OGH 1Ob281/98z

OGH1Ob281/98z30.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Markus W*****, geboren am *****, und der mj. Andrea W*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Josef W*****, vertreten durch Dr. Ernst Summerer, Rechtsanwalt in Retz, gegen den Beschluß des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 16. April 1998, GZ 20 R 73/98w-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 6. Februar 1998, GZ P 1955/95k-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Zuge eines Scheidungsverfahrens verpflichtete sich der Vater mit Vergleich vom 6. 4. 1993 zur Bezahlung eines monatlichen Unterhalts für seine beiden Kinder von insgesamt S 2.500. Nach dem Vergleichstext wurde bei der Festsetzung dieses Unterhaltsbetrags von einem monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen des Vaters von S 15.000 ausgegangen. Dieser Vergleich wurde am 27. 5. 1993 pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Am 15. 1. 1998 beantragte die Mutter der beiden Kinder als deren gesetzliche Vertreterin die Erhöhung des vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrags ab 1. 2. 1998 auf S 2.000 je Kind. Der Vater habe seit 1. 1. 1997 freiwillig monatlich S 1.500 je Kind bezahlt. Seit der letzten Unterhaltsbemessung seien die Bedürfnisse der Kinder altersbedingt gestiegen; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sei gegeben.

Der Vater erklärte sich bereit, zum Unterhalt der beiden Kinder je S 1.600 ab 1. 2. 1998 zu bezahlen. Unter Bedachtnahme auf den Scheidungsvergleich, in dem die vereinbarte Unterhaltsleistung nur knapp mehr als 7 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage entsprochen habe, sei eine weitergehende Erhöhung nicht berechtigt.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden Unterhalt antragsgemäß auf monatlich S 2.000 je Kind ab 1. 2. 1998. Der Unterhaltspflichtige erziele ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 19.800 und sei außer für die beiden Minderjährigen für niemanden sonst sorgepflichtig. Damit entspreche der festgesetzte Unterhaltsbeitrag der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vaters. Seit der letzten Unterhaltsbemessung im Jahre 1993 seien die Bedürfnisse der Kinder zweifellos gestiegen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach letztlich aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Dem Vergleich sei nicht zu entnehmen, daß die dort zugrundegelegten Bemessungsfaktoren auch bei der Anpassung der Unterhaltsvereinbarung an geänderte Verhältnisse vorrangig zu berücksichtigen seien. Ein Ausschluß der „Umstandsklausel“, sodaß geänderte Verhältnisse nicht zu berücksichtigen seien, sei nicht vereinbart und schon gar nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse führe aber zur Neufestsetzung des Unterhalts, wobei die Unterhaltsbeiträge völlig neu zu bemessen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind „Vergleichsrelationen“ bei späteren Unterhaltsfestsetzungen (nur) dann zu berücksichtigen, wenn im Vergleich ausdrücklich darauf abgestellt wurde, daß diese Relation auch in Zukunft keine Änderung erfahren solle. Wurde im Vergleich festgehalten, daß der Unterhalt auf der Grundlage eines dort näher bezeichneten Einkommens vereinbart wird, so kann nicht zweifelhaft sein, daß die Parteien weitere Unterhaltsfestsetzungen an die im Vergleich festgehaltenen Bemessungsparameter binden wollten (4 Ob 201/97f mwN). Mag es im vorliegenden Fall auch allenfalls zutreffen, daß die Eltern der beiden Minderjährigen mit Vergleich vom 6. 4. 1993 eine bestimmte Relation zwischen dem Einkommen des Vaters und seiner Unterhaltspflicht festlegen wollten, ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Erhöhung der Unterhaltsbeiträge dennoch berechtigt:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß jeder Unterhaltsverpflichtung die Umstandsklausel innewohnt und der Unterhalt im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bemessen ist, es sei denn, die Vertragsparteien hätten in der vergleichsweisen Regelung ihrer unterhaltsrechtlichen Beziehungen die Anwendbarkeit der Umstandsklausel gültig ausgeschlossen (3 Ob 2202/96m; SZ 70/111; 1 Ob 590/95). Ein völliger Ausschluß der Umstandsklausel wird im vorliegenden Fall gar nicht behauptet und liegt auch nicht vor, wurde doch im Vergleich vom 6. 4. 1993 lediglich eine Relation zwischen dem Einkommen des Vaters und der von ihm zu erbringenden Unterhaltsleistung festgelegt. Das seinerzeitige Verhältnis zwischen Unterhaltsleistung und Einkommen spielt für eine Neubemessung allerdings dann keine Rolle, wenn die Änderung der Umstände nicht oder nicht nur in einer Änderung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen besteht (3 Ob 2202/96m; EFSlg 77.786 = 1 Ob 590/95; ÖA 1994, 26; ÖA 1992, 157; RZ 1992/49; RZ 1991/72). Gerade dieser Fall liegt aber hier vor, weil sich nicht nur das Einkommen des Vaters geändert hat, sondern auch eine Erhöhung der Bedürfnisse der beiden Kinder eingetreten ist, zumal die Erstfestsetzung des Unterhalts schon etwa fünf Jahre zurückliegt. Der Grundsatz, daß die Neubemessung von Unterhaltsansprüchen im allgemeinen nicht völlig losgelöst von der bestehenden vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze zu erfolgen hat, darf nicht zu einer Versteinerung des laut Scheidungsvergleich tatsächlich geleisteten Unterhalts führen. Es sind daher die seit Vergleichsabschluß geänderten Verhältnisse bei der Bemessung des den Kindern gebührenden Unterhalts zu berücksichtigen (vgl 1 Ob 568/93). Der Änderung der Verhältnisse im konkreten Fall wurde angemessen Rechnung getragen, wozu noch zu bemerken ist, daß der vom Vater zu leistende Unterhalt je Kind ohnehin nur etwa 10 % seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage entspricht.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig, weil zu der vom Rekursgericht für entscheidungswesentlich erachteten Rechtsfrage - entgegen der Meinung des Gerichts zweiter Instanz - die - zitierte - oberstgerichtliche Judikatur vorliegt.

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