Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit 782 S 43 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien schlossen am 25. Juni 1959 einen als Vereinbarung bezeichneten Vertrag über die gemeinsame Führung der "A*****-Bar" in Wien I. In Punkt XI des Vertrages heißt es, dass sich beide Vertragsteile in allen Streitigkeiten der Entscheidung eines Schiedsgerichtes unterwerfen, gegen welches ein Rechtszug nicht statthat. Der weitere Inhalt dieses Vertragspunktes befasst sich mit der Zusammensetzung des Schiedsgerichtes und schließt mit dem Satz, das Schiedsgericht sei verpflichtet, innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen nach Ablauf der beiderseitigen Nennungsfrist seine Entscheidung zu fällen.
In der Folge kam es zu verschiedenen Streitigkeiten zwischen den Parteien. Das vorgesehene Schiedsgericht wurde bestellt (Erster Präsident des Obersten Gerichtshofes i. R. Univ. Prof. Dr. Karl Wahle als Vorsitzender, die Rechtsanwälte Dr. Kurt Schreiber und Dr. Otto Knieschek als Schiedsrichter und Richter Dr. Rolf Veit als Schriftführer) und zunächst am 5. 12. 1960 vom Beklagten angerufen. Am 2. 1. 1961 erhoben die Kläger bei diesem Schiedsgericht Widerklage auf Nichtigerklärung des eingangs erwähnten Vertrages und Schiedsvertrages (ferner wegen Feststellung, Besitzstörung und Schadenersatzes). Das Schiedsgericht fasste am 7. 2. 1961 A) den Beschluss, dass die von den Ehegatten N***** erhobene Einwendung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichtes zurückgewiesen werde, und fällte
B) folgenden Teilschiedsspruch:
"1.) Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung vom 25. 6. 1959 zum gemeinsamen Betrieb der "A*****-Bar" mit dem Standort Wien I., *****, mit 30. 11. 1960 aufgelöst sei, wird abgewiesen.
2.) Hingegen wird dem Widerklagebegehren auf Ungültigkeitserklärung dieser Vereinbarung Folge gegeben und der am 25. 6. 1959 zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag für nichtig erklärt.
3.) Die Beklagte sind ferner schuldig, sich jeder weiteren Tätigkeit auf Grund der im Punkt 2) genannten Vereinbarung zu enthalten und die Geschäftslokalitäten und die links vom Straßeneingang befindliche "A*****-Bar", sog. "L*****-Bar", sofort zu räumen.
4.) Das beiderseitige Schadenersatzbegehren, und zwar das Begehren des Klägers auf Bezahlung von 100.000 S wegen von den Beklagten verschuldeter beziehungsweise vorsätzlich herbeigeführter Sperre des Betriebes, und das Begehren der Beklagten auf Bezahlung von 500.000 S wegen vom Kläger verhinderten Abschlusses eines Vertrages rücksichtlich des Betriebes einer Pension, wird abgewiesen.
5.) Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten, die über die bisher nicht entschiedenen Streitpunkte ergehen wird."
Dieser Schiedsspruch wurde den Parteien am 5. 4. 1961 zugestellt. Mit der am 3. 7. 1961 erhobenen Klage begehrten die Kläger unter Berufung auf § 595 Z 1 und 3 ZPO die Aufhebung dieses Schiedsspruches in den Punkten A) und B) 1 und 3 bis 5 als unwirksam. Sie führten aus: Im Punkt B) 2 werde die Entscheidung des Schiedsgerichtes als richtig kannt. Die Schiedsklausel sei im Vertrag vom 25. 6. 1959 enthalten, könne daher nur das Schicksal der Hauptvereinbarung teilen. Infolge Nichtigkeit der Hauptvereinbarung sei somit auch die Schiedsklausel gegenstandslos. Außerdem sei die Schiedsklausel unbestimmt, der Schiedsvertrag außer Kraft getreten, weil die vierwöchige Entscheidungsfrist nicht eingehalten worden sei, der Schiedsrichter Dr. Kurt Schreiber sei befangen und schließlich habe ein aktiver Richter als Schriftführer fungiert; auch der Schriftführer sei Mitglied des Schiedsgerichtes. In der Streitverhandlung vom 4. 12. 1961 erklärten die Kläger, nunmehr den Schiedsspruch (auch) im Punkte
B) 2 anzufechten, und dehnten das Klagebegehren dahin aus, dass der Schiedsspruch auch in seinem Punkt B) 2 als unwirksam aufgehoben werde.
Die Beklagte bestritt das Vorliegen von Anfechtungsgründen und machte geltend, dass die Frist zur Anfechtung des Punktes B) 2 versäumt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren aus rechtlichen Erwägungen ab:
Die Anfechtung eines Schiedsspruches sei an die dreimonatige Frist des § 596 Abs 2 ZPO gebunden. Dies gelte auch für ein nach Ablauf dieser Frist erweitertes Begehren. Soweit sich das Klagebegehren auf Aufhebung des Punktes B) 2 des Schiedsspruches richte, sei es aus diesem Grunde verfehlt. Die Ungültigkeit oder Nichtigkeit des eine Schiedsklausel enthaltenden Vertrages bewirke nicht, dass die Schiedsvereinbarung als nicht geschlossen anzusehen sei, wie sich aus einer analogen Anwendung des § 88 Abs 1 JN ergebe. Aus dem Zusammenhang mit den übrigen Vertragsbestimmungen folge, dass die Parteien nur die aus der Vereinbarung sich ergebenden Streitigkeiten, nicht überhaupt "alle Streitigkeiten" der Entscheidung des Schiedsgerichtes unterwerfen wollten. Damit sei die Schiedsklausel auch hinlänglich bestimmt. Die dem Schiedsgericht auferlegte Verpflichtung, innerhalb von vier Wochen seine Entscheidung zu fällen, enthalte keine Sanktion für den Fall der Verletzung dieser Frist. Daher könne aus der Fristüberschreitung nicht auf eine Aufhebung des Schiedsvertrages geschlossen werden. Der Schiedsrichter Dr. Kurt Schreiber habe den Beklagten erst nach Fällung des Teilschiedsspruches als Anwalt vertreten, sei daher zur Zeit der Fällung des Erkenntnisses nicht befangen gewesen. Im § 578 ZPO sei nur die Bestellung aktiver Richter zu Schiedsrichtern untersagt. Der Schriftführer fungiere nicht als Schiedsrichter. Für ihn gelte daher diese Bestimmung nicht.
Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht und ergänzte zur Frage der "Unzuständigkeit" des Schiedsgerichtes infolge der ausgesprochenen Nichtigerklärung des Vertrages noch folgendes:
Die Kläger könnten sich auf die Lehrmeinung Sperls (Lehrbuch, S 779) stützen, der von der rechtlichen Schicksalsgemeinschaft der Schiedsklausel mit dem Hauptvertrag spreche. Das Erstgericht sei nicht dieser Lehrmeinung, sondern im wesentlichen der Begründung des Schiedsspruches gefolgt. Die Bestimmungen über den Schiedsvertrag würden auffällige Parallelen mit der Vorschrift über die Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN aufweisen, was eine analoge Auslegung gestatte. Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung von der Hauptvereinbarung sei überwiegend anerkannt. Auch bei der Schiedsklausel handle es sich um einen Vertrag prozessualen Inhaltes, der nach prozessualen Grundsätzen zu beurteilen sei. Ein Vertrag, der materiellrechtliche und prozessrechtliche Bestimmungen enthalte, könne auch nur in der einen oder anderen Richtung ungültig sein. In erster Linie sei aber der Umstand maßgebend, das die Kompetenz einer Entscheidungsinstanz jedenfalls nicht Folge, sondern nur Voraussetzung ihrer Sachentscheidung sein könne. Aus der meritorischen Sacherledigung des Schiedsgerichtes nach Punkt B) 2 des Spruches lasse sich daher eine Inkompetenz des Schiedsgerichtes überhaupt nicht ableiten. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 10.000 S übersteigt. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage, das Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.
Der Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Zu den Fragen der Befangenheit des einen Schiedsrichters, der Teilnahme eines aktiven Richters und der verspäteten Anfechtung des Schiedsspruches in dessen Teil B) 2 wollen die Kläger nicht mehr Stellung nehmen, weil der geltend gemachte Revisionsgrund das Revisionsgericht ohnehin verpflichtete, sich auch zu diesen Punkten zu äußern. Grundsätzlich vertritt der Oberste Gerichtshof allerdings den Standpunkt, dass dann, wenn der Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO geltend gemacht ist, die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils in allen Punkten zu überprüfen ist. Da jedoch die Kläger nicht erklären, inwiefern sie in den angeführten Punkten die rechtliche Beurteilung der Untergerichte für unrichtig halten, kann sich der Oberste Gerichtshof darauf beschränken, auf die nach seiner Ansicht zutreffende Begründung der Untergerichte zu verweisen. Das angefochtene Urteil hat auch richtig und ausführlich begründet, warum es die hinreichende Bestimmtheit der Schiedsklausel angenommen und ein Außerkrafttreten der Schiedsabrede wegen Überschreitens der vierwöchigen Entscheidungsfrist verneint hat. Den Klägern gelingt es nicht, dagegen etwas Überzeugendes vorzutragen. Es ist hier belanglos, wie das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in einer anderen Rechtssache den gegenständlichen Schiedsvertrag beurteilt hat. Der Schluss, dass die Verletzung der Verpflichtung des Schiedsgerichtes, innerhalb einer bestimmten Frist zu entscheiden, den Schiedsvertrag außer Kraft setzen sollte, ist keineswegs zwingend. Über eine solche angebliche Parteiabsicht haben die Kläger in erster Instanz nichts vorgebracht und auch keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt.
Für die Erfolglosigkeit der Revision erscheinen im übrigen folgende Überlegungen maßgebend:
Die §§ 595 ff ZPO lassen nur die Anfechtung eines Schiedsspruches, also des das strittige Rechtsverhältnis erledigenden Ausspruches des Schiedsgerichtes zu. Aussprüche des Schiedsgerichtes über seine sachliche Zuständigkeit oder Unzuständigkeit sind nicht Teile des Schiedsspruches und können nicht mit der Unwirksamkeitsklage nach § 596 ZPO angefochten werden (SZ IV 23). Die Anfechtung des schiedsgerichtlichen Beschlusses über die Zurückweisung der Unzuständigkeitseinrede (Punkt A) des schiedsgerichtlichen Erkenntnisses) war aus diesen Gründen verfehlt.
Das Schiedsgericht hat in seinem Teilschiedsspruch unter B) 2 den am 25. 6. 1959 zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag für nichtig erklärt. Da die Schiedsklausel als Vertragspunkt XI ein Teil dieses Vertrages ist, könnte man nach dem Wortlaut des Schiedsspruches annehmen, dass auch die Schiedsklausel für nichtig erklärt ist. Aus der Begründung des Schiedsspruches folgt jedoch, dass das Schiedsgericht die Schiedsklausel nicht in die Nichtigerklärung des Vertrages mit einbeziehen wollte, dass es vielmehr das Schicksal der Schiedsklausel ausdrücklich vom Schicksal des Hauptvertrages ausgenommen hat. Das Schiedsgericht hat sich demnach mit der Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schiedsklausel nicht befasst, sondern hat den Standpunkt eingenommen, dass die Ansicht der im Schiedsverfahren beklagten Ehegatten N*****, die Schiedsklausel teile automatisch das Schicksal des Hauptvertrages, nicht zutreffe. In der Klage haben die Kläger den Spruch des Schiedsgerichtes hinsichtlich der Nichtigerklärung des Vertrages ausdrücklich anerkannt. Es war daher zunächst fraglich, ob ihr Klagebegehren schlüssig ist. Gehen die Kläger nämlich einerseits von der Nichtigkeit der Schiedsklausel aus, erkennen aber andererseits Teile des Schiedsspruches ausdrücklich an, so liegt darin ein Widerspruch. Dieser Widerspruch kann den Klägern allerdings deshalb nicht schaden, weil es den Parteien unbenommen ist, nur Teile eines Schiedsspruches anzufechten, und weil ein Schiedsspruch auch nur teilweise für unwirksam erklärt werden kann (ZBl 1926, Nr. 332, Sperl, Lehrbuch, S 813). Auch dürfen von der Partei nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden (GlUNF. 7202 und 1304). Die Kläger konnten also den Schiedsspruch nur in beschränktem Umfang anfechten.
Hat das Schiedsgericht zutreffend eine Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsklausel vermieden, so konnte diese Frage jedenfalls in der unter anderem auf § 595 Z 1 ZPO gestützten Klage aufgerollt werden, weil die in dieser gesetzlichen Bestimmung aufgezählten Vertragsmängel Voraussetzung für die Wirkungslosigkeit des Schiedsspruches sind. Als einen solchen Vertragsmangel behaupten die Kläger nun die Unwirksamkeit der Schiedsklausel wegen der Nichtigkeit der Hauptvereinbarung. Die Nichtigkeit der Hauptvereinbarung steht fest, weil in dieser Hinsicht der Schiedsspruch nach dem oben Gesagten von den Klägern nicht zeitgerecht angefochten wurde. Die Nichtigkeit des Hauptvertrages muss aber nicht unbedingt die Nichtigkeit der Schiedsklausel zur Folge haben. Es handelt sich hier um zwei verschiedene Verträge, die räumlich und zeitlich vollkommen unabhängig voneinander, aber auch gleichzeitig zustandekommen können. Die beiden Verträge können daher ein verschiedenes Schicksal haben, und zwar unabhängig davon, ob sie nun in einer Vertragsurkunde enthalten sind oder nicht. Der Schiedsspruch ist gemäß § 595 Z 1 ZPO unter anderem wirkungslos, wenn der Schiedsvertrag ungültig war. Eine Ungültigkeit des Schiedsvertrages aus den im § 577 ZPO angeführten oder aus anderen den Schiedsvertrag selbst betreffenden Gründen ist nicht behauptet worden. Aus dem schiedsgerichtlichen Akt, insbesondere aus dem Inhalt der dort anhängig gemachten Klagen und dem Schiedsspruch selbst (und seiner Begründung), geht nur hervor, dass der Hauptvertrag wegen Irreführung des einen Vertragspartners durch den anderen hinsichtlich des befugten Besitzes einer Konzession angefochten wurde und dass das Schiedsgericht in diesem Sinn entschieden hat. Da sich die Irreführung in keiner Weise auf den Schiedsvertrag erstreckte, ließ die Entscheidung über die Ungültigkeit des Hauptvertrages den Schiedsvertrag völlig unberührt. Der bei einem Vertrag mitwirkende Irrtum kann nach den Bestimmungen der §§ 871 ff ABGB verschiedene Auswirkungen haben, er muss den Vertrag nicht unbedingt vernichten. Es ist daher nicht einzusehen, warum zur Entscheidung über einen Streit aus diesem Grunde nicht das vereinbarte Schiedsgericht kompetent sein soll, wenn die Schiedsklausel ohnehin dahin lautet, dass das Schiedsgericht über alle Streitigkeiten zu entscheiden hat, die das Vertragsverhältnis betreffen, wozu wohl auch die Streitigkeiten über den Bestand oder Nichtbestand, Gültigkeit und Unwirksamkeit des Hauptvertrages gehören. Anders verhielte es sich nur, wenn der Schiedsvertrag selbst mit Mängeln behaftet wäre, die seine Gültigkeit in Frage stellen. Wie schon gesagt, ist jedoch in dieser Richtung nichts Konkretes vorgebracht worden. Der Inhalt der Schiedsklausel selber enthält keinen Vorbehalt in der Weise, dass sie nur gültig sein soll, wenn auch der Hauptvertrag gültig zustande gekommen ist. Es bedarf mithin gegebenenfalls gar nicht der Heranziehung der Bestimmungen der §§ 88 Abs 1 und 104 Abs 2 JN zur analogen Anwendung, um zu dem Ergebnis der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes zu gelangen und die Ansicht der Revisionswerber abzulehnen, dass die Schiedsklausel unter allen Umständen das Schicksal des Hauptvertrages teilt.
Erweist sich aus diesen Überlegungen die Anfechtung des Schiedsspruches durch die Kläger als unbegründet, so kann auch ihre Revision keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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