OGH 1Ob283/04f

OGH1Ob283/04f22.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz D*****, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 17.977,62 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. September 2004, GZ 3 R 48/04f-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. Dezember 2003, GZ 30 Cg 158/03v-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.000,98 (darin enthalten EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Der Kläger kauft im Jahr 1997 bei der Beklagten Pfandbriefe zum Nominale von DM 160.000,00 und verwahrte sie in einem bei der Beklagten gemieteten Safe. In den folgenden Jahren übergab er jeweils bei Kuponfälligkeit ein- und demselben Mitarbeiter der Beklagten die Zinsscheine zur Einlösung, worauf die entsprechenden Gutschriften auf einem Sparbuchkonto erfolgten. Im Dezember 2002 stellte sich anlässlich der Einreichung des Zinserneuerungsscheins heraus, dass die Pfandbriefe schon im Jahr 1999 vom Emittenten gekündigt worden waren. Bei der Abrechnung der Pfandbriefe tätigte die Beklagte einen Abzug für die fehlenden Zinsscheine und lastete dem Kläger EUR 348,28 für Spesen an.

Mit dem Vorbringen, er hätte bei rechtzeitiger Information über die Kündigung den Nominalbetrag gewinnbringend angelegt, begehrte der Kläger für den Zeitraum 1. 7. 1999 bis 4. 2. 2003 EUR 17.629,34 an Zinsentgang sowie den Ersatz der ihm verrechneten Spesen. Es sei zumindest konkludent ein Beratungsvertrag zustandegekommen, sodass ihn die Beklagte über die Aufkündigung der Pfandbriefe aufzuklären gehabt hätte.

Die Beklagte bestritt, das Bestehen einer Aufklärungspflicht. Es sei weder ein Vermögensverwaltungs- noch ein Depotvertrag abgeschlossen worden. Der Kläger sei für die in seiner Verwahrung befindlichen Wertpapiere allein verantwortlich gewesen. Die Beklagte habe lediglich als Einreicherbank fungiert und daher keine Verpflichtung gehabt, auf die vorzeitige Kündigung der Pfandbriefe zu achten. Eine von der Emissionsbank der Beklagten zugegangene Informationsliste betreffend vorzeitige Kündigungen hätte die gegenständlichen Pfandbriefe im Übrigen nicht enthalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe seit mehr als 20 Jahren seine Ersparnisse unter anderem in Form von Pfandbriefen angelegt. Dabei habe er fast ausschließlich einen bestimmten Mitarbeiter der Beklagten kontaktiert. Dass ein Emittent Pfandbriefe auch vorzeitig kündigen kann, sei ihm ebenso bekannt gewesen wie die Bekanntmachung einer solchen Kündigung im (deutschen) „Bundesanzeiger". Anlässlich der Einlösung von Zinsscheinen habe der dem Kläger persönlich seit langem bekannte Mitarbeiter der Beklagten jeweils anhand zur Verfügung stehender Listen überprüft, ob nicht zwischenzeitig eine Kündigung durch den Emittenten erfolgt sei. Auf diese Art habe der Mitarbeiter der Beklagten den Kläger in der Vergangenheit „schon ein paar Mal" über die vorzeitige Kündigung anderer Pfandbriefe informiert. Dass die verfahrensgegenständlichen Pfandbriefe bereits gekündigt worden waren, habe der Mitarbeiter der Beklagten aus den ihm zur Verfügung stehenden Listen aber nicht ersehen können. Zwischen den Streitteilen sei die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Fassung 2001 vereinbart gewesen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Beklagte keine Informations-, Sorgfalts- oder Aufklärungspflichten verletzt habe. Der Kläger habe sich bewusst dafür entschieden, die Verwahrung der Pfandbriefe selbst in die Hand zu nehmen und keinen Depotvertrag abzuschließen. Ein schlüssiger Beratungsvertrag sei nicht zustandegekommen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Nur im Falle einer Depotverwahrung hätte die Bank für die Abtrennung fälliger Zinsscheine und für die Einziehung des Gegenwerts sorgen müssen. Der Kläger habe jedoch die Abtrennung der Zinsscheine selbst vorgenommen und jeweils die Beklagte mit der Einziehung des Gegenwerts (gesondert) beauftragt. Diese Beauftragung und die folgenden Vorgänge seien mit einem Dokumenteninkasso vergleichbar. Die Einreicherbank habe den Inkassoauftrag nur dahin zu prüfen, ob dem äußeren Anschein nach alle angeführten Dokumente vorhanden sind. Eine weitere Verpflichtung zur Prüfung bestehe nicht. Zufolge des Umstands, dass der Kläger die Zinskupons jeweils bei jenem Mitarbeiter der Beklagten eingelöst habe, der ihn schon in der Vergangenheit bei der Einlösung von Zinsscheinen anderer Pfandbriefe über erfolgte Kündigungen informiert habe, habe der Kläger aber davon ausgehen können, dass er auch über eine vorzeitige Kündigung der verfahrensgegenständlichen Pfandbriefe informiert werde. Dem Mitarbeiter der Beklagten habe bewusst sein müssen, dass der Kläger seine Entscheidung, nur die Zinsscheine oder auch den Mantel zur Abrechnung einzureichen von dieser Auskunft abhängig mache. Es sei daher konkludent ein Vertrag zustande gekommen, wonach die Bank bei Einlösung der Zinsscheine die (allfällige) Kündigung des Wertpapiers prüft und dem Kläger darüber Auskunft erteilt. Diese Auskunft sei unrichtig gewesen. Zur Klärung der Verschuldensfrage seien ergänzende Feststellungen erforderlich, ob diese Unrichtigkeit auf ein von der Beklagten zu vertretendes Versehen oder ein Versehen der Inkasso- oder Emissionsbank zurückzuführen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 526 Abs 2 ZPO) des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Bank obliegen Überwachungspflichten hinsichtlich Verlosungen und Kündigungen der in ihren Safes befindlichen Wertpapiere grundsätzlich nur dann, wenn ein Depotvertrag abgeschlossen, also nicht nur die Anmietung eines Schrankfaches zum Zweck der Verwahrung, sondern auch die Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere als einheitliche Leistung der Bank vereinbart wurde. Aus dem vom Kläger abgeschlossenen Mietvertrag über ein Schrankfach allein kann sich eine solche Überwachungspflicht niemals ergeben, da keine Verwaltungstätigkeit hinsichtlich der untergebrachten Gegenstände in Betracht kommt (Z 70 Abs 1 und 2 der Allgemeinen Bedingungen für Bankgeschäfte [ABB] Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 10/30, 11/1 ff). Allerdings kann, abweichend von dieser Grundregel eine vertragliche Vereinbarung schlüssig zustandekommen.

Nach der Rechtsprechung kommt ein (Auskunfts)Vertrag mit einer Bank schlüssig zustande, wenn die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Schluss zulassen, dass beide Teile ein bestimmtes Verhalten, insbesondere die Erteilung einer Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten machen wollen. Dies gilt insbesondere, wenn der Anfragende eine bedeutsame Vermögensdisposition treffen will und der Bank erkennbar ist, dass die Auskunft für den Empfänger von erheblicher Bedeutung ist und diesem als Grundlage für Vermögensdispositionen dient (RIS-Justiz RS0014562; vgl Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken5, Rz 20 mwN).

Ob ein bestimmtes Vertragsverhältnis schlüssig begründet wurde, ist regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, weil dies jeweils nur einzelfallbezogen beantwortet werden kann (1 Ob 204/98a uva).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, auf Grund der Umstände des Einzelfalles läge ein konkludent abgeschlossener Vertrag des Inhalts vor, dass die Beklagte bei Einlösung der Zinsscheine die allfällige Kündigung des Wertpapiers jeweils prüft und dem Kläger darüber Auskunft erteilt, ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch das Höchstgericht.

Der Rekurs ist somit zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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