Normen
ABGB §274
ABGB §276
ABGB §1425
Wasserrechtsgesetz §118 (4)
ABGB §274
ABGB §276
ABGB §1425
Wasserrechtsgesetz §118 (4)
Spruch:
§ 1425 ABGB. gilt in wasserrechtlichen Enteignungsfällen neben § 118
(4) WRG.
Es genügt nicht, für etwaige noch ungeborene Erbprätendenten deren vermutliche Mütter dem Verfahren zuzuziehen; es ist vielmehr gemäß § 276 ABGB. ein Kurator zu bestellen
Entscheidung vom 22. Dezember 1966, 1 Ob 288/66
I. Instanz: Bezirksgericht Gmund in Kärnten; II. Instanz:
Landesgericht Klagenfurt
Text
Der am 18. Juli 1946 verstorbene Josef M. vulgo H. war u. a. Eigentümer der sogenannten Sameralpe, EZ. 111 KG. M. Er setzte in seinem allographen, undatierten Testament seinen Sohn Franz M. zum Erben ein und ordnete in Punkt XI an: "Sollten aus der Ehe meines Sohnes Franz keine Kinder entsprießen, so fällt der Besitz an eines meiner Enkelkinder zurück, welches für die Fortführung des Besitzes geeignet ist." Unter PZ. 6 wurde im Eigentumsblatt der betreffenden Grundbuchseinlage eingetragen:
"Auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes S. vom 2. Juni 1947, A .../46, und des Testamentes vom 25. Juni 1946 wird das Eigentumsrecht mit der Beschränkung durch die Verpflichtung, bei Abgang ehelicher Nachkommen die Liegenschaft einem seiner Neffen nach Wahl hinterlassen zu müssen, einverleibt für Franz M.". Nach der Aktenlage hat Franz M. keine ehelichen Nachkommen. Seine 7 Schwestern haben insgesamt 17 Söhne und 12 Töchter geboren.
Auf Grund des Bescheides des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 13. August 1965, berichtigt mit Bescheid vom 10. Februar 1966, wurde die Liegenschaft EZ. 111 KG. M. zugunsten der Österreichischen Draukraftwerke AG. enteignet, deren Eigentumsrecht seither auch grundbücherlich einverleibt wurde. Der Entschädigungsbetrag von 362.000 S (350.000 S für den Grund und 12.000 S für die auf ihm errichteten Hütten) wurde auf das bei der Filiale S. der Kärntner Sparkasse errichtete Sperrkonto Nr. 95/936 erlegt.
Das Erstgericht sperrte mit Beschluß vom 6. Oktober 1965, ON. 4, die Einlage.
Die Österreichische Draukraftwerke AG. brachte vor, daß der Entschädigungsbetrag auf ein Sperrkonto eingezahlt werde, weil im Grundbuch Beschränkungen des Eigentums des Franz M. eingetragen seien. Sie beantragte, den Entschädigungsbetrag an Franz M. auszuzahlen, sobald ihr Eigentumsrecht grundbücherlich einverleibt worden sei.
Das Erstgericht lud zu einer Tagsatzung außer Franz M. und der Erlegerin auch die Töchter und Enkelkinder des Erblassers Josef M. bzw. die gesetzlichen Vertreter, soweit die Geladenen minderjährig waren, und zwar mit dem Beifügen, daß bei Nichterscheinen oder Unterlassung der Antragstellung Einverständnis mit der Auszahlung des Erlagsbetrages an Franz M. angenommen würde.
Franz M. hat sich an dem erstinstanzlichen Verfahren daraufhin nicht beteiligt.
Die meisten der bei der Tagsatzung erschienenen Nachkommen Josef M's. als deren Wortführer Ferdinand P., der Gatte und Vertreter der Enkelin Margarete P., geborene G., auftrat, beantragten in erster Linie, den Entschädigungsbetrag bei Gericht zu hinterlegen und an Franz M. nur zur Anschaffung von Grund und Boden zum Verkehrswert oder für notwendige Betriebsverbesserungen auszuzahlen. Hilfsweise beantragten sie anteilsmäßige Auszahlung an die jetzt lebenden Neffen und Nichten, ausgenommen die auf jene entfallenden Quoten, die sich an der Antragstellung nicht beteiligten. Zwei andere Enkel, nämlich Franz St. und Margarethe Mo., beantragten, ihnen die auf sie entfallenden Anteile auszuzahlen.
Einige der Geladenen sind weder erschienen noch haben sie Anträge gestellt.
Bei der am 9. Februar 1966 abgehaltenen Tagsatzung machten die Erschienen auch auf offenbare Unrichtigkeit des Enteignungsbescheides aufmerksam, die das Amt der Kärntner Landesregierung infolge einer Eingabe des Erstgerichtes bescheidmäßig berichtigte.
Das Erstgericht wies Franz M. den Entschädigungsbetrag zu und ordnete dessen Auszahlung nach Rechtskraft des Beschlusses an; die entgegenstehenden Anträge der Berechtigten wies es ab.
Es ging in rechtlicher Beziehung davon aus, daß der Erblasser laut Punkt XI seines Testamentes dem Erben die Benennung des folgenden Hofübernehmers überlassen habe, worin eine Auflage zu erblicken sei. An dem Verfahren seien die Töchter des Erblassers zur Wahrung der Rechte etwaiger ungeborener Kinder beteiligt worden. Da der letzte Wille höchstens eine Auflage enthalte, sei der Entschädigungsbetrag an Franz M. auszuzahlen, die Anträge der Neffen und Nichten seien abzuweisen.
Einige erhoben Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß, setzten sich aber lediglich mit dem Inhalt des Enteignungs- bzw. Berichtigungsbescheides auseinander.
Ein weiterer Enkel des Erblassers, Helmut A., erhob gleichfalls Rekurs, in dem er sich mit der Enteigung auseinandersetzte und beantragte, das Erstgericht solle veranlaßt werden, sich in erster Linie für den Besitz und die Nachkommen einzusetzen; der Entschädigungsbetrag solle an die einzelnen erbberechtigten Neffen aufgeteilt werden. Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Es bejahte ein Anwartschaftsrecht der Nachbedachten auf Grund eines letztwilligen Veräußerungsverbotes (§ 364c ABGB.). Der Entschädigungsbetrag sei nach § 158 AußStrG, sicherzustellen, das Erstgericht habe nach § 118 (4) WRG. die Aufgabe, den Erlös in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen nach §§ 209 ff. EO. zu verteilen, was im gegebenen Falle nur durch fruchtbringende Anlage des hinterlegten Betrages geschehen könne. Die Beteiligten könnten sich aber auf eine andere Art der Verwertung einigen, die Ausfolgung an lebende Neffen oder Nichten komme jedoch nicht in Betracht. Für noch ungeborene Prätendenten müsse ein Kurator bestellt werden, die Verständigung der Töchter des Erblassers ersetze die Kuratorbestellung nicht. Auch sei festzustellen, was offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt worden sei, ob Franz M. eheliche Kinder habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Franz M. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Österreichische Draukraftwerke-AG, hat sich zwar nicht an die für die Vornahme eines Gerichtserlages geltenden Vorschriften gehalten, als sie den von ihr geschuldeten Betrag einer Sparkasse "zur Gutschrift auf ein Sperrkonto" überwies und davon das Gericht verständigte; da der Erstrichter aber den Betrag auf einem Sparkassebuch fruchtbringend anlegen ließ und die Einlage sperrte, ist eine Sach- und Rechtslage entstanden, die auf einen gerichtlichen Erlag seitens der Draukraftwerke-AG. und auf die Annahme des Erlagsbetrages durch das Gericht hinausläuft. Das Erlagsverfahren war damit jedenfalls beendet; der Erlegerin kommt auch seit Rechtskraft des Beschlusses ON. 4 keine Parteistellung mehr zu.
Auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmungen die Annahme des Erlages erfolgte, hat der Erstrichter in dem erwähnten Beschluß allerdings ebensowenig angeführt wie die Erlegerin in den Erlagsanzeigen erklärt hatte, auf Grund welcher gesetzlicher Bestimmungen sie den Erlag vornehme. Da der Erstrichter in der Folge von einer "Verteilungssache" sprach, scheint wohl auch er schon an die Bestimmung des § 118 (4) WRG. gedacht zu haben, auf die das Rekursgericht dann ausdrücklich als Erlagsgrundlage abstellte. Diese Gesetzesstelle bezieht sich aber in erster Linie offensichtlich auf solche Rechte Dritter an der enteigneten Liegenschaft, die - wie dies bei Hypothekargläubigern der Fall ist - einen Anspruch auf Befriedigung aus der Entschädigungssumme geben, weil ja nur in einem solchen Fall in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Meistbotsverteilung eine "Verteilung" vorgenommen werden kann, während ein danach noch verbleibender Restbetrag dem Enteigneten, der hier also sinngemäß an die Stelle des Verpflichteten träte (§ 217 (2) EO.) auszufolgen wäre. Im § 34 EisenbEntG., der formell auf Rechte Dritter, die einen solchen Befriedigungsanspruch geben, abgestellt ist, wird ausdrücklich auf die daneben geltende Bestimmung des § 1425 ABGB. Bezug genommen. Sie gilt jedenfalls auch neben § 118 (4) WRG. 1959 weiter und es verschlägt nun nichts, ob man den Erlag - zufolge der etwas allgemeiner gehaltenen Diktion dieser Gesetzesstelle - als noch gemäß § 118 (4) WRG. oder als nach § 1425 ABGB. getätigt ansieht, weil ein "Verteilungsverfahren" in sinngemäßer Anwendung der Exekutionsordnung auf keinen Fall in Frage kommt. Das ergibt sich aber aus der Erwägung, daß die Zwangsversteigerung einer durch eine Substitution oder durch eine ihr gleichzuhaltende Bindung getroffene Liegenschaft gegen den als ihren Eigentümer eingetragenen Verpflichteten gar nicht möglich wäre (vgl. die bei Heller[10] zu § 133 EO. unter 14 ff. zitierte Judikatur). Es fehlt also an einer Analogiegrundlage. Die Draukraftwerke-AG. hat den Erlag mit dem Hinweis auf die im Grundbuch ersichtliche Beschränkung des Eigentumsrechtes des Franz M. zugunsten der Neffen begrundet. Das entspricht einem auch sonst im Rahmen des § 1425 ABGB. möglichen Erlag wegen einer für den Schuldner unklaren Rechtslage. Die Klärung derselben herbeizuführen, ist grundsätzlich nicht Sache des Erlags- bzw. Verwahrschaftsgerichtes, sondern Sache der Prätendenten, die zu diesem Zweck den ordentlichen Rechtsweg beschreiten müssen.
Wenn nun der Erstrichter über die Annahme und Verwahrung des Erlagsbetrages hinaus tätig wurde, ist dies begrifflich im Verlassenschaftsverfahren nach Josef M. geschehen, auf Grund dessen es seinerzeit zu der Beschränkung des Eigentumsrechtes des Franz M. kam, die nun im Grundbuch ersichtlich ist. Auch hier wäre - da die Antragstellung der Draukraftwerke AG. mangels Parteistellung der letzteren unbeachtlich war - zunächst wohl nur die Sperre des Erlagsbetrages in Betracht gekommen (§ 158 AußStrG.), die allerdings ohnehin schon verfügt war.
Mit Rücksicht auf die Ausführungen des Franz M. im Revisionsrekurs ist im Zusammenhalt mit dem eingangs wiedergegebenen Gang des Verfahrens in erster Instanz nunmehr freilich davon auszugehen, daß ein Antrag des Franz M. vorliegt, ihm den Erlagsbetrag auszuzahlen, wozu sich aus den bisher vorliegenden Stellungnahmen der vom Erstrichter dem Verfahren Zugezogenen ergibt, daß nun die Tragweite der von Josef M. seinerzeit letztwillig angeordneten Beschränkung des Eigentumsrechtes des Franz M. im Hinblick auf das im österreichischen Verlassenschaftsrecht herrschende Surrogationsprinzip strittig ist.
Das Rekursgericht ist gewiß damit im Recht, daß es nicht genügte, für etwaige noch ungeborene Prätendenten die vermutlichen Mütter derselben dem Verfahren zuzuziehen. Es hat damit - allerdings ohne es förmlich auszusprechen - einen Nichtigkeitsgrund (§ 16 AußStrG., § 477 (1) Z. 5 ZPO.) wahrgenommen, nur läßt er sich durch die Bestellung eines Posteritätkurators und die Einholung einer Äußerung eines solchen gesetzlichen Vertreters noch ungeborener Anwärter nicht oder doch nicht mehr beheben. Die Durchführung eines Verfahrens, wie es über die nunmehr anzunehmende Antragstellung des Rechtsmittelwerbers nötig ist, mag an und für sich unter Zuziehung der großjährigen Anwärter, der gesetzlichen Vertreter der mj. Anwärter und eines Kurators für noch ungeborene Anwärter möglich sein, aber unter einer Voraussetzung: daß sie alle den gleichen Rechtsstandpunkt dem Antrag des Franz M. gegenüber einnähmen. Es ist schon jetzt zu sehen, daß dies nicht der Fall ist, weil sich die meisten der in erster Instanz aufgetretenen Anwärter in erster Linie sowohl gegen eine Auszahlung des Erlagsbetrages an Franz M. als auch eine Auszahlung an die Anwärter ausgesprochen haben, während einzelne, darunter jedenfalls Helmut A., der auch den erstrichterlichen Beschluß angefochten hat, gerade letztere Maßnahme anstreben. Unter diesen Umständen muß zur Vermeidung einer weiteren Nichtigkeit des Verfahrens für den noch unbekannten Übernehmer des seinerzeit von Josef M. dem Franz M. vererbten Besitzes, zu dem ja nicht nur die enteignete Liegenschaft gehörte, gemäß § 276 ABGB, ein Kurator bestellt werden, durch den alle bisher auf dieser Seite am Verfahren Beteiligten ausgeschaltet werden. Dem Revisionsrekurs muß deshalb ein Erfolg versagt bleiben.
Im weiteren Verfahren wird nicht nur die Stellungnahme dieses Kurators einzuholen, sondern auch zu beachten sein, daß aus dem Verlassenschaftsakt Josef M. (A .../46) überhaupt nicht ersichtlich ist, wie es zu der unter BOZ 6 erfolgten Grundbuchseintragung gekommen ist; denn bei letzterer wurde auf eine Einantwortungsurkunde vom 2. Juni 1947 Bezug genommen, während im Verlassenschaftsakt eine Einantwortungsurkunde vom 7. Mai 1947 erliegt (dort ON. 7), die aber die Eintragung einer Eigentumsrechtsbeschränkung auf Grund des Testamentes gar nicht vorsah. Verbücherungsansuchen und Verbücherungsbeschluß (dort ON. 9) wichen davon ab.
Sollte es nach Verfahrensergänzung nicht zu einer Einigung über die Antragstellung des Franz M. kommen, wird jedenfalls auf die Bestimmung des § 2 (2) Z. 7 AußStrG. gebührend Bedacht genommen werden müssen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)