Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die zweit- und drittgefährdete Partei haben die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Erstklägerin und erstgefährdete Partei (im Folgenden Erstklägerin) leidet unter der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Sie hat die zweitklagende und gefährdete und die drittklagende und gefährdete Partei - im Folgenden Zweit- und Drittkläger - zur Klagsführung bevollmächtigt. Sie befindet sich seit 30. 7. 1999 in der Ersten neurologischen Abteilung des Neurologischen Krankenhauses der Stadt Wien - Rosenhügel. Die Beklagte Stadt Wien wird im Falle des Ablebens der Erstklägerin an ihrem Leichnam eine Obduktion durchführen, bei der auch Organe und Gewebe entnommen werden können. Sie wird keine Weisung der Zweit- und Drittkläger an die obduzierenden Ärzte darüber, wie diese bei der Vornahme der Obduktion im einzelnen vorzugehen haben, entgegennehmen. Der Zweit- und Drittkläger wollen aber die Weisung erteilen, dass nach dem Tod der Erstklägerin nicht nur die üblicherweise durchgeführten Untersuchungen vorgenommen werden, sondern darüber hinaus noch weitere, vorerst noch nicht konkretisierte Untersuchungen.
Mit ihrer Klage begehren die klagenden Parteien die Beklagte schuldig zu erkennen, nach dem Tod der Erstklägerin, dem Willen der Kläger, widersprechende Verwendungen der entnommenen Organteile zu unterlassen. Gleichzeitig stellen sie das hier maßgebliche Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin, dass zur Sicherung dieses Anspruches der Beklagten ein inhaltsgleicher Auftrag erteilt werde. Sie stützen ihr Begehren darauf, dass die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (im Folgenden "BSE") vermutlich durch den Verzehr vom Fleisch erkrankter Rinder ausgelöst werde, jedoch die genauen Ursachen noch nicht hätten geklärt werden können. Es bestehe ein erhöhtes Interesse der Forschung an der Untersuchung von Gewebsproben, die dem Leichnam der Opfer entnommen werden. Im Hinblick auf die Unsicherheiten und Risken der Krankheit auch für die Zweit- und Drittkläger hätten diese versucht, nach dem Tod der Erstklägerin - ihrer Mutter - Gewebsproben aus dem Körper zu entnehmen und zu ihrer Verfügung bereitzuhalten. Die Beklagte sei dazu nicht bereit und habe klargestellt, dass bei Verdacht von BSE das gesamte Gehirn zum Teil in Formalin fixiert, zum Teil eingefroren werde, um genügend Gewebsproben für derzeit nicht absehbare Untersuchungen zur Verfügung zu haben. Die Kläger könnten weitere Untersuchungen "anregen". Der Anspruch der Kläger werde auf § 16 ABGB und Art 8 MRK gestützt, der das Recht der freien Wahl der Behandlungsmethode und Verfügungsgewalt über den eigenen Körper und nicht nur die Möglichkeit, weiterer Untersuchungen anzuregen, umfasse. Daraus ergebe sich auch das Verfügungsrecht über den Leichnam entsprechend den Anordnungen des Verstorbenen auch über die Entnahme von Organen und deren weitere Verwendung. Die Angehörigen hätten dann die Verfügungsberechtigung, wenn der Verstorbene zu Lebzeit keine Anordnungen getroffen habe. Davon gehe auch das Krankenanstaltenrecht aus, da § 62a KAG vorsehe, dass durch die ausdrückliche Erklärung eine Organentnahme verhindert werden könne. Dies ergebe sich auch aus dem Behandlungsvertrag zwischen der Erstklägerin und der beklagten Partei. Das rechtliche Interesse der Zweit- und der Drittkläger an der Klagsführung ergebe sich daraus, dass sie selbst an BSE erkrankt sein könnten und durch diese von ihnen zu veranlassenden Untersuchungen möglicherweise BSE früher erkannt und erfolgreich behandelt werden könne.
Die Beklagte beantragte in ihrer Äußerung, den Antrag der Kläger auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab- in eventu zurückzuweisen. Sie wandte ein, dass die Kläger kein Recht hätten, der Beklagten jegliche Verwendung von Leichenteilen zu untersagen, sich vielmehr aus § 40 des WrKAG iVm § 25 KAG ergebe, dass in öffentlichen Krankenanstalten verstorbene Pfleglinge zu obduzieren seien, ua wenn dies zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen, insbesondere wegen diagnostischer Unklarheit des Falles erforderlich sei. Der Begriff der Obduktion umfasse auch die Entnahme von Organen und Geweben, sofern dies für weitere Untersuchungen für den Obduktionszweck erforderlich sei. Dazu könnten diese auch an andere Krankenanstalten weitergegeben werden, ohne Anweisungen der Kläger gebunden zu sein. Bei der BSE-Krankheit handle es sich um eine äußerst seltene Krankheit, sodass die Obduktion für die medizinische Wissenschaft und für die Ausbildung der Ärzte eine wichtige Erkenntnisquelle sei. Auch könne derzeit ein operativer Eingriff an der Erstklägerin noch nicht ausgeschlossen werden, sodass auch aus diesem Grund sich das Erfordernis einer Obduktion ergeben könne. Auch das Erfordernis des genauen Umfanges der Obduktion sei derzeit nicht absehbar. Ferner sei nach dem RGBl Nr 263/1914 eine Obduktion beim Verdacht anzeigepflichtiger Krankheiten vorgesehen, wozu auch subakute spongiforme Encephalophathien zählen. Eine Privatobduktion an Leichen, die bereits von der zuständigen Verwaltungsbehörde in Handhabung bundesrechtlicher Vorschriften oder nach den Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz obduziert worden seien, wäre außer zu Zwecken der Einbalsamierung, Konservierung der Leiche nicht zulässig. Insoweit sei im Hinblick auf das Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz auch eine Unzulässigkeit des Rechtsweges gegeben.
Auch sei nach § 62a des WrKAG die Entnahme von Organen zur Transplantation, um einem anderen Menschen das Leben zu retten oder seine Gesundheit wiederherzustellen, zulässig wenn - wie hier - noch keine gegenteilige Erklärung vorliege. Analog sei auch von der Zulässigkeit der Entnahme zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchungen auszugehen. Hinsichtlich der entnommenen Organe erwerbe die Beklagte Eigentum.
Der Zweit- und Drittkläger mangle es außerdem an der Aktivlegitimation. Da die Beklagte stets erklärt habe, dass zwar das gesamte Gehirn zum Teil in Formalin fixiert und zum Teil tiefgefroren werde und damit genügend Gewebsproben zur Verfügung stünden, bestehe auch keine Gefahr, die hier eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines Unterlassungsanspruchs der Kläger rechtfertigen könnte.
Das Erstgericht unterbrach das Verfahren hinsichtlich der Erstklägerin bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes zwecks allfälliger Bestellung eines Sachwalters und wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges rechtskräftig zurück und im Übrigen den Antrag des Zweit- und Drittklägers auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Es folgerte ausgehend von den einleitend dargestellten Feststellungen, dass auch ein im § 16 ABGB festgelegtes Persönlichkeitsrecht einer allfälligen Obduktion und Untersuchung der Organe der Erstklägerin nicht entgegenstünden, da nach § 25 Abs 1 KAG die Leichen ua auch zur Wahrung wissenschaftlicher Interessen zu obduzieren seien. Dies umfasse auch die Entnahme von Leichenteilen. Die Kläger hätten insgesamt kein Recht, dass die wissenschaftliche Forschung entsprechend ihren Weisungen erfolge. Ein solches lasse sich auch nicht aus dem Behandlungsvertrag ableiten, da dem die zwingende Bestimmung des § 25 Abs 1 KAG entgegenstehe.
Das Rekursgericht gab dem dagegen von den Klägern erhobenen Rekurs nicht Folge und verwies im Wesentlichen auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Den Revisionsrekurs erachtete es als zulässig, da zur Frage, ob bei einer vorschriftsmäßigen Obduktion auch Organentnahmen gegen den Willen der Verstorbenen oder deren Angehöriger, insbesondere auch hinsichtlich des Umfanges, zulässig sei, keine Rechtsprechung bestehe.
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der zweit- und drittgefährdeten Partei ist entgegen dem nicht hindernden Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist festzuhalten, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass mit dem Ableben der Erstklägerin gerechnet werden muss und unterschiedliche Standpunkte zu den Eingriffsmöglichkeiten auf deren Leichnam haben. Weiters ist aber festzuhalten, dass die Erstklägerin noch am Leben ist und das von ihr selbst eingeleitete Verfahren rechtskräftig unterbrochen wurde.
Zur Frage der Verfügungsberechtigung hinsichtlich eines Leichnams hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 27. 10. 1999, 7 Ob 225/99k (= JBl 2000, 110) umfassend Stellung bezogen und dargelegt, dass über das Schicksal des Leichnams im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten auf Grund eines über den Tod hinaus fortwirkenden Persönlichkeitsrechtes die betroffene Person selbst entscheidet (vgl auch den Hinweis auf SZ 57/98, Aicher in Rummel, ABGB2 § 16 Rz 28). Nur soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen nicht vorliegt, tritt das Recht der nächsten Angehörigen des Verstorbenen, über den Leichnam - ebenfalls im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften - zu bestimmen, ein. Die Subsidiarität des Willens der Familienangehörigen wurde auch für die deutsche Rechtsprechung und Lehre in dieser Entscheidung nachgewiesen.
Damit ist zwar nun einerseits eindeutig, dass die primäre Verfügungsbefugnis der Person selbst und nur subsidiär ihren Angehörigen zusteht und jeder, der darin eingreift (vgl zum strafrechtlichen Schutz auch die §§ 190 f StGB ebenso EvBl 1987/105) einer ausreichenden - öffentlich-rechtlichen - Legitimation bedarf. Andererseits ergibt sich daraus jedoch auch, dass der Zweit- und der Drittkläger derzeit noch keinesfalls befugt sind entsprechende Anordnungen zu treffen, da noch gar nicht feststeht, ob nicht die primär verfügungsberechtigte Erstklägerin solche treffen wird. Es mangelt ihnen also schon an der aktiven Klagslegitimation.
Soweit sie vermeinen aus eigenem Recht einen solchen Anspruch ableiten zu können und sich darauf stützen, dass die Weigerung der Beklagten, ihnen Organteile zu überlassen, die Möglichkeit allfälliger Heilbehandlungen einschränke, haben sie gar nicht ausgeführt, welche konkreten Heilbehandlungen dies sein sollten. Auch steht die primäre privatrechtliche Verfügungsbefugnis der Erstklägerin zu.
Der Umfang der in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegebenen Beschränkungen der Verfügungsbefugnis der betroffenen Person, insbesondere der Abgrenzung des Begriffes der Obduktion aus öffentlichen und "wissenschaftlichen" Interessen im Sinne des § 40 WrKAG, § 25 KAG (vgl dazu etwa Schnizer in FS Maresch, Recht der Toten?, 388; Schwamberger, Obduktion in Krankananstalten, RdW 1998, 77; zur Beurteilung der "wissenschaftlichen" Interessen als "öffentlich-rechtlich" Edlbacher, Die Entnahme von Leichenteilen zu medizinischen Zwecken aus zivilrechtlicher Sicht, ÖJZ 1965, 452; einschränkend zur Abgrenzung der Obduktion zur Organtransplantation im Sinne des § 62a KAG, Eder-Rieder, Die gesetzliche Grundlage zur Vornahme von Transplantationen ÖJZ 1984, 292) ist hier also nicht zu klären.
Eine andere wesentliche Rechtsfrage iSd §§ 78, 402 Abs 4 EO, 528 Abs 1 ZPO wurde nicht aufgezeigt, weshalb der Revisionsrekurs zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 50 und 41 ZPO. Die Beklagte hat die Zurückweisung nicht beantragt (vgl auch 9 ObA 259/99z, 9 ObA 82/00k uva).
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