OGH 1Ob2343/96g

OGH1Ob2343/96g26.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, *****, Slowakei, vertreten durch Dr.Walther Leeb, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, Bundesrepublik Deutschland, wegen DM 140.000,-- infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgerichts vom 16.September 1996, GZ 4 R 221/96-5, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichts Linz vom 22.August 1996, GZ 1 Cg 199/96-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei aufgrund einer zwischen den Streitteilen geschlossenen und von der klagenden Partei nach deren Behauptung erfüllten Vereinbarung die Zahlung von DM 140.000,- -. Die Zuständigkeit des Erstgerichts ergebe sich aus der im Vertrag getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung, die wie folgt lautet: „Es gilt österreichisches Recht mit Gerichtsstand in Linz als vereinbart.“

Das Erstgericht wies die Klage zurück, weil die inländische Gerichtsbarkeit mangels hinreichender Nahebeziehung zum Inland nicht gegeben sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstands und der Anwendung österreichischen Rechts vermöge eine hinreichende Inlandsbeziehung nicht zu begründen.

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die inländische Gerichtsbarkeit im Sinne der inländischen Zuständigkeit ist eine selbständige, allgemeine Prozeßvoraussetzung, die ausschließlich nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag wahrzunehmen ist (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 42 JN). Sie besteht für alle Zivilrechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland - zB einen inländischen Gerichtsstand - vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Liegt allerdings nur ein inländischer Gerichtsstand ohne hinreichende Nahebeziehung des geltend gemachten Anspruchs zum Inland vor, ist die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen (1 Ob 2034/96s mwN; 4 Ob 604/95; ZfRV 1994/46; SZ 65/95; EvBl 1992/8; JBl 1991, 393 uva). Akte der Parteiendisposition können eine fehlende Inlandsbeziehung nicht ersetzen (1 Ob 2034/96s mwN).

Die Revisionsrekurswerberin vertritt die Ansicht, die Vereinbarung der Anwendung österreichischen Rechts und der Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts stellte einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die inländische Gerichtsbarkeit dar. Dem ist nicht zuzustimmen. Für die Bejahung der inländischen Zuständigkeit ist eine berücksichtigungswürdige Inlandsbeziehung des Verfahrensgegenstandes oder der Parteien erforderlich. Die Parteieneinigung auf die Streitschlichtung durch die Behörden eines bestimmten Staates darf nicht zu einer Beeinträchtigung der Interessen dieses Staates durch Belastung mit Angelegenheiten führen, an deren Regelung kein einleuchtendes Interesse erkennbar ist (1 Ob 2034/96s mwN; ZfRV 1994/46). Es ist zwar grundsätzlich möglich, daß Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbaren, doch ist auch in einem solchen Fall zu prüfen, ob ein hinreichender Inlandsbezug gegeben ist (ZfRV 1995/20). Eine berücksichtigungswürdige Inlandsbeziehung hat der Oberste Gerichtshof beispielsweise dann angenommen, wenn der Sitz der Klägerin im Inland lag und der Streitgegenstand aus Österreich angeliefert wurde (ZfRV 1995/20), wenn ein Kläger für seinen ausländischen Arbeitgeber grundsätzlich in Österreich an seinem Wohnsitz erreichbar war, der Kläger seine Arbeit fallweise auch von Österreich an antrat, sie zum Teil in Österreich ausführte und für österreichische Kunden seines Prozeßgegners tätig geworden war (SZ 65/74), wenn der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Ausland hatte, den Klägern mit Wohnsitz in Österreich die den Gerichtsstand begründenden Gegenstände geliefert hatte (EvBl 1991/182) oder wenn die mit einem Vermächtnis belasteten Erben nicht nur die strittige, im Ausland gelegene Liegenschaft, sondern auch einen in Österreich gelegenen Teil des Nachlasses geerbt hatten (SZ 59/205). Derartige gravierende Anknüpfungspunkte sind hier indessen nicht erkennbar. Das Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung und die in dieser Vereinbarung enthaltene Einigung auf die Anwendung österreichischen Rechts können für sich allein das Erfordernis einer ausreichenden Nahebeziehung zum Inland nicht erfüllen (1 Ob 2034/96s; 10 Ob 519/95).

Ob die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1996/448) zu bejahen wäre, ist nicht zu prüfen, weil dieses gemäß seinem Art 54 Abs 1 iVm Art 61 Abs 4 LGVÜ erst am 1.9.1996 in Kraft getreten ist, die Klage aber bereits am 21.8.1996 überreicht wurde.

Da zur Frage, ob die Vereinbarung der Anwendung österreichischen Rechts im Zusammenhang mit einer Gerichtsstandsvereinbarung eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland begründe, sodaß die inländische Gerichtsbarkeit gegeben sei, bereits mehrfache Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliegt, ist der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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