OGH 1Ob218/55

OGH1Ob218/5527.4.1955

SZ 28/108

Normen

ABGB §1497
ABGB §1497

 

Spruch:

Durch ein Strafverfahren gegen unbekannte Täter oder gegen eine andere Person als den Schuldner kann die Verjährung ebensowenig unterbrochen werden wie durch eine Klage gegen eine dritte Person.

Entscheidung vom 27. April 1955, 1 Ob 218/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

In dem zwischen denselben Parteien anhängig gewesenen Vorprozeß 14 Cg 16/51 des Handelsgerichtes Wien hat der Oberste Gerichtshof mit Entscheidung vom 30. Oktober 1952, 1 Ob 871/52, das Urteil des Berufungsgerichtes mit der Maßgabe bestätigt, daß der Urteilsspruch in der Hauptsache zu lauten hat: Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den ihm im Jahre 1948 mit dem Kraftwagen verkauften und in das Eigentum übertragenen Motor Morris, Type Commerc, mit der Motornummer MA oder M 46/2378 und dem Magistratswappen, nach Ausbau des jetzigen Motors betriebsfertig und einwandfrei funktionierend durch Einbau in den Kraftwagen des Klägers zurückzustellen. Die beklagten Parteien können sich von dieser Verpflichtung durch Zahlung eines Betrages von 15.000 S befreien.

Der Kläger macht nun mit der am 30. September 1953 eingebrachten weiteren Klage gemäß § 368 EO. sein Interesse an der nicht durchzusetzenden Leistung mit dem (eingeschränkten) Betrage von 6900 S samt 4% Zinsen seit 30. September 1953, Zug um Zug gegen Herausgabe des jetzigen Motors Morris, Type Commerc, mit ausgeschliffener Motornummer M beziehungsweise MA 2366 und dem Magistratswappen, geltend. Überdies begehrte der Kläger als Schadenersatz einen Betrag von 13.682 S mit folgender Begründung: er betreibe eine fabriksmäßige Schokoladeerzeugung, und für diese habe ein Vertreter in der Zeit vom 19. Jänner bis 22. Feber 1950 in der Provinz Lieferaufträge in der Höhe von 73.205 S 40 g gesammelt. Als der Kläger am 8. März 1950 mit der Auslieferung der Ware begonnen habe, habe er feststellen müssen, daß sein Wagen zu dieser Auslieferung ungeeignet sei, da er keine normale Straßensteigung habe bewältigen können. Der Kläger habe daher nur Waren im Werte von 2094 S ausliefern können und die übrigen Aufträge in der Höhe von 71.111 S 40 g stornieren müssen, da er eine andere Auslieferungsmöglichkeit nicht gehabt habe. Dadurch sei ihm bei einer 12%igen Verdienstspanne ein Nettogewinn von 8532 S entgangen; der Vertreter habe eine Provision von 5150 S verlangt.

Die Beklagten haben gegenüber dem zweiten - allein noch revisionsgegenständlichen - Anspruch insbesondere Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 6900 S Zug um Zug gegen die Herausgabe des jetzigen Motors verurteilt. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 13.682 S hat es abgewiesen. Es stellte hinsichtlich dieses Anspruches folgendes fest:

Der Kläger hat am 8. März 1950 festgestellt, daß er mit seinem Wagen, weil dieser eine normale Straßensteigung nicht bewältigen konnte, seine Geschäftsreisen in die Provinz nicht mehr durchführen konnte. Am 25. April 1950 anläßlich der jährlichen Überprüfung des Kraftwagens durch die staatliche Untersuchungsanstalt hat der Kläger Kenntnis erhalten, daß sein Wagen nun einen anderen Motor hatte als bei der letzten staatlichen Untersuchung am 22. März 1949. Er war der Überzeugung, daß der Austausch des Motors von der erstbeklagten Partei in einem Zeitpunkte vorgenommen worden ist, als er seinen Wagen dieser zu einer geringfügigen Reparatur anvertraut hatte. Der Vertreter des Klägers hat im Jahre 1950, als die Auslieferung der Waren mit dem Wagen nicht mehr möglich war - somit also nur kurze Zeit nach dem 8. März 1950 -, infolge Ersuchens des Klägers seine Ansprüche auf Zahlung der Provision vorläufig zurückgestellt, weil der Kläger ihm mitgeteilt hatte, daß er wegen Regelung seiner Ansprüche sich mit den Beklagten ins Einvernehmen setzen werde. Der Kläger hat mit dem Schreiben vom 6. Mai 1950 der erstbeklagten Partei das Vorhandensein eines fremden Motors in seinem Wagen mitgeteilt. Der damalige Vertreter des Klägers, Rechtsanwalt Dr. F.- E., hat die erstbeklagte Partei mit Schreiben vom 12. Mai 1950 dahin verständigt, daß ein Austausch des Motors im Wagen des Klägers im Betriebe der erstbeklagten Partei erfolgt und diese verpflichtet sei, dem Kläger die angemessenen Kosten der durch den schlechteren, ausgetauschten Motor verursachten höheren Betriebsspesen zu ersetzen. Der Kläger hat dann am 30. Mai 1950 die Klage gegen die Beklagten zu 14 Cg 16/51 des Handelsgerichtes auf Zurückstellung des ihm seinerzeit verkauften Motors, in eventu auf Zahlung eines Ersatzbetrages von 15.000 S, eingebracht.

Hieraus schloß das Erstgericht, daß dem Kläger bereits im April, jedoch spätestens im Mai 1950, sowohl die Person des Beschädigers als auch der erlittene Schaden bekannt gewesen sei. Auch die Höhe des Schadens sei dem Kläger im angegebenen Zeitpunkt bekannt gewesen, da sowohl der Provisionsanspruch des vom Kläger eingesetzten Vertreters auf Grund der bestandenen Provisionsvereinbarung als auch die Höhe des entgangenen Nettogewinnes bei der dem Kläger jederzeit bekannten Nettoverdienstspanne rasch und ohne Schwierigkeit auf Grund der vom Kläger mit 73.205 S 40 g angegebenen Lieferaufträge, die in der Höhe von 71.111 S 40 g storniert werden mußten, zu berechnen gewesen sei. Daß der Provisionsvertreter über Ersuchen des Klägers die Befriedigung seiner, nach dem eigenen Vorbringen des Klägers vor dem

6. bzw. 12. Mai 1950 geltend gemachten, Ansprüche für einige Zeit zurückgestellt habe, könnte den Beginn der Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB.) nicht beeinflussen. Dem Hinweis des Klägers, daß er im Zeitpunkt der Einbringung der Vorklage 14 Cg 16/51 des Handelsgerichtes Wien wohl einen begrundeten Verdacht, aber keinen Beweis dafür gehabt habe, daß der Motor bei der erstbeklagten Partei ausgetauscht worden sei, und daß er erst im Zuge des Vorprozesses durch die Beweisergebnisse Mitte 1951 Gewißheit darüber erlangt habe, daß der Motor bei der erstbeklagten Partei ausgetauscht worden sei, sei entgegenzuhalten, daß er in der Klageschrift im Vorprozeß eingehend ausgeführt habe, daß der Austausch des Motors nur im Betriebe der Erstbeklagten erfolgt sein konnte, und auch dafür Beweise angeboten habe. Entscheidend sei der Zeitpunkt des erlangten Wissens eines schuldhaften Verhaltens des Beschädigers, nicht aber erst der prozeßordnungsgemäß erbrachte Nachweis eines solchen Verhaltens. Der Anspruch auf Zahlung von 13.682 S sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge.

Es stellte ergänzend fest: der Kläger hat am 30. Mai 1950 eine Strafanzeige wegen des Motortausches erstattet und sich auch mit einem Betrag von 18.000 S dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen. Er hat in der Anzeige angegeben, daß dieser von ihm geltend gemachte Schaden durch die Entwendung des Motors entstanden sei, da er "auch wesentliche Verluste durch das schlechte Funktionieren des ausgetauschten Motors, an Betriebsstoff und Betriebsaufwendungen erlitten habe"; bei einer späteren polizeilichen Vernehmung sagte er, daß "die in (seiner) Anzeige angeführte Schadenersatzsumme infolge des Öl- und Benzinmehrverbrauches zustandegekommen" sei. Bei seiner Zeugenvernehmung sagte er über den geltend gemachten Schadenersatzbetrag nichts. Aus diesen Feststellungen schloß das Berufungsgericht, daß der Kläger die in diesem Verfahren geltend gemachte Schadenersatzforderung wegen Nichtausführung von Aufträgen bzw. wegen Zahlung von Provision an einen Vertreter für solche Aufträge, im Strafverfahren überhaupt nicht geltend gemacht habe. Die Erstattung der Strafanzeige könne daher die Verjährung dieser Forderung nicht unterbrochen haben. Dazu komme noch, daß sich diese Strafanzeige nicht gegen die beklagten Parteien gerichtet habe, sondern zunächst gegen unbekannte Täter, dann gegen Karl Sch.

Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte seine rechtliche Beurteilung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Versuch des Revisionswerbers, eine Unterbrechung der Verjährung aus der Erstattung der Strafanzeige und aus dem über diese Anzeige durchgeführten Verfahren abzuleiten, muß - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - schon daran scheitern, daß weder die Anzeige gegen die Gesellschafter der Erstbeklagten erstattet noch das Strafverfahren gegen sie durchgeführt wurde. Gemäß § 1497 ABGB. wird - soweit diese Bestimmung hier in Betracht kommt - die Verjährung unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf sie berufen will, vor dem Ablauf der Verjährungszeit von dem Berechtigten belangt wird. Voraussetzung der Unterbrechung ist demnach, daß sich die gerichtliche Geltendmachung - sei es durch Klage oder im Anschlußverfahren - gegen denjenigen richtet, der sich auf die Verjährung berufen will. Durch ein Strafverfahren gegen unbekannte Täter- oder gegen eine andere Person als den Schuldner kann die Verjährung ebensowenig unterbrochen werden wie durch eine Klage gegen eine dritte Person. Aus der vom Revisionswerber zitierten Rechtsprechung ergibt sich nichts Gegenteiliges. In allen diesen Fällen (GlU. 5157, 5682, GlUNF. 7150) war die strafgerichtliche Verfolgung gegen den Schuldner und nicht gegen einen Dritten gerichtet. Bei dieser Rechtsauffassung kommt es gar nicht mehr darauf an, ob der Kläger im Strafverfahren die nun streitgegenständliche Forderung erhoben hat. Im übrigen sind aber die in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zutreffend; die Ausführungen in der Revision sind nicht geeignet, sie zu widerlegen.

Wenn der Revisionswerber sodann versucht, darzutun, daß er im Zeitpunkte der Erstattung der Strafanzeige bzw. der Einbringung der Vorklage von der Person des Beschädigers und des Ersatzpflichtigen keine Kenntnis hatte, so gerät er damit in unlöslichen Widerspruch mit den oben wiedergegebenen, vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen. Danach erkannte der Kläger am 8. März 1950, daß der Wagen eine normale Straßensteigung nicht bewältigen könne. Am 25. April 1950 erfuhr er, daß sich im Wagen ein anderer Motor befinde, und vor allem teilte er mit dem Brief vom 6. Mai 1950 der erstbeklagten Partei mit, saß in ihrem Betriebe der Motor ausgetauscht worden sei, und verlangte mit dem Schreiben vom 12. Mai 1950 den Ersatz von Kosten und Schäden. Daraus kann nur der Schluß gezogen werden, daß dem Kläger bei Erhebung der Klage 14 Cg 16/51 (30. Mai 1950) die Person des Beschädigers bekannt war. Im übrigen ist auch nicht einzusehen, wieso der Kläger zwar hinsichtlich des Rücktausches des Motors die Beklagten in Anspruch genommen hätte, wegen des Schadenersatzes aber, der in persönlicher Beziehung keine anderen Voraussetzungen aufweist, dies nicht hätte tun können, zumal andere oder gerade hinsichtlich des Schadenersatzes von den Beklagten verschiedene Personen gar nicht in Frage gekommen sind.

Schließlich haben die Untergerichte auch zutreffend erkannt, daß dem Kläger die Höhe des Schadens zur Zeit der Erhebung der ersten Klage bereits ausreichend bekannt, jedenfalls leicht ermittelbar war. Den Verdienstentgang konnte der Kläger jederzeit unschwer errechnen. Die Provision hat der Vermittler festgestelltermaßen kurze Zeit nach dem 8. März 1950 verlangt. Daß ihn der Kläger zunächst hinhielt, ändert nichts daran, daß ihm das berechtigte (§ 6 Abs. 3 HAG.) Provisionsverlangen bekannt war, so daß auch hier ein Schaden in einer dem Kläger bekannten Höhe, und zwar durch das Vorliegen der Provisionsforderung, bereits entstanden war. Im übrigen ist Kenntnis der Schadenshöhe für den Beginn der Verjährung des § 1489 ABGB. nicht erforderlich (Klang 2. Aufl. VI 636; 2 Ob 547/53, 2 Ob 486/53).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

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