European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120721
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und gefährdenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die eheliche Gemeinschaft der Streitteile ist jedenfalls seit Jänner 2008 beendet. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags in Höhe von 1.500 EUR ab 1. 7. 2009 verpflichtete. Als Vergleichsgrundlage wurde festgehalten, dass das Einkommen des Mannes 3.900 EUR netto 14 x jährlich beträgt und die Frau kein Einkommen hat. Noch vor Rechtskraft des Urteils über die Scheidung der Ehe gemäß § 55 EheG, das einen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG über das alleinige Verschulden des (damals klagenden) Mannes enthielt, verstarb die Mutter des Beklagten, nach der er die Hälfte einer Liegenschaft mit einem Zinshaus erbte. Diesen Liegenschaftsanteil schenkte er mit Vertrag vom 19. 7. 2013 seiner Lebensgefährtin, die einen auf der Liegenschaft lastenden Kredit von rund 60.000 EUR übernahm. Aus diesem Liegenschaftsanteil wurde in den Jahren 2013 bis 2015 ein durchschnittlicher jährlicher Gewinn (nach Abzug der laufenden Instandhaltungskosten) von rund 21.660 EUR erzielt. Das laufende Einkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als Bundesbeamter beträgt 5.580 EUR monatlich. Die Klägerin erzielte in den Jahren 2012 bis 2014 ein durchschnittliches Monatseinkommen von rund 320 EUR.
Unstrittig ist, dass der Beklagte der Klägerin (ab 1. 5. 2016) aus seinem laufenden Erwerbseinkommen (einstweiligen) monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.841,40 EUR zu zahlen hat. Strittig ist das Mehrbegehren über weitere 595,59 EUR.
Die Klägerin brachte dazu im Wesentlichen vor, der Beklagte hätte aus dem geerbten Liegenschaftsanteil ein Zusatzeinkommen lukrieren können, das ebenfalls in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen sei. Dass er den Liegenschaftsanteil verschenkt habe, könne seine Unterhaltspflicht nicht mindern. Ein pflichtgemäß handelnder geschiedener Ehegatte dürfe in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht nicht ohne anerkennenswerten Grund auf zusätzliche Einkünfte verzichten.
Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, seine Entscheidung, den Liegenschaftsanteil zu verschenken, sei nach den konkreten Umständen vertretbar gewesen, zumal er ein ausreichendes laufendes Einkommen habe und daraus auch angemessenen Unterhalt zahlen könne. Die (fiktiven) Miteinkünfte seien auch deshalb nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, weil er diesen Vermögenswert erst nach der Trennung erlangt habe.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, ab 1. 5. 2016 einstweiligen monatlichen Unterhalt in Höhe von 2.436,99 EUR zu zahlen. Da die Ehe nach § 55 EheG geschieden worden sei und das Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG enthalte, gelte für den Unterhaltsanspruch der Klägerin auch nach der Scheidung der § 94 ABGB. In die Unterhaltsbemessungsgrundlage seien auch Erträgnisse aus Vermögen einzurechnen, wobei es belanglos sei, wann das Vermögen erworben worden ist; in der Literatur werde dagegen vertreten, dass Erträgnisse aus einem nach der Trennung erworbenen Vermögen auf die Unterhaltsbemessung keinen Einfluss hätten. Die Ehe sei gemäß § 55 EheG geschieden worden, sodass die Bestimmung des § 69 Abs 2 EheG zur Anwendung gelange.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den einstweiligen Unterhalt mit (nur) 1.841,40 EUR monatlich festsetzte; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gemäß § 69 Abs 2 EheG werde der schuldlose Ehegatte unterhaltsrechtlich so gestellt, wie wenn die Ehe nicht geschieden wäre. Soweit das Erstgericht den Beklagten auf Einkünfte aus dem Liegenschaftsvermögen anspanne, sei festzuhalten, dass der Anspannungsgrundsatz von der aus § 94 Abs 1 ABGB abgeleiteten Obliegenheit der Ehegatten ausgehe, bei einem für den angemessenen Unterhalt nicht ausreichenden Einkommen eine ihren Fähigkeiten entsprechende und zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben, sofern dies ein deutlich höheres Einkommen verspricht. Werde ein nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessener Unterhalt erreicht, stelle sich die Frage der Anspannung nicht. Im vorliegenden Fall verfüge der Beklagte über ein laufendes Einkommen in nicht unbeträchtlicher Höhe; mit dem Unterhalt aus dem aktuellen Einkommen allein sei der angemessene Unterhalt der Klägerin gedeckt. Diese habe auch im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet, dass dieser Unterhalt zur Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse inIndien – mit bekanntermaßen weit geringeren Lebenshaltungskosten – nicht ausreiche. Eine Anspannung habe hier somit nicht stattzufinden. Ein Unterhalt ohne Berücksichtigung möglicher Mieterträge entspreche den früheren gemeinsamen Lebensverhältnissen. Da zur Frage ob bei Bemessung des nachehelichen Unterhalts gemäß § 69 Abs 2 EheG bei regelmäßigem Einkommen des Unterhaltspflichtigen dessen nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft ererbtes und in weiterer Folge verschenktes Vermögen (gemeint: dessen Erträgnisse) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 und § 402 Abs 4 EO zulässig.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil keine im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Vorinstanzen grundsätzlich zutreffend ausgeführt haben, gilt gemäß § 69 Abs 2 Satz 1 EheG für den Unterhaltsanspruch des im Scheidungsverfahren beklagten Ehegatten – das ist hier die Klägerin – auch nach der Scheidung der § 94 ABGB, wenn die Ehe nach § 55 EheG geschieden wurde und das Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG enthielt. Diese Anordnung bedeutet, dass sich in den von der genannten Norm erfassten Fällen die unterhaltsrechtliche Stellung des unterhaltsberechtigten (beklagten) Ehegatten durch die Scheidung nicht ändert (RIS‑Justiz RS0009536). Dies hat unter anderem zur Konsequenz, dass es für die Unterhaltspflicht nicht auf die früheren, sondern auf die nunmehr gegebenen beiderseitigen Beitragsmöglichkeiten ankommt (3 Ob 197/02w), was etwa hinsichtlich des gestiegenen laufenden Erwerbseinkommens des Beklagten auch gar nicht strittig ist. Ist die Klägerin nun unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als wäre die Ehe noch aufrecht, stellt sich die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Frage nicht, ist es dann doch grundsätzlich ohne Belang, zu welchem Zeitpunkt sich für den unterhaltspflichtigen Beklagten eine zusätzliche Einkunftsquelle aufgetan hat. Auch die Frage, welchen Einfluss es auf die Höhe der Unterhaltspflicht hat, wenn eine solche weitere Einkunftsquelle nicht genützt oder aufgegeben wird, ist in den Fällen des § 69 Abs 2 Satz 1 EheG nicht anders zu beantworten als bei aufrechter Ehe.
Im Rahmen des § 94 ABGB entspricht es zwar der herrschenden Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0113786), dass auch Vermögenserträgnisse des Unterhaltspflichtigen – mag das Vermögen etwa auch im Erbweg erlangt worden sein (RIS‑Justiz RS0047397) – zu berücksichtigen sind, doch steht im vorliegenden Fall fest, dass der Beklagte derartige Erträgnisse nicht erzielt hat, hat er ja den ererbten Liegenschaftsanteil vor Beginn des hier zu beurteilenden Zeitraums durch Schenkung an eine Dritte übertragen.
Wie bereits das Rekursgericht dargelegt hat, stellt sich damit die Frage, ob der Unterhaltsberechtigte unter Berufung auf den Anspannungsgrundsatz die Einbeziehung jener Erträgnisse in die Unterhaltsbemessungsgrundlage verlangen kann, die der Unterhaltspflichtige lukriert hätte, wenn er die betreffende Einkommensquelle behalten hätte. Zum vergleichbaren Fall der Einbringung wesentlicher Vermögensteile in eine Privatstiftung des Unterhaltspflichtigen wurde etwa judiziert, dass dieser grundsätzlich auf die fiktiven Erträgnisse jenes Vermögens anzuspannen sei; dadurch dürfe allerdings der angemessene Unterhalt, der sich nach dem von den Lebenspartnern einvernehmlich gewählten Lebenszuschnitt richtet, nicht überschritten werden (2 Ob 295/00x = SZ 73/179). Die „Anspannung“ eines Unterhaltspflichtigen als Eigentümer einer Liegenschaft zu deren Vermietung oder Verpachtung ist von Gesetzes wegen nicht geboten, wenn er zur Deckung des angemessenen Unterhalts allein aus seinem Einkommen in der Lage ist (1 Ob 98/03y = RIS‑Justiz RS0117851).
Unter Berücksichtigung der dargestellten Judikatur kann dem Rekursgericht kein Beurteilungsfehler vorgeworfen werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass der angemessene Unterhalt der Klägerin im Sinn des § 94 ABGB für ihr Leben in Indien (zur Berücksichtigung der Kaufkraft am Wohnort des Unterhaltsberechtigten s nur RIS‑Justiz RS0111899) bereits durch den auf Basis des tatsächlichen Einkommens nach der sogenannten Prozentwertmethode ermittelten Geldunterhalt in Höhe von monatlich 1.841,40 EUR ausreichend gesichert ist. Abgesehen davon, dass der Unterhalt nicht nach festgelegten Formeln berechnet werden kann, sondern innerhalb eines gewissen Rahmens der Angemessenheit festzulegen ist, ist auch auf einen grundsätzlichen Rechtsirrtum der Klägerin (und des Erstgerichts) hinzuweisen: Entgegen deren Auffassung käme es selbst bei einem tatsächlichen Bezug von Mieteinkünften durch den Unterhaltspflichtigen nicht in Betracht, den gesamten Gewinn in die Bemessungsgrundlage einzurechnen; vielmehr wäre von diesem – ebenso wie von Erwerbseinkünften – die anfallende Einkommensteuer in Abzug zu bringen (vgl nur RIS‑Justiz RS0013386), weil ja nur der verbleibende Betrag dem Unterhaltspflichtigen als Einkommen zur Verfügung steht. Angesichts ihrer festgestellten Erwerbseinkünfte hat die Klägerin mit den ihr vom Rekursgericht zuerkannten Unterhaltsbeiträgen monatlich rund 2.160 EUR zur Verfügung. Wenn das Rekursgericht im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass damit ihr angemessener Unterhalt gewährleistet ist, kann darin keine Fehlbeurteilung erblickt werden, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste.
Gelingt dem Beklagten die Abwehr des Sicherungsantrags, dann ist die Entscheidung über seine Kosten des Provisorialverfahrens nicht vorzubehalten. Er hat vielmehr Anspruch auf Ersatz dieser Kosten gemäß den §§ 78, 502 EO, §§ 41, 52 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0005667 [T4]). Dies gilt auch für das Revisionsrekursverfahren, in dem der Beklagte den über den bereits rechtskräftig zuerkannten Betrag hinausgehenden Provisorialantrag zur Gänze abwehren konnte. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt angesichts der monatlichen strittigen Differenz von 595,59 EUR gemäß § 9 Abs 3 RATG allerdings nur 7.147,08 EUR.
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