OGH 1Ob230/16d

OGH1Ob230/16d31.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer sowie Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. G***** H*****, vertreten durch die Pallauf Meissnitzer Staindl und Partner Rechtsanwälte OG, Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17–19, wegen 158.652,78 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2016, GZ 14 R 107/16g‑27, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Mai 2016, GZ 33 Cg 22/15w‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00230.16D.0131.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Der Kläger begehrt Ersatz nach dem Amtshaftungsgesetz, den er auf eine behauptetermaßen rechtswidrig unterbliebene (Wieder‑)Bestellung zum Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (kurz BIFIE) ab 1. 4. 2013 stützt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mangels Passivlegitimation der Beklagten ab. Das Berufungsgericht berief sich dazu auf das ausführlich begründete zu AZ 1 Ob 218/14m ergangene Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs und führte aus, so wie damals die Entscheidung über die Besetzung der Position eines Landesgeschäftsführers des AMS dessen eigenem Wirkungsbereich und nicht dem hoheitlichen Bereich zugeordnet worden sei, stelle auch die Vergabe einer leitenden Position im BIFIE eine Tätigkeit in deren eigenem Wirkungsbereich dar. Es ergäben sich im Zusammenhang mit der Bestellung des Direktoriums aus dem Gesetz keine der Verwaltung zuzurechnenden rechtstechnischen Mittel wie Bescheid und Verordnung, keine Zwangsbefugnisse und auch kein öffentlich‑rechtlicher Rechtsschutz; vielmehr schließe der Aufsichtsrat des BIFIE mit den Direktoren einen privatrechtlichen Vertrag ab. Die Bestellung durch den zuständigen Minister sei auch nicht der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes zurechenbar, sondern, als im eigenen Wirkungsbereich jenes Rechtsträgers erfolgt, nur der juristischen Person selbst.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig, was kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO):

Zur Frage, warum ein Amtshaftungsanspruch vorliegen solle, brachte der Kläger im Verfahren erster Instanz vor, es könnten aus einem rechtswidrigen, schuldhaften Verhalten bei Vollziehung des Gesetzes Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, die Bundesministerin habe bei der Bestellung in Vollziehung der Gesetze, nämlich des Stellenbesetzungsgesetzes, und demnach hoheitlich gehandelt; sie habe die darin eingeräumte Befugnis rechtsmissbräuchlich verletzt.

Bereits in der zuvor erwähnten Entscheidung zu AZ 1 Ob 218/14m stellte aber der erste Senat des Obersten Gerichtshofs als Fachsenat klar, dass das Handeln nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes (oder ein Verstoß dagegen) nicht per se hoheitliches Handeln ist.

Wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu AZ 1 Ob 218/14m und AZ 7 Ob 119/09i den Standpunkt einnahm, die Auswahl von geschäftsführenden Organen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sei ihrem Wesen nach in deren eigenem Wirkungsbereich erfolgt, kann der Revisionswerber mit dem Verweis auf die Pflicht zur Wahrnehmung von Aufsichtsrechten durch die Bundesministerin weder die von ihm behauptete unrichtige Anwendung der Rechtsprechung des Höchstgerichts noch einen aufzugreifenden Auslegungsfehler der anzuwendenden Rechtsnormen darlegen. Dass nämlich, wie er behauptet, deshalb, weil dem zuständigen Regierungsmitglied im Rahmen der Aufsicht die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entlastung des Direktoriums oblag, die Bestellung des Direktors eine mit der Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe verbundene Verhaltensweise sei und damit als in Vollziehung der Gesetze (iSd § 1 AHG) erfolgt anzusehen sei, kann nicht erkannt werden, und zwar schon deswegen nicht, weil die Bestellung eines organschaftlichen Vertreters funktionell nicht Vorbereitung der Aufsicht ist und auch nicht damit in einem hinreichend engen Zusammenhang steht.

Soweit der Revisionswerber mit seiner Argumentation, das Direktorium sei nach § 9 des Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens erlassen wird (BGBl I 2008/25), zur Vertretung des BIFIE nach außen berufen, durch die Befugnis des Regierungsmitglieds, das Direktorium zu bestellen, werde das Regierungsmitglied aber nicht selbst vertretungsbefugtes Organ des BIFIE, darauf abzielt, dass – selbst außerhalb von Amtshaftungsansprüchen und nach allgemeinen Grundsätzen – nur die beklagte Republik, nicht aber das BIFIE für die Entscheidung der zuständigen Bundesministerin hafte, kann der Kläger auch damit keine im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzeigen. Für die Frage, ob die Tätigkeit einer natürlichen Person einer juristischen Person zuzurechnen ist, ist nicht allein darauf abzustellen, ob diese deren selbständig vertretungsbefugtes Organ ist, weil auch das Verhalten von „bloßen“ Mitarbeitern als Gehilfen oder der (ebenfalls nicht selbständig vertretungsbefugten) Gesellschafter einer Gesellschaft zugerechnet wird, soweit sie in ihrer Funktion für die Gesellschaft tätig werden. Das Berufungsgericht rechnete die Auswahl von geschäftsführenden Organen in Übereinstimmung mit den Entscheidungen zu AZ 1 Ob 218/14m und AZ 7 Ob 119/09i ihrem Wesen nach dem eigenen Wirkungsbereich der jeweiligen juristischen Person, um deren Vertretung es geht, zu und hielt das Regierungsmitglied, das in den Materialien zur Novelle zum genannten Gesetz BGBl I 2013/7 als „Eigentümervertreter“ bezeichnet wird (ErläutRV 988 BlgNR XXIV. GP 2), dabei mit der Formulierung „Gesellschafter der juristischen Person des öffentlichen Rechts“ vertretbar für mit einem Gesellschafter einer GmbH vergleichbar.

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