OGH 1Ob27/09s

OGH1Ob27/09s26.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef S***** GmbH, und 2. Josef S*****, beide *****, vertreten durch Dres. Fritsch, Kollmann & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. T***** Gesellschaft mbH, 2. Franz T*****, und

3. Hannes T*****, alle *****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach und Dr. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen 3.000 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 30. Dezember 2008, GZ 6

R 294/08m-66, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 24. Oktober 2008, GZ 6 C 229/08v-58, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird die Entscheidung des Rekursgerichts im Umfang des Ausspruchs über die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und der damit verbundenen Zurückweisung der Klage als nichtig aufgehoben und der Rekurs der klagenden Parteien gegen die erstinstanzliche Entscheidung insoweit als unzulässig zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 54,57 EUR (darin 9,10 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger brachten beim Bezirksgericht Frohnleiten eine auf „Vertragserfüllung und Erfüllung der Behördenbescheide" gerichtete Klage gegen drei beklagte Parteien ein, deren Sitz bzw Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz liegt. Auf dem Deckblatt der Klage findet sich der Vermerk „wegen: Leistung"; der Streitwert ist mit 3.000 EUR angegeben. In der 95 Seiten umfassenden Klageschrift werden insgesamt 22 Klagebegehren gestellt. Die Beklagten erhoben nach Klagezustellung noch vor Beginn der ersten Tagsatzung den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs sowie der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und bemängelten den Streitwert.

Mit Beschluss des Rekursgerichts vom 29. Jänner 2008 wurde infolge Befangenheit letztendlich aller am Bezirksgericht Frohnleiten tätigen Richter das Bezirksgericht Graz-West zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache bestimmt (ON 41). Dieses schränkte die Verhandlung auf den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs sowie der sachlichen Unzuständigkeit ein (ON 57). Nach Erörterung im Rahmen der mündlichen Streitverhandlung gab der Klagevertreter bekannt, keinen Antrag auf Überweisung nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Daraufhin verwarf das Bezirksgericht Graz-West die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs (Punkt 1), erklärte sich für sachlich unzuständig (Punkt 2), wies die Klage zurück, hob das gesamte bisherige Verfahren als nichtig auf (Punkt 3) und verpflichtete die Kläger zur ungeteilten Hand, den Beklagten die mit 5.829,74 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen (Punkt 4). Es führte zum Einwand der sachlichen Unzuständigkeit aus, dass vor die Bezirksgerichte nur Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche gehörten, wenn der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von 10.000 EUR nicht übersteige. Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nicht den Bezirksgerichten zugewiesen seien, seien die Gerichtshöfe erster Instanz zuständig. Nach dem Klagevorbringen seien die Klagebegehren zusammenzurechnen, da sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stünden. Aus dem Deckblatt der Klage lasse sich ableiten, dass die Kläger nur die Leistungsansprüche mit 3.000 EUR bewertet hätten. Soweit erkennbar, enthalte die Klage aber noch 13 weitere Begehren, welche inhaltlich am ehesten Feststellungsbegehren entsprächen. Diese Feststellungsbegehren seien nicht bewertet worden, weshalb gemäß § 56 Abs 2 JN für jedes Begehren der Betrag von jeweils 4.000 EUR als Streitwert gelte. Es ergebe sich somit allein in Ansehung der Feststellungsbegehren ein Streitwert von 52.000 EUR, woraus die sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichts folge.

Die Beklagten erhoben Rekurs gegen Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses mit dem Abänderungsantrag, die Klage auch wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen; hilfsweise stellten sie einen Aufhebungsantrag. Der Rekurs der Kläger richtete sich gegen die Punkte 2, 3 und 4 des erstgerichtlichen Beschlusses mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in diesem Umfang ersatzlos aufzuheben. Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, soweit er die Zurückweisung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und den Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit sowie die Zurückweisung der Klage betrifft, änderte ihn aber - soweit das bisherige Verfahren für nichtig erklärt wurde - dahin ab, dass es diesen Ausspruch aufhob. Es erkannte die Kläger schuldig, die mit 54,57 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen. Das Rekursgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, soweit sich dieses für sachlich unzuständig erachtete. Hingegen sei der Ausspruch über die Nichtigkeitsrklärung des bisherigen Verfahrens mangels Begründung aufzuheben. Da der Kostenrekurs inhaltlich nicht ausgeführt worden sei und der bestätigende Teil der Rekursentscheidung den abändernden Teil bei weitem übersteige, habe es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung zu verbleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründe sich auf die §§ 41, 43 Abs 2 und 50 Abs 1 ZPO. Eine Saldierung der Rekursbeantwortungskosten ergebe zu Gunsten der Beklagten den Zuspruch von 54,57 EUR.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses der Kläger ist der Ausspruch des Rekursgerichts über die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und die damit verbundene Zurückweisung der Klage als nichtig aufzuheben und der Rekurs der Kläger insoweit als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 45 JN sind die nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffenen Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, dann unanfechtbar, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz in derselben Gemeinde hat. Zweck dieser durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 eingeführten Bestimmung ist, Streitigkeiten über die sachliche Zuständigkeit noch weiter einzuschränken. Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts sollen nur angefochten werden können, wenn sie die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts verneinen, und überdies nur dann, wenn durch die Änderung der sachlichen Zuständigkeit das Verfahren an einem anderen Ort ablaufen müsste. Verschiebungen innerhalb derselben Gemeinde sollen keine Rolle spielen (Ballon in Fasching/Konecny² § 45 JN Rz 2). Nach ständiger Rechtsprechung gilt der Rechtsmittelausschluss, wenn das sachlich zuständige Gericht eindeutig bestimmbar ist. Dabei genügt es, wenn sich aus der Unzuständigkeitsentscheidung in Verbindung mit den Klageangaben ergibt, dass das eigentlich zuständige Gericht seinen Sitz in derselben Gemeinde hat (RIS-Justiz RS0046280; RS0046283; RS0046295; 5 Ob 322/00i; 7 Ob 344/99k; Mayr in Rechberger³ § 45 JN Rz 2; Ballon aaO § 45 JN Rz 3). Nicht aus dem Gesetz ableitbar ist, dass der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN für eine die sachliche Zuständigkeit verneinende Entscheidung eines Gerichts dann nicht gelte, wenn dieses nur zufolge Befangenheit aller Richter des ursprünglich angerufenen Gerichts tätig wurde, mag das ursprünglich angerufene Gericht auch seinen Sitz in einer anderen Gemeinde als das letztlich sachlich zuständige Gericht haben. Den Entscheidungen der Vorinstanzen ist eindeutig zu entnehmen, dass für die Erledigung des Klagebegehrens wegen des Streitwerts von mehr als 10.000 EUR nicht das Bezirksgericht Graz-West, sondern - im Zusammenhalt mit den Klageangaben - das örtlich zuständige Landesgericht berufen und dieses das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ist, das seinen Sitz in derselben Gemeinde (in Graz) hat. Davon, dass das seine sachliche Zuständigkeit verneinende Bezirksgericht Graz-West das seiner Ansicht nach zuständige Landesgericht ausdrücklich benannt hätte, hängt der Rechtsmittelausschluss nicht ab. Es reicht aus, dass dieses Gericht - wie hier - eindeutig bestimmbar ist (RIS-Justiz RS0046283). Das Rekursgericht hätte sohin den Rekurs der Kläger - soweit er sich gegen den Ausspruch über die sachliche Unzuständigkeit und die Zurückweisung der Klage richtet - zurückweisen müssen. Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs dennoch meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0115201, RS0042059; s zur Entwicklung der Rechtsprechung Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 36, § 515 ZPO Rz 20, § 528 ZPO Rz 24; vgl überdies RIS-Justiz RS0043969).

Auf die von den Rechtsmittelwerbern relevierten Bewertungsfragen

kommt es nicht an.

Zu den Rekurskosten:

Die Beklagten sind mit ihrem Rekurs nicht durchgedrungen, sodass sie die Kosten der Rekursbeantwortung der Kläger zu ersetzen haben. Der Rekurs der Kläger war lediglich hinsichtlich des Ausspruchs des Erstgerichts über die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens erfolgreich, in den übrigen Punkten war er unzulässig bzw blieb erfolglos. Gemäß § 43 Abs 2 ZPO haben demnach auch die Kläger ihre Rekurskosten selbst zu tragen und den Beklagten deren Rekursbeantwortungskosten zu ersetzen. Da die Kläger (entsprechend § 15 lit a) und lit b) RATG) 20 %, die Beklagten aber nur 15 % Streitgenossenzuschlag verzeichnet haben, ergibt sich ein Überhang zu Gunsten der Kläger von 54,57 EUR.

Die Kosten des Revisionsrekurses haben die Kläger selbst zu tragen.

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