OGH 1Ob261/68

OGH1Ob261/6831.10.1968

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sahaditsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann, Dr. Leidenfrost, Dr. Schneider und Dr. Mößlang als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Fritz S*****, Rechtsanwalt in *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dr. Leopold K*****, Inhaber der Baugesellschaft V. und L. K*****, wider die beklagte Partei Juliane H*****, Baumeistersgattin in *****, vertreten durch Dr. Gottfried Lindner, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 118.403,16 s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1968, GZ 3 R 93/68-68, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgericht Linz vom 22. März 1968, GZ 1 Cg 68/64-61, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.572,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Bauunternehmen V. u. L. K*****, (Inhaber Dr. Leopold K*****), führte über Auftrag der Beklagten ein größeres Bauvorhaben aus. Mit der vorliegenden, am 28. 8. 1964 bei Gericht eingelangten Klage begehrte Dr. Leopold K***** von der Beklagten Zahlung der hieraus resultierenden restlichen Forderung in der Höhe von S 257.571,33 samt 12,5 % Zinsen ab 1. 1. 1964. Im Verlaufe des Verfahrens nahm der Kläger - nach der am 10. 6. 1967 erfolgten Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des genannten Bauunternehmens der in den Prozeß eingetretene Masseverwalter Dr. Fritz S***** - mehrere Klageeinschränkungen vor, so daß letztlich das Klagebegehren S 118.403,16 samt 10 % Zinsen ab 1. 9. 1964 betragen hat. Die Beklagte, die zunächst Klageabweisung beantragte, erklärte in der Streitverhandlung vom 12. 9. 1966, in welcher der Sachverständige Prof. Dkfm. K***** ein Gutachten erstattete, das den Kläger zu einer (weiteren) Klageeinschränkung von S 153.403,16 s. A. auf S 150.403,16 s. A. bestimmte, alle zu diesem Zeitpunkt noch strittigen und Gegenstand des Sachverständigengutachtens bildenden Einwendungen fallen zu lassen; sie brachte zusätzlich allerdings vor, weitere Zahlungen in der Höhe von S 184.000,-- erbracht zu haben, die bei der bisherigen Abrechnung unberücksichtigt geblieben seien und verwies darauf, daß sich die Klageforderung um diese Zahlungen vermindere (ONr. 27). Nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens (ONr. 35) schränkte der Kläger in der Streitverhandlung vom 24. 5. 1967 das Klagebegehren um die weiteren Teilbeträge von S 30.000,-- und S 2.000,-- auf den schließlich streitverfangen gebliebenen Betrag von S 118.403,16 ein, wobei sich die Parteien dahin einigten, daß der Kläger berechtigt sei, ab 1. 9. 1964 von dem zuzusprechenden Betrag Zinsen in der Höhe von 10 % zu begehren (ONr. 41).

Das Vorbringen der Beklagten in der Streitverhandlung vom 20. 3. 1968, sie habe am 25. 9. 1963 der klagenden Partei einen Betrag von S 30.000,-- über das Bankhaus Berger & Co in Salzburg überweisen lassen, um den sich die Klageforderung gleichfalls vermindere, wurde vom Erstgericht über Antrag des Klägers gemäß dem § 179 Abs 1 Satz 2 ZPO als unstatthaft erklärt (ONr. 59a).

Unbewiesen sei - so führte das Erstgericht aus - geblieben, daß der klagenden Partei von den in der Streitverhandlung vom 12. 9. 1966 behaupteten, angeblich S 184.000,-- beantragenden (weiteren) Zahlungen der Beklagten mehr als S 32.000,-- zugeflossen seien; um den letztgenannten Betrag habe der Kläger das Begehren ohnehin weiter eingeschränkt. Da die Einwendung der Beklagten, sie habe Zahlungen in einem die Klageeinschränkungen übersteigenden Betrag geleistet, unbewiesen geblieben und ihr weiteres Tatsachenvorbringen als unstatthaft zurückzuweisen gewesen sei, habe dem auf S 118.403,16 samt 10 % Zinsen ab 1. 9. 1964 eingeschränkten Klagebegehren stattgegeben werden müssen.

Die von der Beklagten wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellung erhobene Berufung blieb erfolglos.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die vorliegende, auf die Anfechtungsgründe nach § 503 Z 2 und 3 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache an einer der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der im Rahmen der Darstellung des Anfechtungsgrundes nach § 503 Z 2 ZPO enthaltene Vorwurf, das Gericht zweiter Instanz habe die geltend gemachten Berufungsgründe der unrichtigen Beweiswürdigung und der unrichtigen Tatsachenfeststellung nicht oder oder nur unzureichend behandelt, ist unhaltbar. Die Beklagte läßt hierbei die ausführlichen Erörterungen des Berufungsgerichtes zu diesem Themenkreis unberücksichtigt und unternimmt in Wahrheit damit nur den zufolge der Regelung des § 503 ZPO unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen im Verfahren vor dem Revisionsgericht zu bekämpfen. Die Rechtsmittelwerberin hat bereits im Berufungsverfahren eine dem Erstgericht angeblich unterlaufene Verletzung der Bestimmung des § 405 ZPO behauptet und dazu vorgebracht, daß die klagende Partei unter Berücksichtigung der vorgenomenen Klageeinschränkungen letztlich nur mehr S 102.903,16 s. A. und nicht die ihr tatsächlich zuerkannten S 118.403,16 s. A. gefordert habe. Diese Rüge hat das Berufungsgericht behandelt und ist dabei zur Auffassung gelangt, daß eine Klageüberschreitung nicht vorliegt. Gleichviel, ob ein Verstoß nach § 405 ZPO als ein im § 477 ZPO nicht aufgezählter Nichtigkeitsgrund gewertet oder als Verfahrensmangel aufgefaßt wird (siehe zu dieser umstrittenenen Frage: Sperl, Festschrift für Schey, GZ 1923 S. XXVI sowie Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege S. 488; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. S 1155, 1292; SZ XXIII 67; Pollak, System des österr. Zivilprozeßrechtes mit Einschluß des Exekutionsrechtes, 2. Aufl. I S. 82, 102; JBl 1960, S 154; EvBl 1958 Nr. 258), in keinem Fall ist eine weitere Rüge in dritter Instanz zulässig. Bei Annahme einer im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit ergibt sich diese verfahrensrechtliche Lage daraus, daß die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz dann einen mangels der Voraussetzungen des § 519 ZPO unanfechtbaren Beschluß darstellt; wird aber die dem Erstgericht unterlaufene Klageüberschreitung als Verfahrensmangel aufgefaßt, dann gilt es zu beachten, daß die Wiederholung einer vom Berufungsgericht als unstichhältig erkannten Mängelrüge in dritter Instanz ausgeschlossen ist (SZ XXIII 106, SZ XXVII 4 u. v. a.).

Der letztgenannte Umstand verwehrt es der Beklagten auch, die in der Streitverhandlung vom 20. 3. 1968 erfolgte Zurückweisung ihres Tatsachenvorbringens wegen Verschleppungsabsicht noch im Revisionsverfahren zu rügen. Die Bestimmung des § 503 Z 2 ZPO, auf die sich die Beklagte auch bei den diesbezüglichen Ausführungen beruft, bietet nur die Möglichkeit, einen Mangel des Berufungsverfahrens aufzuzeigen, erlaubt aber nicht, eine vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung über einen in der Berufung geltend gemachten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens als unrichtig zu bekämpfen. Nach einheitlicher Rechtsprechung können formelle Mängel und verfahrensrechtliche Fehlentscheidungen, soweit sie nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruhen, nur in der nächsthöheren Instanz angefochten werden. Die Frage, ob ein Parteivorbringen unstatthaft im Sinne des § 179 Abs 1 Satz 2 ZPO ist, gehört nun ohne Zweifel in das Gebiet des Verfahrensrechtes, so daß die hierzu getroffene Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz nicht mehr bekämpft werden kann (EvBl 1959 Nr. 361; RiZ 1968 S. 54).

Die als aktenwidrig (§ 503 Z 3 ZPO) gerügte Annahme der Vorinstanzen, daß die Beklagte in den Streitverhandlungen vom 12. 9. 1966 und vom 24. 5. 1967 zugestanden hat, dem Kläger ohne die von ihr behaupteten, dann freilich unbewiesen gebliebenen Abschlagszahlungen den schließlich zugesprochenen Betrag von S 118.403,16 samt 10 % Zinsen ab 1. 9. 1964 zu schulden, stellt in Wahrheit eine durch den Inhalt der Prozeßakten gedeckte Schlußfolgerung dar, wobei es zur Vermeidung von Wiederholungen genügt, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, das sich mit einer inhaltlich gleichgelagerten Rüge der Beklagten auseinanderzusetzen hatte, zu verweisen. Der Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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