OGH 1Ob2148/96f

OGH1Ob2148/96f22.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Peter T*****, infolge Revisionsrekurses des Landes Oberösterreich gegen den Beschluß des Landesgerichts Linz als Rekursgerichts vom 21.März 1996, GZ 13 R 82/96-208, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Linz-Land vom 19.Jänner 1996, GZ 4 P 9/87-205, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 3.3.1995 übertrug das Erstgericht dem Magistrat der Landeshauptstadt Linz auch die gesetzliche Vertretung des Minderjährigen und die gesamte Vermögensverwaltung für ihn und sprach aus, daß damit die Obsorge zur Gänze der Jugendwohlfahrtsbehörde zustehe (ON 193).

Mit Beschluß vom 19.Jänner 1996 wies das Erstgericht den Antrag des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, die Obsorge für den Minderjährigen in den Teilbereichen Pflege und Erziehung der Oberösterreichischen Landesregierung zu übertragen, - unangefochten - als unzulässig zurück. Darüber hinaus änderte es seinen zuvor genannten Beschluß vom 3.3.1995 dahin ab, daß die Obsorge für den Minderjährigen zur Gänze „dem Land Oberösterreich als Jugendwohlfahrtsträger“ zustehe. Weder die Bezirksverwaltungsbehörden noch die Landesregierung seien - ungeachtet ihrer im oberösterreichischen Jugendwohlfahrtsgesetz (oö JWG) gewählten Bezeichnung als „Jugendwohlfahrtsträger“ - als solche im Sinne des § 4 Abs 1 JWG 1989 anzusehen. Jugendwohlfahrtsträger im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung könne ausnahmslos nur das jeweilige Bundesland als Rechtsträger sein. Dies sei in Klarstellung des Beschlusses vom 3.3.1995 auszusprechen.

Das Rekursgericht gab dem vom Land Oberösterreich dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es sei nicht strittig, daß die Obsorge für den Minderjährigen nach dem Ableben seiner Eltern und mangels eines zur Übernahme der Obsorge geeigneten Großelternteils dem Jugendwohlfahrtsträger zuzukommen habe. Strittig sei lediglich, wer als Jugendwohlfahrtsträger anzusehen sei. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung sei in Anlehnung an die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28.6.1995, AZ 9 Ob 514/95, davon auszugehen, daß ungeachtet landesgesetzlicher Kompetenzbestimmungen das Land Oberösterreich Jugendwohlfahrtsträger sei. Es sei auch nicht sachgerecht, Gerichte damit zu befassen, welches der nach den landesgesetzlichen Vorschriften in Frage kommenden Organe ein und desselben Rechtsträgers jeweils zur Durchführung einer diesem Rechtsträger obliegenden Jugendwohlfahrtsmaßnahme berufen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Land Oberösterreich erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß Art 12 Abs 1 B-VG ist in Angelegenheiten der Jugendfürsorge der Bund zur Erlassung von Grundsatzbestimmungen, das jeweilige Land hingegen zur Erlassung von Ausführungsgesetzen und zur Vollziehung berufen. Dementsprechend hat der Bund mit § 4 des Grundsätze über die Jugendfürsorge enthaltenden JWG 1989, BGBl 1989/161 bestimmt, daß Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt (Jugendwohlfahrtsträger) das Land ist (Abs 1) und daß die Landesgesetzgebung bestimmt, welche Organisationseinheit die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu besorgen hat (Abs 2). Damit wird klar zwischen der juristischen Person Land als Rechtsträger und den für den Rechtsträger Land handelnden Organen bzw Organisationseinheiten unterschieden.

Das oö JWG, LGBl 1991/111, weicht - im Gegensatz zu anderen Jugendwohlfahrtslandesgesetzen - zumindest in der Terminologie erheblich von § 4 JWG 1989 ab, indem es im § 4 „Aufgabenverteilung und Zuständigkeit“ nicht nur das Land sowie Städte mit eigenem Statut und Sozialhilfeverbände, sondern auch die Landesregierung und die Bezirksverwaltungsbehörden als „Jugendwohlfahrtsträger“ bezeichnet und damit zwischen Rechtsträgern und Organen nicht unterscheidet. Da ein Ausführungsgesetz verfassungswidrig ist, wenn es einem Grundsatzgesetz widerspricht, und nicht anzunehmen ist, daß der Landesgesetzgeber mit der Bezeichnung auch der zur Ausführung der Jugendwohlfahrtsmaßnahmen berufenen Organe als „Jugendwohlfahrtsträger“ bewußt gegen die Grundsätze des JWG 1989 verstoßen wollte, ist im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung davon auszugehen, daß die Bezirksverwaltungsbehörden und die Landesregierung ungeachtet ihrer Bezeichnung als „Jugendwohlfahrtsträger“ im oö JWG nicht als solche im Sinne des § 4 Abs 1 JWG 1989 und des § 176a ABGB idF BGBl 1989/162, der diesen Begriff im Sinne dieser Bestimmung verwendet, anzusehen sind. Es erscheint auch nicht sachgerecht, die Gerichte damit zu befassen, welches der nach den landesgesetzlichen Vorschriften in Frage kommenden Organe ein und desselben Rechtsträgers jeweils zur Durchführung einer diesem Rechtsträger obliegenden Jugendwohlfahrtsmaßnahme berufen ist (RZ 1996/32).

Der erkennende Senat schließt sich damit der vom 9.Senat zu 9 Ob 514/95 vertretenen Rechtsansicht an. Die Ausführungen im Revisionsrekurs vermögen der überzeugenden Begründung dieser Entscheidung nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Auch in den Entscheidungen 6 Ob 524/95 und EvBl 1993/191 sowie ÖA 1992, 155 wurde klar zum Ausdruck gebracht, daß Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt gemäß Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG, § 4 Abs 1 JWG stets das Land und der Landesgesetzgeber lediglich ermächtigt ist, die Organisationseinheiten zu bestimmen, die die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu besorgen haben (§ 4 Abs 2 JWG). Soweit die Entscheidung EvBl 1994/141, die zwar auch davon ausgeht, daß das JWG 1989 im § 4 Abs 1 als Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt das jeweilige Land benenne, daß nach Abs 2 der genannten Bestimmung die Landesgesetzgebung festzulegen habe, welche konkreten Organisationseinheiten die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu besorgen haben, und daß die Konkretisierung durch die Bestimmung der berufenen Organisationseinheit (des berufenen Organs)der Landesgesetzgebung vorbehalten sei, dennoch die Auffassung vertritt, da § 4 Abs 3 oö JWG ausdrücklich die Landesregierung als Jugendwohlfahrtsträger im Sinne der §§ 176 und 176a ABGB, sofern diese gemäß § 40 Abs 2 oö JWG zur Durchführung einer Maßnahme der vollen Erziehung zuständig ist, bestimme, sei die Oberösterreichische Landesregierung als Jugendwohlfahrtsträger anzusehen, kann ihr bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Bestimmungen des oö JWG angesichts der vorher angestellten Erwägungen nicht gefolgt werden.

Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte