Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Für den Betroffenen ist ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB). Im Bestellungsbeschluss ist festgehalten, dass der Betroffene seinen letzten Willen nur mündlich vor Gericht oder vor einem Notar erklären kann.
Am 17. 1. 2012 gab der Sohn des Betroffenen bekannt, dass sich sein Vater nach dem Tod eine „Körperspende“ wünsche und dies auch in Anwesenheit der weiteren Geschwister gesagt habe. In Reaktion darauf teilte der Sachwalter mit Schreiben vom 7. 2. 2012 mit, dass der Betroffene die vermeintlich gewünschte „Körperspende“ trotz Überprüfung nicht durch Zeichen, geschweige denn verbal ausdrücken habe können. Nach Auskunft der Stationsärztin solle der Betroffene in einem etwas klareren Bewusstseinszustand diesen Wunsch eher verneint haben. Das Pflegepersonal sei von einem solchen Wunsch des Betroffenen nicht in Kenntnis. Weiters legte der Sachwalter das an ihn gerichtete Schreiben der Stationsärztin vom 3. 2. 2012 vor, wonach der Betroffene ihr gegenüber noch nie ‑ auch nicht zu der Zeit, zu der er dazu noch in der Lage gewesen sei ‑ den Wunsch einer „Körperorganspende“ geäußert habe. Auch das Pflegepersonal höre dieses Anliegen zum ersten Mal.
Mit Eingabe vom 4. 6. 2012 beantragte der Betroffene, vertreten durch den Sachwalter, das „Vermächtnis zur Körperspende“ vom 11. 5. 2012 pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Der Sachwalter führte dazu aus, die Kinder des Betroffenen hätten ihm wiederholt glaubhaft versichert, der Betroffene habe eine „Körperspende“ beabsichtigt, weshalb er namens des Betroffenen die „Vermächtnisurkunde“ mitunterfertigt habe. Im vom Sachwalter (ebenso wie von drei Kindern des Betroffenen) unterfertigten „Vermächtnis zur Körperspende“ ist festgehalten, dass der Betroffene seinen Körper nach seinem Ableben der Medizinischen Universität Wien zur ärztlichen Weiterbildung sowie für die medizinische Wissenschaft vermacht und sein Einverständnis erklärt, dass sein Körper nach Abschluss der Untersuchungen eingeäschert wird. Außerdem bestätigt der Betroffene sein Einverständnis, den Kostenbeitrag von 450 EUR für die aus seiner „Körperspende“ entstehenden Kosten auf das Konto der Medizinischen Universität einzuzahlen. Das „Vermächtnis“ ‑ so der Text im Formular ‑ wird erst dann gültig, wenn der Kostenbeitrag entrichtet ist.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Sei schon die letztwillige Verfügung über Vermögenswerte höchstpersönlich, so müsse dies umso mehr für eine Verfügung, was mit dem eigenen Körper nach dem Tod geschehen solle, gelten. Für höchstpersönliche Rechte gelte allgemein der Grundsatz, dass sie mit einer gesetzlichen Vertretung unvereinbar seien. Für ihre Ausübung sei die natürliche Einsichts‑ und Urteilsfähigkeit erforderlich. Fehle diese Einsicht, so könne ein höchstpersönliches Recht weder durch den gesetzlichen Vertreter oder Sachwalter noch durch das Sachwalterschaftsgericht ersetzt werden. Daher könne auch eine sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung der beabsichtigten „Körperspende“ nicht erfolgen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Rechtlich führte es aus, eine Verfügung eines Betroffenen über seinen Körper nach seinem Tod sei von der Personensorge des Sachwalters nicht umfasst. Zu beachten sei, dass „im Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit einer derartigen Verfügung die Vertretungsbefugnis eines bestellten Sachwalters ex‑lege ende“. Die Verfügung über die „Körperspende“ sei auch keine Art Vermögensverfügung, könne es sich doch bei den daraus ergebenden möglichen finanziellen Konsequenzen nur um weitere Rechtswirkungen handeln, die erst im Falle einer zulässigen Verfügung überhaupt schlagend würden. Selbst wenn der Betroffene wiederholt in Zeiträumen, in denen seine volle „Verfügungs‑“ und Geschäftsfähigkeit vorhanden gewesen sei, seine „Körperspende“ gewünscht habe, habe er darüber nicht schriftlich verfügt. Das dem Betroffenen höchstpersönlich zustehende Recht könne auch jetzt nur von ihm selbst ausgeübt werden, wofür aber seine Einsichtsfähigkeit nicht vorliege. In Vertretung des Betroffenen vom Sachwalter diesbezüglich abgegebene Erklärungen seien dafür aber nicht ausreichend.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zu dieser Thematik keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Sachwalter für den Betroffenen erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
1. Voranzustellen ist, dass hier keine Vereinbarung zwischen dem Betroffenen und der Medizinischen Universität Wien über die anatomische Nutzung seines Leichnams nach seinem Tod zu beurteilen ist. Das „Vermächtnis zur Körperspende“, das formularmäßig solches vorsieht („Das Vermächtnis wird bestätigt mit der Verpflichtung, die Verfügung im Sinne des Verstorbenen zu erfüllen.“), wurde von einem Vertreter der Universität nicht unterfertigt. Das „Vermächtnis“ enthält auch nicht die Unterschrift des Betroffenen, sondern die des Sachwalters und von drei Kindern. Da die Kinder des Betroffenen derzeit noch keinesfalls befugt sind, entsprechende Anordnungen zu treffen (7 Ob 62/00v), ist hier nur zu beurteilen, ob der Sachwalter für den Betroffenen eine Verfügung über dessen Leichnam treffen kann.
2. Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, dass für höchstpersönliche Rechte allgemein der Grundsatz gilt, dass sie mit einer gesetzlichen Vertretung unvereinbar sind. Für ihre Ausübung ist die natürliche Einsichts‑ und Urteilsfähigkeit erforderlich. Fehlt diese Einsicht, so kann ein höchstpersönliches Recht weder durch den gesetzlichen Vertreter oder Sachwalter noch durch das Pflegschafts‑/Sachwalterschaftsgericht ersetzt werden (5 Ob 94/05t mwN). Höchstpersönliche Rechte können niemals Angelegenheiten sein, deren Besorgung allein einem Sachwalter übertragen werden kann (3 Ob 232/09b mwN = iFamZ 2010/148, 198 [Parapatits]; Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 268 Rz 10). Für die „vertretungsfeindlichen“ höchstpersönlichen Rechte kommen dem Sachwalter auch dann keine Aufgaben oder Befugnisse zu, wenn der Wirkungskreis (etwa eines für alle Angelegenheiten bestellten Sachwalters) diese Angelegenheit (abstrakt betrachtet) erfasst (Weitzenböck aaO § 275 Rz 2).
3. Zur Frage der Verfügungsberechtigung über einen Leichnam hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass über das Schicksal des Leichnams im Rahmen der öffentlich‑rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten aufgrund eines über den Tod hinaus fortwirkenden Persönlichkeitsrechts die betroffene Person selbst entscheidet. Primär ist der Wille des Verstorbenen zu respektieren, soweit dies mit den bestehenden öffentlich‑rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Der Wille braucht hiebei nicht in einer bestimmten Form kundgetan worden zu sein, sondern kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 914 ABGB auch aus den Umständen gefolgert oder hypothetisch ermittelt werden (1 Ob 257/72 = SZ 45/133; 7 Ob 225/99k; 7 Ob 62/00v, jeweils mwN). Nur soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen nicht vorliegt oder aus öffentlich‑rechtlichen Gründen undurchführbar ist, haben die nächsten Angehörigen des Verstorbenen ohne Rücksicht auf ihre Erbenstellung das Recht, über den Leichnam ‑ ebenfalls im Rahmen der öffentlich‑rechtlichen Vorschriften (und der guten Sitten) ‑ zu bestimmen (7 Ob 225/99k; 7 Ob 62/00v; Schauer in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge [2010], § 15 Nachlass und vererbliche Rechtsverhältnisse Rz 19; Eccher in Schwimann, ABGB³ § 531 Rz 58; Apathy in KBB³ § 531 Rz 8; Wilhelm, Duell um eine Leiche, ecolex 1994, 73; VwGH 2008/11/0201 = VwSlg 17696 A/2009; vgl N. Hofmann in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 285 Rz 5; Stabentheiner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 285 Rz 8).
In Wien kommt für die Bestattungsart die primäre Verfügungsbefugnis der betroffenen Person selbst durch § 28 Abs 2 erster Satz Wiener Leichen‑ und Bestattungsgesetz, LGBl 2004/38 idgF, klar zum Ausdruck. Danach ist für die Bestattungsart (vorrangig) eine letztwillige Erklärung oder eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung des Verstorbenen maßgebend.
4. In der Lehre (Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts I/2² 1 f; Klang in Klang² II 2; Edlbacher, Die Entnahme von Leichenteilen zu medizinischen Zwecken aus zivilrechtlicher Sicht, ÖJZ 1965, 449 [453]; Dengler, Das Recht an der Leiche, NZ 1971, 6 [7]; Stellamor/Steiner, Handbuch Arztrecht I, Arzt und Recht [1999] 201; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 285 Rz 8; Stabentheiner aaO; vgl Gschnitzer/Faistenberger/Barta, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts² 396) wird darauf verwiesen, dass Leichen oder Leichenteile vor allem im Interesse der medizinischen Forschung und Lehre beschränkt dem Rechtsverkehr unterliegen. Allerdings werden Rechtsgeschäfte über Leichen und Leichenteile immer vom Standpunkt der Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) her besonders zu prüfen sein. Gemäß § 62a Abs 4 Krankenanstalten‑ und Kuranstaltengesetz dürfen Organe oder Organteile Verstorbener nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, die auf Gewinn gerichtet sind. Insbesondere die letztwillige Verfügung über den eigenen Leichnam oder die Veräußerung des Leichnams durch den Verstorbenen selbst zu seinen Lebzeiten an ein anatomisches Institut wird in der Lehre als zulässig und wirksam angesehen, weil damit ein Persönlichkeitsrecht verwertet wird. Der hiermit verbundene Zweck der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Lehre nehme dem Geschäft die Sittenwidrigkeit (Edlbacher aaO; Dengler aaO; Stellamor/Steiner aaO). Gemeinsam ist diesen zulässigen und wirksamen Verfügungen über den Leichnam, dass sie der Verstorbene selbst vornimmt und sie Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind (7 Ob 225/99k; 7 Ob 62/00v). Soweit dieses (zulässigerweise) reicht, erstreckt sich auch sein Verfügungsrecht (Edlbacher aaO).
5. Die fehlende Übertragbarkeit ist ein charakteristisches Merkmal der Persönlichkeitsrechte eines Menschen, die dem unmittelbaren Schutz seiner Person dienen (beispielsweise das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit; das Recht auf Freiheit; das Namensrecht; das Recht auf Ehre; das Urheberpersönlichkeitsrecht; das aus § 16 ABGB abgeleitete Recht auf Privatsphäre uva). All diese Rechte stehen nur der berechtigten Person zu. Sie können ausschließlich von der berechtigten Person, aber nicht von einem Vertreter ausgeübt werden, soweit sich dies schon aus der Natur des Rechts ergibt (vgl 6 Ob 106/03m = SZ 2003/105; dazu Ch. Nowotny, Stifterwille und Auslegung von Stiftungsdokumenten, RdW 2004/45, 66; A. Hofmann, Ausübung von Stifterrechten durch den Sachwalter des Stifters?, NZ 2007/37, 133).
So ist anerkannt (und zum Teil im Gesetz klar geregelt), dass weder die Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen (§ 17 EheG), noch die des Einvernehmens über die Scheidung nach § 55a EheG (1 Ob 518/96 = SZ 69/75; RIS‑Justiz RS0103635) noch die Erklärung des letzten Willens (§§ 552 iVm 564 ABGB; Apathy aaO § 569 Rz 1) der Vertretung zugänglich sind und daher auch nicht durch einen Sachwalter wahrgenommen werden können (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 273 Rz 2; Hopf in KBB³ § 268 ABGB Rz 3; Weitzenböck aaO § 268 Rz 10 [mit weiteren Beispielen wie Vaterschaftsanerkenntnis und Abschluss eines Adoptionsvertrags]). Die Rechtsähnlichkeit einer Verfügung über die eigene Leiche (ungeachtet deren rechtlicher Qualifikation) mit der über das eigene Vermögen zu Lebzeiten liegt auf der Hand.
Beim „Vermächtnis zur Körperspende“, mit dem der Körper eines Menschen nach dessen Ableben einer Medizinischen Universität zur ärztlichen Weiterbildung sowie für die medizinische Wissenschaft „vermacht“ wird, handelt es sich um die Ausübung eines den dargestellten in seiner Bedeutung für dessen Träger vergleichbaren höchstpersönlichen Rechts. Wie dargelegt ist für die Verfügung über den eigenen Leichnam zu wissenschaftlichen und zu Lehrzwecken vor dem Tod der betreffenden Person allein deren rechtsgeschäftlicher Wille maßgebend, bei dessen Erklärung eine Vertretung nicht in Betracht kommt. Demzufolge kann auch nicht ein Sachwalter für den Betroffenen Verfügungen über dessen Leichnam treffen. Nach dessen Tod ist nach den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls in erster Linie der eigene Wille des Betroffenen (auch aus der Zeit vor Begründung der Sachwalterschaft) zu respektieren.
6. Da somit das höchstpersönliche Recht des Betroffenen, (zulässige) Verfügungen über seinen Leichnam zu treffen, keine Angelegenheit betrifft, deren Besorgung einem Sachwalter übertragen werden könnte, ist dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
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