmittelbegriff zugrunde. Darunter sei jeder die schadenverursachenden Folgen eines rechtswidrigen und schuldhaften Organverhaltens durch direkte Einwirkung auf das betreffende Verfahren zu verhindern oder zu verringern geeignete Rechtsbehelf zu verstehen. Das Gesetz überlasse es zunächst dem Betroffenen, seine Interessen zu wahren, und gewähre Amtshaftungsansprüche nur dort, wo er alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft habe. § 2 Abs 2 AHG komme allerdings nur dann zur Anwendung, wenn die Unterlassung eines Rechtsmittels schuldhaft erfolgt ist. Die dem Kläger erteilte unrichtige Auskunft sei kein unverbesserlicher Vollzugsakt und der daraus entstandene Schaden keineswegs unabwendbar gewesen, weil die Antragstellung und deren genaue Prüfung zur Zuerkennung von Arbeitslosengeld und damit auch zur früheren Gewährung der vorzeitigen Alterspension geführt hätten. Nach § 2 Abs 2 AHG müsse ein mögliches Rechtsmittel gegen eine nachteilige Entscheidung zur Abwendung eines Schadens erhoben werden. Einer bloßen Auskunft über die Aussichten eines Antrags könne kein größeres Gewicht als eine abweisende Entscheidung zukommen, sodaß § 2 Abs 2 AHG jedenfalls auch dann anzuwenden sei, wenn bei einer solchen Auskunft der an sich mögliche Antrag nicht gestellt werde. Der Kläger habe einen möglichen Rechtsbehelf durch die versäumte Antragstellung anzuwenden unterlassen. Zu prüfen sei noch, ob den Kläger an dieser Unterlassung ein Verschulden treffe. Ein Verschulden sei etwa verneint worden, weil die Belehrung den Eindruck vermittelt habe, es stehe überhaupt kein Rechtsmittel zu. Im vorliegenden Fall sei dem Kläger aber trotz der negativen Auskunft zweimal ein entsprechendes Antragsformular ausgefolgt worden, er sei also keinesfalls dahin belehrt worden, daß eine Antragstellung gar nicht möglich sei. Allgemein werde zu verlangen sei, daß ein an sich ohne besondere Kosten und Nachteile möglicher Antrag jedenfalls gestellt werde. Dem keineswegs völlig unbeholfenen Kläger sei es daher durchaus zuzumuten gewesen, sich auch noch bei anderen Stellen zu erkundigen und jedenfalls mit dem ihm übergebenen Antragsformular unter genauer Angabe seiner Beschäftigungszeiten einen Antrag zu stellen. Es sei daher eine wenn auch nur leichte Fahrlässigkeit des Klägers zu bejahen, weshalb das Erstgericht das Schadenersatzbegehren zutreffend aus dem Grunde des § 2 Abs 2 AHG abgewiesen habe.

Die vom Kläger dagegen erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht wendet er sich gegen die von den Vorinstanzen geteilte Auffassung der beklagten Partei, dem Ersatzanspruch stehe schon die Verletzung der in § 2 Abs 2 AHG verankerten Rettungspflicht entgegen. Wohl hat sich die Rechtsprechung stets zu einem weiten Verständnis des Rechtsmittelbegriffs bekannt, weil es nach dem Regelungszweck dieser Bestimmung Sache des von einem schuldhaft rechtswidrigen Organverhalten Betroffenen ist, den daraus drohenden Schaden im Rahmen der ihm offenstehenden Möglichkeiten erst gar nicht entstehen zu lassen und er deshalb alle ihm von der Rechtsordnung an die Hand gegebenen Rechtsbehelfe, die geeignet sind, die schadensstiftenden Folgen eines solchen Organverhaltens abzuwehren oder zu verringern, nutzen muß, gleichviel ob sie nun im selben Verfahren oder in einem besonderen Verfahren zur Verfügung gestellt sind (Schragel, AHG2 Rz 179). Es hieße aber - wie der erkennende Senat bereits in SZ 64/126 ausgesprochen hat - den in § 2 Abs 2 AHG verwendeten Rechtsmittelbegriff überdehnen, wollte man ihm auch Maßnahmen zur Einleitung neuer selbständiger Verfahren, die den drohenden Schaden abwenden sollen, unterstellen, sodaß auch etwa das Unterbleiben eines Bauansuchens, der Einholung einer Benützungsbewilligung oder gleichzuhaltender Vorkehrungen nicht als Unterlassung eines Rechtsmittels beurteilt werden kann. Demgemäß hat auch der deutsche Bundesgerichtshof bei vergleichbarer Rechtslage (§ 839 Abs 3 BGB) die unterlassene Einholung eines baurechtlichen Vorbescheides nicht als Versäumung eines „Rechtsmittels“ gegen eine falsche behördliche Auskunft über die zulässige bauliche Nutzbarkeit eines Grundstücks angesehen (NJW 1978, 1522; NJW 1980, 2576).

Nichts anderes kann dann aber im vorliegenden Fall gelten: Als sich der Kläger in der Absicht, die Bewilligung von Arbeitslosengeld zu beantragen, an das für ihn zuständige Arbeitsamt wandte, wurde ihm dort nach den erforderlichen Informationen die unmißverständliche Auskunft erteilt, daß er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, und ihm diese Auskunft auch näher erläutert. Soweit die Vorinstanzen darin, daß der Kläger angesichts dieser von kompetenter Seite - der zur Entscheidung über solche Anträge zuständigen Behörde - erteilten Auskunft von einer Antragstellung abstand, eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG erblicken, ist ihnen mit Rücksicht auf die vorangestellten Erwägungen entgegenzuhalten, daß die dennoch veranlaßte Einleitung eines Verfahrens zur Bewilligung von Arbeitslosengeld nicht als „Rechtsmittel“ gegen die Erteilung der - erwiesenermaßen falschen - Auskunft der zuständigen Behörde beurteilt werden kann. Der Antrag auf Bewilligung des Arbeitslosengeldes richtet sich nicht gegen eine konkrete Amtshandlung (hier also die mündlichen Auskünfte), sondern leitet ein neues selbständiges Verfahren ein. Ein Verstoß gegen die in § 2 Abs 2 AHG verankerte Rettungspflicht ist in der angesichts dieser Auskunft unterbliebenen Antragstellung deshalb nicht zu erkennen.

Die Unterlassung solcher Schritte zur Ingangsetzung eines selbständigen neuen Verfahrens kann indessen ein Mitverschulden des Geschädigten im Sinne des § 1304 ABGB begründen, weil, da die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auch im Amtshaftungsrecht anzuwenden sind, dem haftpflichtigen Rechtsträger alle Einwendungen offenstehen, die dem Ersatzanspruch nach bürgerlichem Recht entgegengehalten werden können (SZ 64/126 uva; Schragel aaO Rz 155; Vrba-Zechner, AHR, 186; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 380). Da ein Mitverschulden des Geschädigten nur bei dessen für den Schadenseintritt ursächlichen Sorglosigkeit gegenüber eigenen Rechtsgütern anzunehmen ist (SZ 64/126 ua; Schragel aaO Rz 155; Koziol aaO I 236 f; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht3 AT 304 f), kann dem Kläger ein solches Mitverschulden allein schon deshalb nicht zur Last gelegt werden, weil er sich die Richtigkeit der Auskunft der Sachbearbeiterin ohnedies von deren Vorgesetzten und schließlich sogar vom Leiter des Arbeitsamtes bestätigen ließ und danach - war ihm doch die Auskunft von Bediensteten der Arbeitsmarktverwaltung erteilt worden, die häufig mit solchen Fragen konfrontiert sind, - wohl der Überzeugung sein mußte, daß jeder weitere Schritt aussichtslos erscheine. Daß er unter solchen Umständen von einer Antragstellung absah und andere erfolgversprechendere Schritte, seinen Lebensunterhalt zu sichern, überlegte, kann ihm bei dieser Sachlage nicht zum Vorwurf gemacht werden, fällt aber jedenfalls bei der Abwägung mit der Nachlässigkeit der Organe des beklagten Rechtsträgers, die es entweder mit unzulänglichen Informationen bewenden ließen oder aber das für sie gewiß alltägliche Problem der Erstreckung der Rahmenfrist bei teilweise selbständiger Erwerbstätigkeit verkannten, nicht meßbar ins Gewicht.

Die beklagte Partei hat deshalb für die Folgen der falschen Auskunft ihrer Organe - die Unterlassung an sich berechtigten Antragstellung, den damit verbundenen Entgang von Zeiträumen, in denen der Kläger im Bezug des Arbeitslosengeldes stand, und in dessen Gefolge den Bezugsentgang an dessen tatsächliche Einkünfte übersteigender Alterspension - gemäß § 1 Abs 1 AHG einzustehen. Da sich der dadurch verursachte Schaden nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen auf S 157.381 beläuft, ist dem Klagebegehren in diesem Umfang stattzugeben. Der übrigens in dritter Instanz nicht aufrecht erhaltene Verjährungseinwand der beklagten Partei erwiese sich auch deshalb als nicht berechtigt, weil vom Erstgericht festgestellt wurde, daß der Kläger von der Unrichtigkeit der Auskunft erst im Herbst 1986 Kenntnis erlangt, die Klage aber schon am 27.2.1989 eingebracht hatte.

Soweit er darüber hinaus stufenweise berechnete gesetzliche Verzugszinsen schon ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Schadenseintritts - kapitalisiert - geltend macht, übersieht er, daß der Ersatzanspruch erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch Mahnung, Klage oder Klagserweiterung fällig wird, sodaß Verzugszinsen auch erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden können (SZ 54/119 uva; Reischauer in Rummel, ABGB2 § 1323 Rz 16). Eingemahnt hat der Kläger die Schadenersatzforderung, soweit das dem Akteninhalt entnommen werden kann, erst mit dem an das zuständige Bundesministerium gerichteten Aufforderungsschreiben vom 26.7.1988, sodaß ihm - als Minus - 4 % Verzugszinsen ab dem folgenden Tag als Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens zuerkannt werden; das Mehrbegehren - S 48.000,90 abzüglich der im Zinsenausspruch zusätzlich zuerkannten Verzugszinsen aus S 157.381 vom 27.7.1988 bis 17.2.1989 (dem Klagstag, also für 201 Tage, d.s. S 3.515), somit S 44.485,90 samt 4 % Zinsen seit 17.2.1989 - bleibt der Abweisung verfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Der Kläger ist mit etwa vier Fünfteln seines Klagebegehrens durchgedrungen, sodaß ihm die beklagte Partei drei Fünftel seiner Kosten zu ersetzen hat.

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