OGH 1Ob226/12k

OGH1Ob226/12k13.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen K***** E*****, geboren am 2. Mai. 1998, und der minderjährigen J***** E*****, geboren am 8. Mai. 2006, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter K***** E*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Teilbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. September 2012, GZ 42 R 540/11i‑263, mit dem über Rekurs des Vaters K***** E*****, der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 28. Juli 2011, GZ 1 Ps 25/11i‑230, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund einer Entscheidung des Rekursgerichts vom 29. 6. 2011 (ON 225), mit der dieses einem Rekurs des Vaters Folge gab, gilt bis zur endgültigen Entscheidung über die Obsorge eine zwischen den Eltern in der Tagsatzung vom 20. 4. 2008 getroffene Regelung, wonach die ältere Tochter K***** jeweils eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater verbringen sollte.

Mit seinem Beschluss vom 28. 7. 2011 (ON 230) entzog das Erstgericht dem Vater die Obsorge hinsichtlich beider Minderjährigen und übertrug diese allein der Mutter. Nachdem der Vater gegen diese Entscheidung Rekurs erhoben hatte, lehnte die Mutter jene Mitglieder des Rekurssenats, die bereits an der Entscheidung ON 225 mitgewirkt hatten, ab.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Vaters mit einem Teilbeschluss teilweise Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts hinsichtlich der minderjährigen K***** dahin ab, dass der Vater einstweilen mit der alleinigen Obsorge für den Bereich der schulischen Angelegenheit betraut werde. Insoweit dulde die Entscheidung keinen Aufschub; im Übrigen sei über den Rekurs jedoch erst nach rechtskräftiger Entscheidung über den Ablehnungsantrag der Mutter abzusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter, der keine Rechtsfragen von der erforderlichen Erheblichkeit (§ 62 Abs 1 AußStrG) aufzeigt.

Ein auf der Befangenheit von Mitgliedern des Rekurssenats beruhender schwerer Verfahrensverstoß setzt die rechtskräftige Bejahung der Befangenheit voraus. Die von der Mutter geltend gemachte Befangenheit von Mitgliedern des erkennenden Rekurssenats wäre daher nur dann ein Aufhebungsgrund im Sinn des § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG und damit ein Revisionsrekursgrund nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG, wenn die Ablehnung erfolgreich gewesen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0042046 [T4]; RS0007462). Zwischenzeitig wurde ihr Ablehnungsantrag jedoch rechtskräftig zurückgewiesen. In einem solchen Fall liegt kein im Revisionsrekursverfahren noch zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor (RIS‑Justiz RS0046044). Ob die Voraussetzungen für die vom Rekursgericht in Anspruch genommene Kompetenz zur Entscheidung gemäß § 25 erster Satz JN vorlagen, was die Revisionsrekurswerberin bestreitet, muss damit nicht mehr geprüft werden.

Der Revisionsrekursgrund der Aktenwidrigkeit gemäß § 66 Abs 1 Z 3 AußStrG liegt vor, wenn in einem wesentlichen Punkt zwischen den Feststellungen und dem Akteninhalt ein Widerspruch besteht, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist (Fucik/Kloiber, AußStrG § 66 Rz 5; ebenso RIS‑Justiz RS0043277 [T2] zu § 503 Z 3 ZPO). Eine solche Aktenwidrigkeit sieht die Mutter verwirklicht, weil das Rekursgericht festhielt, die Mutter habe sich am Rekursverfahren nicht beteiligt, obwohl sie sich diesem gegenüber geäußert habe. Abgesehen davon, dass das Rekursgericht erkennbar und zutreffend lediglich auf den Umstand verwies, dass die Mutter keine Rekursbeantwortung erstattete, sind Gegenstand des Revisionsrekursgrundes der Aktenwidrigkeit nur für die Entscheidung relevante Tatsachen (RIS‑Justiz RS0043276 [T1]; RS0007291). Auch damit zeigt die Revisionsrekurswerberin keinen relevanten Widerspruch zwischen den Feststellungen des Rekursgerichts und dem Akteninhalt auf.

Nach § 107 Abs 2 AußStrG kann das Gericht die Obsorge und die Ausübung des Rechts auf den persönlichen Verkehr auch vorläufig einräumen, wenn besondere Umstände im Interesse des Kindes eine sofortige Entscheidung erfordern (vgl RIS‑Justiz RS0007035). Voraussetzung dafür ist eine akute Gefährdung des Kindeswohls (vgl Deixler‑Hübner in Rechberger AußStrG, § 107 Rz 7). Ob das der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt damit nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG dar, wenn das Wohl des Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (RIS‑Justiz RS0007101 [T2, T3, T12, T13]). Die Mutter bestreitet in diesem Zusammenhang gar nicht, dass eine vorläufige Entscheidung über die Zuweisung des Teilbereichs der Obsorge „Schulische Angelegenheiten“ in Anbetracht des beginnenden Schuljahrs und der Wahl einer neuen Schule erforderlich war, um den schulischen Erfolg der Minderjährigen nicht zu gefährden. Mit ihrer Argumentation, die sich gegen die Annahme wendet, der Vater sei genauso wie sie in der Lage, die Minderjährige zu betreuen, zielt sie inhaltlich auf eine in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung ab (RIS‑Justiz RS0007236 [T4]), weil das Rekursgericht die Feststellungen ausdrücklich in diesem Sinn ergänzte. Auch verkennt sie, dass das Rekursgericht lediglich eine vorläufige Entscheidung über einen Teilbereich der Obsorge getroffen hat und die Beurteilung der Frage, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände letztlich die Obsorge zukommen soll, der endgültigen Entscheidung vorbehalten ist. Da die Minderjährige nach dem festgestellten Sachverhalt den Wunsch äußerte, beim Vater zu bleiben, der sie in schulischen Belangen auch unterstützt, kann in der Einschätzung des Rekursgerichts, der Vater stehe der Betreuung der Minderjährigen in den zu beurteilenden Schulangelegenheiten näher, keine im Interesse des Kindeswohls aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist damit zurückzuweisen.

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