OGH 1Ob223/75

OGH1Ob223/7510.11.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, Student,  *, vertreten durch Dr. Peter Prenner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) F*, Schlossermeister, 2.) A*, Hausfrau, beide wohnhaft D *, beide vertreten durch Dr. Josef Sorschak, Rechtsanwalt in Raabs, wegen Unwirksamerklärung und Löschung einer grundbücherlichen Eintragung (Streitwert S 100.000,‑‑), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungs- und Rekursgerichtes vom 30. Juli 1975, GZ. 7 R 124/75‑34, womit infolge Berufung der klagenden Partei und Kostenrekurses der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d.D. vom 10. März 1975, GZ. 14 Cg 338/74‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00223.75.1110.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 3.486,84 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 600,‑‑ Barauslagen und S 213,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Erstrichter hat das Begehren, die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr. 109/1 W* der KG. *, von der Liegenschaft KG. * EZ. * der Landtafel für Wien und Niederösterreich und Zuschreibung zum Gutsbestand EZ. * KG. * dem Kläger gegenüber unwirksam zu erklären und zu löschen, abgewiesen.

Er stellte im wesentlichen fest, daß der öffentliche Notar F* (im folgenden nur Notar genannt) am 6. September 1972 im Vollmachtsnamen des P* (im folgenden nur Verkäufer genannt) und beider Beklagten beim Bezirksgericht Innere Stadt-Wien ein Grundbuchsgesuch (TZ. *) überreichte, in welchem auf Grund eines Kaufvertrages zwischen dem Verkäufer und den Beklagten vom 19. und 20. Juli 1972 und einer Freilassungserklärung des Klägers (der hinsichtlich der oben erwähnten Parzelle Nr. 109/1 verbücherter Verbotsberechtigter im Sinne des § 364 c ABGB war) vom 25. April 1969 um lastenfreie Abschreibung der Parzelle 109/1 W* vom landtäfelichen Gut EZ. * des Verkäufers und um Zuschreibung zur EZ. * KG. * der Beklagten ersucht wurde. Mit den Beschlüssen des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien vom 23. Jänner 1973 und 22. Mai 1973 sowie des Bezirksgerichtes Waidhofen an der Thaya vom 20. April 1973 (TZ. *) wurden diese Grundbuchsamtshandlungen in der vorgeschriebenen Form durchgeführt. Ein Rekurs des Klägers unter Berufung auf sein verbüchertes Verbotsrecht gegen den Beschluß vom 23. Jänner 1973 blieb erfolglos. Sowohl Kaufvertrag als auch Grundbuchsgesuch waren vom Notar errichtet worden, der von beiden Vertragsteilen hiezu bevollmächtigt war. Der Notar hatte vom Kläger aus Anlaß anderer Verkäufe von Liegenschaften des Verkäufers andere Freilassungserklärungen erhalten und Weisungen, unter welchen Bedingungen die Freilassungserklärungen herauszugeben seien. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Liegenschaft hatte der Kläger dem Notar wohl eine beglaubigte Freilassungserklärung übermittelt, aber gleichzeitig ein Schreiben vom 3. Mai 1969 nach dessen Absatz 2 c der Kläger hinsichtlich „der anderen Parzellen“ noch seine Weisungen geben werde. Der Notar verwendete aber die Freilassungserklärung auftragswidrig – sei es vorsätzlich, sei es aus Schlamperei – zur Verbücherung des erwähnten Kaufvertrages durch die vorerwähnte Ab- und Zuschreibung. Die Beklagten wußten davon nichts; sie verließen sich voll auf den Notar, daß alles in Ordnung gehe. Der Kaufpreis – der von den Beklagten dem Förster P* des Verkäufers mit S 150.000,‑‑ angeboten und vom Notar mit Schreiben, Beilage 4, namens des Verkäufers angenommen worden war – wurde beim Notar hinterlegt; eine Vereinbarung, daß der Kaufpreis an den Kläger auszuzahlen sei, wurde nicht getroffen.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter sinngemäß aus, das Handeln des Notars dürfe – gerade weil er Machthaber beider Vertragsteile und Treuhänder des Klägers gewesen sei – den gutgläubigen Beklagten nicht zugerechnet werden; die Beklagten selbst seien durch den Notar irregeführt worden; ihre Gutgläubigkeit schütze sie.

Das Berufungsgericht, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,‑‑ übersteigt, bestätigte diese Entscheidung, wenn auch aus anderen rechtlichen Überlegungen. Es ging davon aus, daß eine Freilassungserklärung, die einmal abgegeben und vom Eigentümer der belasteten Liegenschaft empfangen, nicht mehr einseitig widerrufen werden könne. Sie könne also nicht als bloß dem Grundbuchsgericht gegenüber abzugebende Prozeßerklärung aufgefaßt werden. Daraus folge, daß der Notar auftragswidrig in seiner Eigenschaft als Machthaber des Klägers (das Gericht zweiter Instanz lehnte die Annahme einer Treuhandschaft ab) diese Erklärung an sich selbst in seiner Eigenschaft als Machthaber des Verkäufers und auch der Beklagten weitergegeben habe. Er habe dies entweder wissentlich oder, wie festgestellt, „aus Schlamperei" getan, wobei diese Fahrlässigkeit in Anbetracht der besonderen Pflichten eines Notars wohl als eine grobe qualifiziert werden müßte. Sei also der Notar in seiner Eigenschaft als Machthaber des Verkäufers und der Käufer in Ansehung der Freilassungserklärung schlechtgläubig gewesen, so schade dies seinen Machtgeber. Dies ergebe, daß das Geschäft (der Kaufvertrag) insoweit unwirksam sei, als es die bücherliche Ab‑ und Zuschreibung und damit die Verletzung des Verbotsrechtes des Klägers ermöglichte. Sei aber das Titelgeschäft unwirksam, so auch seine Verbücherung. Das Begehren des Klägers wäre demnach berechtigt, hätte er nur alle aus diesem Anlaß zu Belangenden auch geklagt. Der Verkäufer stehe nämlich mit den Beklagten als Käufern kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses im Verhältnis einer einheitlichen Streitpartei, weil es ganz undenkbar sei, daß in der Frage der Wirksamkeit der Eigentumsübertragung gegen das klägerische Verbotsrecht uneinheitlich – also verschieden beim Verkäufer und bei den Beklagten – entschieden werde. Eine Klagestattgebung würde nämlich bedeuten, daß die Parzelle nicht nur vom Gut der Beklagten abgeschrieben, sondern auch dem Gut des Verkäufers wieder zugeschrieben würde und zwar mit allen eigentumsrechtlichen Konsequenzen. Bildeten aber die Parteien des Kaufvertrages diesbezüglich eine einheitliche Streitpartei, so wären alle zu klagen gewesen. Habe dies der Kläger unterlassen, so mangle auf Seiten der allein Beklagten die Passivlegitimation. Diese Frage sei, soweit sich Verfahrensbestimmungen mit der Aktiv- und Passivlegitimation befassen, von Amts wegen zu prüfen. Dies führe aber im Ergebnis ebenfalls zur Klagsabweisung.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit Revision aus dem Anfechtungsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO mit dem Antrag angefochten, das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren Folge gegeben werde, allenfalls das Klagebegehren zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Mit seinen Ausführungen zu der allein geltend gemachten Rechtsrüge wendet sich der Kläger lediglich gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Verkäufer mit den Beklagten als Käufer im Verhältnis einer einheitlichen Streitpartei stehe und daher mit zu klagen gewesen wäre.

In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht, da in der Berufung des Klägers Rechtsrüge erhoben und gesetzmäßig ausgeführt wurde, zutreffend auch die Frage der Passivlegitimation geprüft (SZ 41/68, RZ 1969, 52, 1 Ob 236/70 und 1 Ob 258, 259/70 u.a.); die Bestreitung des Klagsanspruches schließlich nach ständiger Rechtsprechung auch die Bestreitung der Passivlegitimation in sich (SZ 34/186, ZVR 169/213, 5 Ob 173/70, aber auch 1 Ob 258, 259/70 u.a.).

Eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO, deren Wesen darin besteht, daß der Klagsanspruch nach der Natur des Rechtsverhältnisses (oder nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift) nur von allen an einem Rechtsverhältnis Beteiligten oder gegen sie erhoben werden kann, liegt im Zweifel dann vor und führt zur Klagsabweisung, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligter die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht, was nach den Umständen des besonderen Falles zu beurteilen ist (5 Ob 372/61, 6 Ob 104/68, MietSlg. 19.517, 6 Ob 205/70, 5 Ob 195, 239/72 u.a.). Die Merkmale einer notwendigen Streitgenossenschaft in diesem Sinne sind bei einer Klage auf Feststellung, daß die grundbücherlich vollzogene lastenfreie Abschreibung eines Grundstückes vom Gutsbestande eines Dritten (des Verkäufers) und Zuschreibung dieses Grundstückes zum Gutsbestande der Beklagten (als Käufer) dem Kläger gegenüber unwirksam sei und die diesbezüglichen grundbücherlichen Eintragungen daher zu löschen seien, gegeben. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß im Falle der Klagestattgebung die streitgegenständliche Parzelle nicht nur vom Gutsbestand der Beklagten abgeschrieben, sondern dem Gutsbestande des Dritten (als vormaligen Verkäufer) mit allen eigentumsrechtlichen Konsequenzen, wie zwischenzeitige Belastungen oder körperliche Verschlechterungen des Grundstückes, wieder zugeschrieben würde. Daraus folgt, daß die materiellrechtliche Beurteilung des Streitgegenstandes eine einheitliche Entscheidung auch gegenüber dem außenstehenden Dritten als dem seinerzeitigen Verkäufer erfordert. Dem Berufungsgericht ist daher darin zu folgen, daß dann, wenn die Parteien des Kaufvertrages diesbezüglich eine einheitliche Streitpartei bilden, auch alle zu klagen gewesen wären (vergleiche hiezu Neumann S. 437, Fasching II S. 193 und S. 199).

Bei dieser Rechtslage ist zur weiteren Ansicht des Berufungsgerichtes, daß abgesehen von der Frage der passiven Klagslegitimation die Sache im Sinne des Klägers zu entscheiden wäre, nicht mehr Stellung zu nehmen, insbesondere auch nicht dazu, ob die Urteilsfeststellungen über die Bevollmächtigung des Notars durch die Beklagten (zum Abschluß, nicht nur zur Errichtung des Kaufvertrages) ausreichen würden.

Schließlich ist ein Rechtsirrtum auch darin nicht zu erblicken, wenn das Klagebegehren abgewiesen und nicht zurückgewiesen wurde (5 Ob 195, 239/72, 8 Ob 63/74, 6 Ob 59/75 u.a.).

Der Revision war sohin der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

 

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