Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 23.049,-- (darin enthalten S 3.841,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu bezahlen.
Text
Begründung
Die beklagte Partei ist nach ihrem Statut die Spitzenorganisation und Interessenvertretung des land- und forstwirtschaftlichen Genossenschaftswesens, der ländlichen Kreditgenossenschaften sowie aller sonstigen Mitgliedsgenossenschaften und Mitgliedsorganisationen im Land S*****. Sie hat im wesentlichen den Zweck, den Erwerb und die Wirtschaft ihrer Mitglieder zu fördern, deren Interessen wahrzunehmen und zu vertreten und überhaupt das Genossenschaftswesen im Land zu fördern. Sie ist der gesetzliche Revisionsverband für die ihr angeschlossenen Mitgliedsgenossenschaften und Mitgliedsorganisationen. Die klagende Partei ist Mitglied der beklagten Partei. Sie hält bei dieser als ihrem Zentralinstitut gemäß § 25 Abs 13 BWG die gesetzlich bestimmte Liquiditätsreserve und für sie wird ein Girokonto (Konto ordinario) bei der beklagten Partei geführt. Das Statut der beklagten Partei sieht im § 29 eine Schiedsvereinbarung vor, deren wesentlicher Punkt wie folgt lautet:
„In allen die Angelegenheiten des Verbandes betreffenden Streitfällen unterwerfen sich die Mitglieder durch Unterfertigung der Beitrittserklärung einem schiedsrichterlichen Verfahren im Sinne der Bestimmung der Zivilprozeßordnung (Gesetz vom 1.8.1895, RGBl Nr 113).“
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei den Ersatz ihres mit S 1,117.990,-- bezifferten Schadens. Diese habe unabhängig von der gesetzlich bestimmten Liquiditätsreserve ohne gesetzliche Grundlage, ohne Genossenschaftsbeschluß und ohne privatrechtliche Vereinbarung für die ihr angeschlossenen Kreditinstitute eine „Sektorreserve“ in der Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Liquiditätsreserve eingeführt und ab 1.4.1991 das Konto ordinario der klagenden Partei ohne deren Zutun und ohne deren Einwilligung mit einem jeweils zwischen S 36,783.000,-- und S 41,945.000,-- liegenden Betrag aus dem Titel der „Sektorreserve“ belastet. Die Abbuchung der „Sektorreserve“ sei eigenmächtig, ja sogar gegen den ausdrücklich erklärten Willen der klagenden Partei erfolgt. Die als „Sektorreserve“ einbehaltenen Beträge seien nur mit einem Zinssatz von 4,5 % verzinst worden. Aus der Verzinsung seien der klagenden Partei in der Zeit vom 1.4. bis zum 31.12.1991 Zinserträge in der Höhe von S 1,338.957,-- zugeflossen bzw. gutgeschrieben worden. Aufgrund der Einbehaltung der „Sektorreserve“ habe die klagende Partei zur Aufrechterhaltung ihres Bankbetriebs bei der beklagten Partei eine Refinanzierung vornehmen müssen. Im vorher genannten Zeitraum seien ihr deshalb Sollzinsen im Betrag von S 2,456.847,-- aufgelaufen. Dieser Refinanzierungsmehraufwand werde aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung, des Schadenersatzes und aller sonst in Betracht kommenden Rechtsgründe gefordert.
Die beklagte Partei erhob neben meritorischen Einwendungen die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts. Die klagende Partei sei als Genossenschafterin der beklagten Partei deren Mitglied und habe sich den jeweils geltenden Statuten der beklagten Partei unterworfen. § 29 des Statuts bestimme, daß sich die Mitglieder in allen die Angelegenheiten des Verbands betreffenden Streitfällen einem schiedsrichterlichen Verfahren im Sinne der Zivilprozeßordnung unterwerfen; bei der „Sektorreserve“ handle es sich um eine solche Angelegenheit.
Das Erstgericht wies die Klage zurück. „Verbandsangelegenheiten“ beschränkten sich auf das Innenverhältnis des Verbands. Es gehe hiebei um gegenseitige körperschaftsrechtliche Ansprüche, also um solche aus der genossenschaftsinternen Beziehung. Alle aus dem Genossenschaftsverhältnis „bloß herauswachsenden“ Streitigkeiten fielen nicht darunter, selbst wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung für ihr Entstehen sei. Im vorliegenden Fall gehe es darum, ob die beklagte Partei als Zentralinstitut der klagenden Partei berechtigt sei, ihre Mitglieder mit der „Sektorreserve“ zu belasten. Damit liege eine „statutarische Streitigkeit“ vor, weil kein individuelles Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen, sondern eine ganz grundsätzliche Frage, die die Rechte und Pflichten zwischen Primär- und Sekundärgenossenschaften betreffe, zu klären sei. Der eingeklagte Anspruch sei von der Schiedsvereinbarung erfaßt.
Das Rekursgericht verwarf die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es sei durch Wortinterpretation zu klären, wie vernünftige Parteien die Wendung „Angelegenheiten des Verbands“ verstehen. Zur Begründung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts reiche es nicht, wenn eine Streitigkeit alle Mitglieder betreffe bzw berühren könne. Verbandsangelegenheiten beschränkten sich nur auf das Innenverhältnis des Verbands. Zu den Verbandsangelegenheiten zählten beispielsweise Streitigkeiten darüber, ob aufgrund des Statuts eine Verpflichtung zu bestimmten Leistungen oder Handlungen bestehe, nicht aber Streitigkeiten, die nicht nur zwischen Verband und Mitgliedern entstehen könnten. Die Streitigkeit müsse im Verbandsverhältnis wurzeln. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn der Streit ohne das Verbandsverhältnis gar nicht denkbar wäre. Eine Streitigkeit darüber, ob die beklagte Partei berechtigt sei, einen Teil der von der klagenden Partei bei ihr veranlagten Mittel mit einem niedrigeren Zinssatz zu verzinsen als andere Geldmittel, sei durchaus auch zwischen einem Kreditunternehmen und einem Bankkunden denkbar. Die Festlegung, zu welchen Bedingungen die jeweiligen Geldmittel der klagenden Partei veranlagt werden, unterliege einer privatrechtlichen Vereinbarung. Schiedsgerichte seien nicht dazu berufen, privatrechtliche, insbesondere vermögensrechtliche Streitigkeiten abzuhandeln. Die in den Satzungen der beklagten Genossenschaft enthaltene Schiedsklausel sei eng auszulegen. Die zwischen den Parteien getroffene Schiedsvereinbarung umfasse den eingeklagten Anspruch nicht.
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit der Einrede einer Schiedsvereinbarung macht die beklagte Partei die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN ist nicht anzuwenden (JBl 1995, 596 mwN uva).
Für das gültige Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung genügt es, wenn sich das Mitglied einer Genossenschaft durch eine schriftliche Beitrittserklärung dem ihm zugegangenen, eine Schiedsklausel enthaltenden Statut unterworfen hat (JBl 1995, 596; SZ 9/270). Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist hier nicht strittig, weshalb eine gültig zustandegekommene Schiedsvereinbarung zu unterstellen ist.
Strittig ist dagegen die Auslegung der in § 29 des Statuts der beklagten Partei enthaltenen Schiedsvereinbarung, nach der sich die Mitglieder der beklagten Partei „in allen die Angelegenheiten des Verbandes betreffenden Streitfällen“ durch Unterfertigung der Beitrittserklärung einem schiedsrichterlichen Verfahren im Sinne der Bestimmungen der Zivilprozeßordnung unterwerfen. Bei der Deutung dieser Bestimmung sind die Auslegungsregeln des ABGB analog heranzuziehen (RdW 1995, 465; RdW 1987, 54; SZ 59/88; SZ 55/89 ua; vgl Maier in Münchener Kommentar zur ZPO Rz 24 zu § 1025). In erster Linie ist der Inhalt der Schiedsvereinbarung maßgeblich; entscheidend für die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist der Text der Schiedsgerichtsvereinbarung unter Berücksichtigung vernünftiger und den Zweck der Vereinbarung begünstigender Auslegung. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist zu entscheiden, ob ein bestimmter Streit unter eine Schiedsvereinbarung fällt oder nicht (SZ 58/60 mwN).
Die klagende Partei stützt das Klagebegehren in der Sache im wesentlichen auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes, sei ihr doch durch die eigenmächtige Vorgangsweise der beklagten Partei (Einbehalten einer „Sektorreserve“) ein Refinanzierungsmehraufwand entstanden. Die Frage nach der Berechtigung der beklagten Partei zur Einbehaltung der „Sektorreserve“ mag als eine Angelegenheit des Verbands anzusehen sein; das Begehren der klagenden Partei ist indes nicht etwa darauf gerichtet, die Unzulässigkeit der von der beklagten Partei getroffenen Maßnahme festzustellen, sondern die klagende Partei fordert den Ersatz ihres - nach ihren Behauptungen - daraus erwachsenen Schadens, daß die beklagte Partei die „Sektorreserve“ eigenmächtig, also ohne gesetzliche Grundlage, ohne Beschluß der Generalversammlung und ohne Vorliegen einer privatrechtlichen Vereinbarung eingeführt habe und die klagende Partei dadurch genötigt gewesen sei, Mehraufwendungen auf sich zu nehmen, die andernfalls unterblieben wären. Die Frage, ob die beklagte Partei zur Einführung einer „Sektorreserve“ berechtigt gewesen sei, ist bei der Entscheidung über das von der klagenden Partei erhobene Ersatzbegehren nur als Vorfrage bedeutsam. Nur die Lösung dieser Vorfrage könnte aber - wie schon erwähnt - eine „Angelegenheit des Verbands“ betreffen: Der Ersatz eines der klagenden Partei - wenn auch gerade durch diese Vorkehrung - entstandenen Schadens ist aber schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine Angelegenheit, die unter den im Statut festgelegten Aufgabenbereich des Verbands fällt. Der vom Obersten Gerichtshof zu AZ 3 Ob 543/94 (= JBl 1995, 596) beurteilte Sachverhalt ist mit dem vorliegenden durchaus vergleichbar: Dort wurde von einem Mitglied des Verbands gegen diesen Schadenersatz geltend gemacht, weil dieser eine unrichtige Auskunft über die Zeichnungsberechtigung einer Person erteilt habe, die eine Bankgarantie gezeichnet hatte. In diesem Rechtsstreit war die Frage, ob der beklagte Verband zur Auskunft über die Zeichnungsberechtigung aufgrund des Genossenschaftsverhältnisses verpflichtet war, jene zu lösende Vorfrage, die als eine Angelegenheit des Verbands angesehen werden könnte. Nichts anderes kann gelten, wenn der beklagte Verband eine - wenn auch gegen sämtliche Mitglieder gerichtete - Maßnahme ergriff, die - jedenfalls - einem dieser Mitglieder nach dessen Behauptungen einen (Vermögens-)Schaden zufügte, sodaß - als Vorfrage - zunächst geklärt werden muß, ob der Verband zu dieser Maßnahme überhaupt berechtigt war. Das Begehren der klagenden Partei hat zwar in der ihr (und allen anderen Mitgliedern der beklagten Partei auferlegten „Sektorreserve“) seinen Ursprung, doch würde über dessen mangelnde Berechtigung selbst dann nicht mit Rechtskraftwirkung abgesprochen werden, wenn dem Schadenersatzbegehren der klagenden Partei schließlich stattgegeben werden sollte.
Der Sachverhalt der Entscheidung JBl 1930, 18, ist schon deshalb nicht vergleichbar, weil die Schiedsklauseln unterschiedlich gefaßt sind: Dort verpflichteten sich die Parteien, die den Gesellschaftsvertrag eingegangen waren, ganz allgemein, sich „für den Fall von Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern“ einem Schiedsgericht zu unterwerfen, wogegen hier das schiedsrichterliche Verfahren „in allen die Angelegenheiten des Verbands betreffenden Streitfällen“ durchzuführen ist. Die in der Entscheidung JBl 1995, 596, referierte herrschende Auffassung, daß Vereinsschiedsgerichte zur Entscheidung über privatrechtliche, namentlich vermögensrechtliche Streitigkeiten nicht berufen werden könnten, kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht fruchtbar gemacht werden, weil es sich bei dem im Statut der beklagten Partei festgelegten Schiedsgericht nicht um ein Vereins-(§ 599 Abs.2 ZPO), sondern um ein Schiedsgericht im Sinne des § 599 Abs.1 ZPO handelt; daher ist auch bloß die Auslegung der Wortfolge „in allen die Angelegenheiten des Verbands betreffenden Streitfällen“ bedeutsam (vgl dazu auch Rummel in seiner Glosse zu der zitierten Entscheidung).
Die von der Entscheidung JBl 1995, 596, erörterte fehlerhafte Geschäftsbesorgung durch den Verband kann nicht anders beurteilt werden als die gegenüber einem Mitglied - nach dessen Behauptungen - unzulässigerweise durchgesetzte Einbehaltung von Mitteln, mag diese Einbehaltung auch gegenüber allen Mitgliedern der beklagten Partei durchgesetzt worden sein.
Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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