European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124408
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, das den Antrag des Vaters auf Übertragung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 JN an ein anderes Bezirksgericht mit dem Hinweis auf seine bisherige Verfahrensführung und den Umstand, dass die nunmehr zuständige Bezirkshauptmannschaft als Kinder- und Jugendhilfeträger bereits dem Verfahren beigezogen worden sei, abgewiesen hatte. In seinem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs spricht der Vater keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an:
Rechtliche Beurteilung
1. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend festgehalten, dass § 29 JN auch für das Außerstreitverfahren gilt, sodass die einmal begründete Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts grundsätzlich auch bei nachträglichen Sachverhaltsänderungen bestehen bleibt (RIS‑Justiz RS0046068 [T7]). Eine Übertragung der Zuständigkeit ist nur auf dem in § 111 JN geregelten Weg möglich, der als Ausnahmebestimmung grundsätzlich eng auszulegen ist (RIS‑Justiz RS0046929 [T11; T20]; RS0047300 [T16]).
2.1 Entscheidend für die Beurteilung, ob eine Pflegschaftssache nach § 111 JN an ein anderes Gericht übertragen werden soll, ist stets das Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0046908; RS0046929 [T21]; RS0047074). In welcher Form es am besten gewahrt wird, kann regelmäßig nur fallbezogen beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0046929 [T10]; vgl auch RS0047032 [T3; T7; T12; T29]). Entscheidend ist, ob die Zuständigkeitsübertragung aufgrund der jeweiligen Besonderheiten im Interesse des Kindes und zur Förderung der wirksamen Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes geboten erscheint (RIS‑Justiz RS0046984). Die Frage, ob unerledigte Anträge einer Übertragung der Pflegschaftssache an ein anderes Gericht entgegenstehen, hängt letztlich ebenfalls von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Das kommt auch in der vom Vater zur Begründung seines Standpunkts zitierten Entscheidung zu 9 Nc 10/14s des Obersten Gerichtshofs zum Ausdruck, wenn die besondere Sachkenntnis des ursprünglich zuständigen Gerichts und dessen Befassung mit der Sache eine Übertragung nicht zweckmäßig erscheinen ließen. Ein Beleg für die vom Vater behauptete Uneinheitlichkeit der Judikatur zur Frage, ob unerledigte Anträge der Übertragung einer Pflegschaftssache entgegenstehen, kann darin jedenfalls nicht erblickt werden.
2.2 Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag des Vaters, ihm allein die Obsorge über das Kind zuzuweisen, und ein Antrag auf Regelung des Kontaktrechts der Mutter. Beide Anträge sind noch offen. Es mag zutreffen, dass es im Allgemeinen den Interessen des Kindes am Besten entsprechen wird, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (vgl RIS‑Justiz RS0047300). Ist aber über den Antrag eines Elternteils, ihm allein die Obsorge über das Kind zuzuweisen, noch nicht entschieden, dann ist die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht in aller Regel unzweckmäßig. Das gilt ganz allgemein, sofern das Gericht bereits über entsprechende Sachkenntnisse (Fallkenntnisse) verfügt oder jedenfalls in der Lage ist, sich diese Kenntnisse leichter zu verschaffen als das andere Gericht (RIS‑Justiz RS0047027 [T3]).
3. Der Vater hat seinen Antrag am 7. 3. 2017 gestellt. Das Erstgericht hat bereits erhebliche Schritte zur Ermittlung der Sachverhaltsgrundlagen unternommen und kann insbesondere die im Rahmen seiner mündlichen Einvernahmen gewonnenen Beweisergebnisse unmittelbar verwerten. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass eine Übertragung der Pflegschaftssache aktuell nicht zweckmäßig erscheint, bewegt sich daher im Rahmen der durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gezogenen Grenzen. Der vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführte Umstand, dass aufgrund der Übersiedlung der Minderjährigen die Zuständigkeit des Kinder- und Jugendhilfeträgers gewechselt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Argumentation des Vaters lässt nämlich außer Acht, dass das Erstgericht die nunmehr zuständige Bezirkshauptmannschaft als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe ohnedies bereits in das Verfahren eingebunden hat. Warum in diesem Zusammenhang die Tätigkeit eines anderen Gerichts dem Wohl der Minderjährigen besser entsprechen sollte, kann daher nicht nachvollzogen werden. Die von ihm errechnete Zeitersparnis, weil sich sein Weg zu Gericht verkürzen würde, ist keinesfalls so groß, dass sich allein deswegen im Interesse seiner Tochter eine andere Beurteilung aufdrängen würde. Warum sich aus einem Wechsel in der Gerichtszuständigkeit eine Wegzeitersparnis bei der Wahrnehmung von Besprechungsterminen mit seinem Rechtsvertreter ergeben soll, vermag er nicht zu erklären.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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